# taz.de -- Britta Steffen im Porträt: Die uninszenierbare Schwimmerin | |
> Erfolgreiche Schwimmer werden gerne als Superstars verkauft. Mit Britta | |
> Steffen aber will das nicht recht gelingen. Trotz ihrer Rekorde. | |
Bild: Britta im Bus und nicht in Szene. Hier auf dem Pekinger Flughafen. | |
Peking taz Sie sind Profis. Helden. Superstars. Schwimmer werden schon | |
lange nicht mehr als jene merkwürdigen Einzelgänger verkauft, die niemandem | |
so recht erklären können, warum sie ihr Leben in der Schwimmhalle, beim | |
ewig gleichen Ziehen von Bahnen verbringen. Australiens beste Schwimmer | |
etwa finden schnell einen Platz im Walhall ihrer Nation, sie gehören zu den | |
Größten ihres Landes. In den USA sind die Schwimmer dabei, der | |
Leichtathletik den Rang als olympische Topsportart abzulaufen. Die | |
wichtigsten Schwimmveranstaltungen der Welt werden zu großen Showevents. | |
Die schnellsten Schwimmer des Planeten, die anders als Leichtathleten | |
selten gefragt werden, was außer Blut sonst noch durch ihre Adern fließt, | |
wissen längst, dass sie zu Darstellern geworden sind. Von denen erwartet | |
wird, dass sie nach jedem Erfolg eine Herz-Schmerz-Geschichte erzählen. Sie | |
werden als Typen präsentiert. | |
Die deutsche Hymne ist nur selten zu hören, wenn die großen Schwimm-Partys | |
gefeiert werden. Das soll anders werden. Eine gibt es, die kann mithalten | |
mit den Wunderschwimmern, die von Rekord zu Rekord jagen. Britta Steffen | |
soll es richten. Sie soll dafür sorgen, dass Deutschland endlich mitfeiern | |
kann bei den Festspielen in blau. Seit ihrem Weltrekord über 100 Meter | |
Freistil, den sie bei der Schwimm-EM 2006 in Budapest aufgestellt hat, wird | |
sie in Deutschland als zukünftige Olympiasiegerin gehandelt. Schon wurde | |
die Starrolle für sie reserviert. Doch schnell wurde auch klar, dass sich | |
Steffen nicht gerne inszenieren lässt. Die Herzen wollten ihr nicht | |
zufliegen, wie sie bis heute Franziska van Almsick geschenkt werden, die | |
ihr Privatleben immer ganz öffentlich geführt hat und trotzdem schnell | |
schwimmen konnte. Steffen beantwortete ungern Fragen, wirkte in Interviews | |
fahrig und hölzern. | |
Dennoch meinte man es gut mit ihr in Deutschland. Ihre Geschichte war | |
faszinierend genug, auch wenn sie von der Protagonistin selbst nicht allzu | |
gut und gar nicht gern erzählt wurde. Ihren Weg aus der Psychofalle etwa | |
konnten schnell alle nacherzählen, die sich für Schwimmsport interessieren: | |
2004 versagte Steffen als Staffelschwimmerin bei den Olympischen Spielen | |
von Athen. Da war sie 20. Schon 2000 in Sydney war sie als | |
Staffelschwimmerin im deutschen Olymiaaufgebot dabei gewesen. Die Trainer | |
waren begeistert von ihrem Talent, als sie noch ganz jung war. Sie selbst | |
sagte später einmal über sich: "Ich war damals Trainingsweltmeisterin." In | |
der Tat versagten ihr bei großen Ereignissen regelmäßig die Nerven. Nach | |
dem Debakel bei den Spielen von Athen fiel sie in ein tiefes Loch. Sie | |
stellte sich die Sinnfrage, grübelte, ob es richtig sei, ihre Jugend im | |
Chlorbecken zu verbringen. Sechs Jahre lang hatte sie im Training gezeigt, | |
dass sie zu den besten der Welt gehören könnte, sechs Jahre lang wurde sie | |
im Wettkampf nicht schneller. Auch der Wechsel in die Schwimmgruppe von | |
Dieter Warnatzsch, bei dem auch Franziska van Almsick trainierte, hatte | |
daran zunächst nichts ändern können. | |
Sie suchte auf Anraten ihres Trainers schließlich eine Psychologin auf. | |
