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# taz.de -- Führungskrise bei deutschen Schwimmern: Leistung ohne Leitung
> Bei der Olympia-Quali in Berlin überzeugen die deutschen Schwimmer. Im
> Verband geht es seit den Vorwürfen um sexualisierte Gewalt drunter und
> drüber.
Bild: Starker Auftritt: Der 19-jährige Lukas Märtens qualifizierte sich auf d…
Knapp hundert Tage vor den Olympischen Spielen könnte die Lage beim
Deutschen Schwimmverband (DSV) kaum ungeordneter sein. So konnten sich am
Wochenende die Verantwortlichen zumindest beruhigen, dass sich die
Sportler:innen bei der Olympiaqualifikation in Berlin davon nicht groß
aus dem Konzept bringen ließen. Neben den arrivierten Kräften Florian
Wellbrock und Sarah Köhler stieß dort auch Lukas Märtens mit seinen
Leistungen erstmalig in die Weltspitze vor.
Mit seinen Zeiten über 200 Meter, 400 Meter und 1.500 Meter Freistil
qualifizierte sich der erst 19-Jährige gleich über drei Strecken für
Olympia, bei denen er sogar überall gute Chancen auf Finalteilnahmen hat.
Mit Fabian Schwingenschlögl über 100 Meter Brust und David Thomasberger
über 200 Meter Schmetterling konnten neben der Qualifikation sogar noch
zwei neue Deutsche Rekorde gefeiert werden.
Dies waren Ergebnisse, die ein DSV-Direktor Leistungssport am Wochenende
gewiss gern als positive Fingerzeige für die olympischen Planspiele des
Verbands vorgestellt hätte. Diese Führungsposition auf der operativen Ebene
ist allerdings vakant. Thomas Kurschilgen wurde Ende Februar freigestellt,
nachdem Anfang des Monats der Spiegel Vorwürfe sexueller Gewalt gegen den
damaligen Freiwasser-Bundestrainer Stefan Lurz veröffentlicht hatte.
Wegen des „schwebenden Verfahrens“ schweigt sich der DSV noch über die
genauen Gründe für die Ausbootung von Kurschilgen aus. Laut dem Spiegel
soll er aber schon 2019 von den Vorwürfen gegen Lurz, die von mehreren
Schwimmerinnen bezeugt werden, erfahren und sie gemäß der DSV-internen
Vorschriften weitergeleitet haben. Darüber hinaus soll er aber nicht tätig
geworden sein. Lurz selbst dementiert die Vorwürfe gegen ihn weiterhin.
## Bordell als Sponsor
Auf Kurschilgen folgte Ende März interimsweise der einstige
Wasserball-Nationalspieler Dirk Klingenberg. Doch nur einen Tag nach der
Verkündigung wurde diese Meldung widerrufen. Da sich Klingenberg vor der
Masters-WM 2014 öffentlichkeitswirksam von einem Berliner Großbordell
sponsern ließ, sah der DSV von einer Beschäftigung ab. Seitdem ist die
Stelle des Direktor Leistungssports, der normalerweise gemeinsam mit dem
Bundestrainer für die Nominierungen zuständig ist, unbesetzt.
So kurz vor Olympia stößt das nicht überall auf Verständnis. Deshalb
setzten [1][sich laut swimsportnews.de] Präsidenten aus fünf
Landesverbänden (Niedersachsen, Hamburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und
Thüringen), gemeinsam mit mehreren Bundestrainern für die Rehabilitation
Kurschilgens ein. Auch die Kurzbahn-Weltrekordhalterin Sarah Köhler, die zu
den großen Olympiahoffnungen des Schwimmverbands zählt, kritisiert in ihrer
Rolle als Athletensprecherin Kurschilgens Freistellung.
Mit Blick auf das Olympiajahr und der ohnehin schwierigen Coronaphase sei
die Freistellung Kurschilgens „ein denkbar schlechter Zeitpunkt, eine
zentrale Position an der Spitze des Leistungssports im DSV zu verlieren“,
erklärte Köhler gemeinsam mit ihrem Kollegen Tobias Preuß der FAZ am
Wochenende. Dieser erneute Paukenschlag trage „zu keiner Verbesserung bei.“
Mit ihrer Kritik ist die Wahl-Magdeburgerin nicht allein. Auch ihr Trainer
Bernd Berkhahn, [2][seit dem Rücktritt Henning Lambertz’] parallel
Bundestrainer, bedauert, dass Kurschilgens Posten noch immer unbesetzt ist.
„Natürlich wünschte ich mir, dass wir einen starken Direktor Leistungssport
hier hätten“, erzählte Berkhahn auf der Pressekonferenz vor der
Olympiaqualifikation in Berlin.
„Das beeinflusst natürlich auch meine Arbeit – ganz klar, keine Frage“, …
Berkhahn weiter. Das ist auch Köhlers Verlobtem Florian Wellbrock
aufgefallen, der sich unter Berkhahn gerade eigentlich auf eine
Olympiamedaille vorbereitet. „Es ist schade, dass der Verband jetzt so viel
Unruhe schafft“, sagte der Weltmeister letztens der Welt.
Er merke seinem Trainer an, dass er durch die zusätzliche Arbeit nun mehr
an seine Grenze komme als sonst. „Im Großen und Ganzen muss man sich
fragen, ob man das den Sportlern ausgerechnet in einem olympischen Jahr
antun muss“, wird Wellbrock deutlich. Im DSV jedenfalls scheint eine
Rückholaktion Kurschilgens aufgrund des „schwebenden Verfahrens“ keine
Lösung zu sein.
Stattdessen wurde von DSV-Präsident Marco Troll bereits ein neuer Name für
eine Interimslösung genannt: der einstige Olympiasieger Michael Groß. Bernd
Berkhahn bestätigte: „Michael Groß ist bereit uns zu helfen. Er möchte uns
gerne unterstützen.“ Genaue Absprachen zwischen dem DSV-Vorstand und Groß
hätten laut Berkhahn bis vor dem vergangenen Wochenende aber noch nicht
stattgefunden.
Das deutsche Team scheint jedenfalls trotz der großen Unruhe im Verband gut
aufgestellt zu sein für die Olympischen Spiele in Tokio. Alle
Leistungsträger konnten sich qualifizieren. Einige mit so aussichtsreichen
Zeiten, die auch auf Finalteilnahmen oder nach 13 medaillenlosen Jahren
auch wieder auf Edelmetall hoffen lassen.
18 Apr 2021
## LINKS
[1] https://swimsportnews.de/10890-turbulenzen-auf-dem-weg-nach-tokio-sorgt-alb…
[2] /Deutsche-Erfolge-bei-Schwimm-WM/!5612412
## AUTOREN
Jannik Höntsch
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