Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Olympia bei Extremtemperaturen: Cool in der Hitze
> Freiwasserschwimmerin Leonie Beck fühlt sich im warmen Meerwasser
> pudelwohl. Auch weil sie genug getrunken hatte, wurde sie am Ende fünfte.
Bild: Nummer 13: Leonie Beck darf mit ihrer Lieblingsnummer schwimmen
Tokio taz | Leonie Beck war so entspannt, als hätte sie gerade in einem
erfrischend kühlen Baggersee ein kleines Wettschwimmen gewonnen. „Ich hatte
richtig Spaß bei dem Rennen. Das hört sich vielleicht blöd an, aber es war
wirklich ein cooles Rennen“, sagte sie freudestrahlend wenige Minuten
nachdem sie dem Meereswasser vor Tokio entstiegen war. Gerade hatte sie mit
dem fünften Platz ihren besten Freiwasserwettbewerb absolviert.
Was war im Vorfeld nicht alles über die Extrembedingungen dieses
Schwimmmarathons über 10 Kilometer geredet worden. Erinnert wurde etwa an
den US-Amerikaner Francis Crippen, der 2010 bei einem Rennen in den
Vereinigten Arabischen Emiraten kollabiert war und tot aus dem Wasser
gefischt wurde. Und die US-Trainerin Catherine Kase hatte ihr Unverständnis
geäußert, warum die Marathonrennen ins kühle Sapporo im Norden Japans
verlegt wurden, während die Langstreckenschwimmer:innen [1][im heißen
Tokio] bleiben mussten.
An diesem Mittwoch wurde eine Stunde vor dem Startsignal um 6.30 Uhr in der
Früh eine Wassertemperatur von 29,3 Grad gemessen bei einer
Luftfeuchtigkeit von 90 Prozent. Die Sonne hat das Meer vor Japans
Hauptstadt in der Folgezeit noch etwas mehr in Richtung des Grenzwertes (32
Grad) erwärmt, da die Schwimmer:innen nicht mehr ins Wasser gelassen
werden dürfen. „Es wurde wärmer und wärmer und wir wurden schneller und
schneller“, sagte die niederländische Silbermedaillengewinnerin Sharon van
Rouwendaal. Sie schlug nur neun Zehntel Sekunden hinter der brasilianischen
Olympiasiegerin Ana Marcela Cunha (1:59:30,8 Stunden) und vor der
Australierin Kareena Lee an.
Doch keine von den Podiumsfrauen beschrieb die Bedingungen so gülden wie
die hitzeresistente Leonie Beck. Die 24-Jährige stieg aus diesem
Dampfgewässer von Tokio wie aus einem Jungbrunnen. „Ich habe eigentlich gar
nicht geschwitzt während dem Rennen. Ich fand es ganz schön angenehm.“
Mehr als sonst spielte bei diesem Warmwasserwettbewerb die
Verpflegungstaktik eine entscheidende Rolle. Fünf Runden mit vier
Verpflegungsmöglichkeiten waren zu überstehen. Und Van Rouwendaal sah einen
Schlüssel ihres Erfolgs darin, jede Station zur reichlichen
Flüssigkeitsaufnahme genutzt zu haben, auch wenn sie das in dem Moment
einige Plätze gekostet hätte.
Finnia Wunram, die zweite Deutsche im Feld, wiederum hatte nach der dritten
Runde aufs Trinken verzichtet, weil sie eine Tempoverschärfung wahrgenommen
haben wollte. Ein Fehler, wie sie hernach bekannte. So hatte sie im Finale
vor der letzten Runde Nachholbedarf, weil sie sonst „energetisch
kaputtgegangen wäre“. Sie kam mit gut anderthalb Minuten Rückstand als
Zehnte ins Ziel. „Ich hatte mir mehr erhofft.“
## Suboptimale Vorbereitung
Leonie Beck dagegen war am Ende dieser für sie so vergnüglichen zehn
Kilometer lediglich 2,6 Sekunden von einem Bronzerang entfernt. Grämen
wollte sie sich darüber nicht. „Ich habe alles gegeben, mehr war nicht
drin. Ein fünfter Platz ist immer noch sehr, sehr gut.“ Das sei mehr als
sie sich zuvor erwartet hätte.