Friederike Janofske hatte zuvor schon van Almsick aus ihrem tiefen Tal | |
gezogen, nachdem sie bei den Spielen von Sydney wegen ihrer mäßigen | |
Leistungen regelrecht verhöhnt worden war. Janofske fand schnell heraus, | |
warum Steffen nicht siegen konnte. Ihre Analyse: Britta Steffen wollte | |
nicht gewinnen. Sie verordnete ihr: Leben. Steffen schrieb sich als | |
Studentin ein und versuchte aus dem geregelten Leistungssportalltag | |
herauszukommen. Schnell merkte sie, dass sie das nicht kann. Sie begann | |
wieder zu schwimmen, zeigte nun aber Stehvermögen auch bei Turnieren. Sie | |
steigerte sich von Wettkampf zu Wettkampf - bis zum Weltrekord von | |
Budapest. | |
Will sie also jetzt gewinnen? Am Sonntag steht sie im Untergeschoss des | |
Wasserwürfels in Peking hinter einer Absperrung und sagt erst einmal | |
nichts. An die 30 Journalisten stehen auf der anderen Seite des Zaunes und | |
warten darauf, dass Steffen endlich anfängt. Sie schweigt. Gerade ist sie | |
mit der 4x100 Meter-Staffel Fünfte im olympischen Finale geworden. Als | |
Startschwimmerin ist sie 53,38 Sekunden geschwommen. Ihr Europarekord, den | |
sie drei Wochen vor den Spielen bei einem Testwettkampf in Magdeburg | |
aufgestellt hat liegt bei 53,05. So gerne wäre sie an diesem Tag sicher | |
wieder geschwommen. "Ich glaube, dass ich mehr gewollt habe, als ich kann", | |
sagte sie irgendwann. Sie steht da mit rot umrandeten Augen. Und dann | |
schockt sie die deutschen Journalisten: "Ich glaube, da ist über die 100 | |
Meter erst einmal nicht so viel zu erwarten", sagt sie. Örjan Madsen, der | |
Sportdirektor des Deutschen Schwimmverbandes, hatte kurz zuvor noch | |
Steffens Chancen in den schillerndsten Farben ausgemalt. "Alles ist | |
möglich", hatte er gesagt. Kurz darauf steht seine beste Schwimmerin tief | |
drunten im gar nicht prächtigen Keller des Olympiawasserwürfels und redet | |
sich klein. Will sie also gar nicht gewinnen? | |
Wieder einmal ist die Psychologin gefragt. Janofske ist längst ins deutsche | |
Schwimmteam integriert. Zwei Tage hatte sie Zeit. Heute wird es ernst. | |
Steffens Vorlauf über 100 Meter steht an. Ob Steffen bis dahin all die | |
Artikel gelesen haben wird, die über sie in dieser Woche erschienen sind? | |
Ob sie weiß, dass ihre Zeit aus der Staffel schlechter geschrieben wurde | |
als sie war. Sie hat die fünftbeste Zeit aller Teilnehmerinnen am Finale | |
erreicht, so war es zu lesen. Manche vergaßen in die Zeiten der Schnelleren | |
den fliegenden Staffelstart, der bis zu acht Zehntel bringt, einzurechnen. | |
Andere schrieben davon, dass Steffen den Tränen nahe war, nach dem | |
Staffelrennen. Wegen der geröteten Augen? Dabei waren das doch nur die | |
Druckstellen der Schwimmbrille. Ob sie gemerkt hat, dass sie vom | |
potenziellen Star der Spiele schon zur wahrscheinlichen Versagerin | |
heruntergeschrieben wurde? Will sie überhaupt noch starten? | |
Schwimmt Steffen ähnlich schnell wie im Staffelwettbewerb, ist sie für eine | |
Medaille gut. Es wäre ein Riesenerfolg für das deutsche Schwimmteam. | |
Dennoch bliebe es ein Zaungast bei der großen Schwimmparty von Peking. Und | |
wenn Steffen doch gewinnt? Dann kann Deutschland mitfeiern in Chinas | |
blauester Location. Deutschland wäre wieder eine Schwimmnation. Ob dann | |
hierzulande noch jemand fragen wird, ob doch noch etwas anderes als Blut | |
durch die Adern der schnellsten Schwimmer der Welt fließt? | |
12 Aug 2008 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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