Wenn die Würzburgerin im Vorfeld dieser Olympischen Spiele über schwierige
Bedingungen hätte klagen wollen, dann wären es vermutlich eher die in ihrer
Heimat gewesen. Die geschlossenen Schwimmbäder in der ersten Coronawelle
hatten viele Athlet:innen betroffen. Für Beck kam aber im Februar diesen
Jahres hinzu, dass ihr [2][Trainer Stefan Lurz], der sie jahrelang betreut
hat, vom Amt des Bundestrainers zurücktrat. Mehrere Athletinnen hatten dem
Spiegel berichtet, von Lurz sexuell missbraucht worden zu sein. Die
Würzburger Staatsanwaltschaft gab gerade vergangene Woche bekannt, mehrere
mögliche Missbrauchsopfer vernommen zu haben.
Konkretes zu dieser Corona-Lurz-Zeit möchte Leonie Beck in Tokio lieber
nicht sagen. Ihre Vorbereitung, erklärt sie, hätte besser laufen können.
„Ich denke, ich hatte ziemlich großes Pech.“ In diesem Fall haben nicht nur
die juristischen Behörden, sondern auch der Deutsche Schwimm-Verband noch
einiges aufzuklären. Denn kurz nach dem Rücktritt von Lurz wurde dem
Sportdirektor Thomas Kurschilgen im Olympiajahr gekündigt. Ein Zusammenhang
mit dem Fall Lurz wurde offiziell nie bestätigt.
All das war im Odaiba Marine Park von Tokio weit weg von Leonie Beck. Sie
genoss in vollen Zügen ihre Hochform zum bestmöglichen Zeitpunkt. „Ich
hatte eigentlich während des ganzen Rennens keinen einzigen negativen
Gedanken“, bemerkte sie. Als die Glocke die letzte Runde einläutete, war es
sogar Beck, die das Tempo anzog und sich an die Spitze setzte. „Ich bin
vier Runden im Sog geschwommen und wollte auch mal was probieren.“ So lag
die deutsche Schwimmerin mit der Nummer 13 auf dem Arm in der Schlussrunde
sogar einige Zeit auf Goldkurs. „Die 13 ist meine Glückszahl“, erklärte
Beck. An diesem Tag schien auch wirklich alles für sie zu stimmen.
4 Aug 2021
## LINKS
[1] /Sport-in-Zeiten-des-Klimawandels/!5623885
[2] /Fuehrungskrise-bei-deutschen-Schwimmern/!5762039
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Tokio
Schwimmen
Hitze
Freiwasserschwimmen
Petition der Woche
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwimmen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Medaillenflut bei Schwimm-WM: „Der Staff gibt Feuer“
Die deutschen Langstreckenschwimmer sind so erfolgreich wie noch nie. Bei
der WM in Fukuoka überzeugen vor allem Leonie Beck und Florian Wellbrock.
Petition der Woche: Laufen, aber nicht bis zum Umfallen
Marathon zur besten Zuschauerzeit – daran wollen die EM-Veranstalter trotz
Sommerhitze festhalten. Unter Leichtathlet:innen regt sich Widerstand.
Jüdische Läuferin bei Olympia: Kein Marathon am Schabbat
Beatie Deutsch hätte gern am olympischen Marathon-Lauf teilgenommen, doch
der findet an Schabbat statt. Die orthodoxe Jüdin zog unwillig zurück.
Deutsches Olympiasilber im Gehen: Der Brieffreund
Jonathan Hilbert gewinnt völlig überraschend die Silbermedaille im Gehen
über 50 Kilometer. Er setzt damit eine Traditionslinie fort.
Die Wahrheit: Am Nullpunkt der beringten Hölle
Beeindruckendes Absinkverhalten: Betrachtungen zum olympischen Geschehen
und seinen Vermittlern im Fernsehen.
Dauerduell im Schwimmbecken: Finale der fleißigen Frauen
Die Australierin Ariarne Titmus besiegt über 400 Meter Freistil die
Topfavoritin Katie Ledecky aus den USA. Aber das Duell geht weiter.
Führungskrise bei deutschen Schwimmern: Leistung ohne Leitung
Bei der Olympia-Quali in Berlin überzeugen die deutschen Schwimmer. Im
Verband geht es seit den Vorwürfen um sexualisierte Gewalt drunter und
drüber.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.