# taz.de -- Flüchtlinge in der Türkei: „Wir wollen die Afghanen nicht“ | |
> Täglich erreichen Hunderte Migranten aus Afghanistan die Türkei. Die | |
> Mehrheit der Türken ist gegen eine Aufnahme – auch aus Furcht vor | |
> Islamisierung. | |
Bild: Warten auf den Start ins neue Leben: Ein afghanischer Flüchtling an der … | |
ISTANBUL taz | „Ich will nicht, dass diese Afghanen jetzt alle in die | |
Türkei kommen. Wir haben schon genug islamistische Syrer hier, da brauchen | |
wir nicht auch noch afghanische Mullahs“. Die Frau, die sich furchtbar | |
aufregt, als sich das Gespräch der Situation an der iranisch-türkischen | |
Grenze zuwendet, will nicht namentlich genannt werden. Aber ihre Botschaft | |
ist glasklar: „Keine weiteren Flüchtlinge mehr, schon gar nicht aus dem | |
Taliban-Land.“ | |
Auch der Einwand, dass die Menschen doch gerade vor den islamistischen | |
Taliban fliehen würden, zieht nicht. Sie habe Bilder der Flüchtlinge im | |
Fernsehen gesehen, die an der Grenze von der Gendarmerie aufgegriffen | |
worden sind. „Das sind alles junge Männer, keine städtischen Familien mit | |
einem Koffer in der Hand.“ | |
Derzeit kommen jeden Tag mehrere Hundert afghanische Flüchtlinge über den | |
Iran illegal in die Türkei. Menschenrechtler in Istanbul sprechen sogar von | |
bis zu 1.000 am Tag, doch genau weiß es niemand, denn die meisten | |
Flüchtlinge verschwinden gleich möglichst spurlos. Denn wer erwischt wird, | |
wird zurückgeschickt. Allein in der letzten Woche wurden 1.456 afghanische | |
Flüchtlinge an der Grenze aufgegriffen. Einige kommen in ein Lager in der | |
Nähe von Van, doch die meisten werden umgehend ausgewiesen. | |
Die ganz überwiegende Mehrheit der türkischen Bevölkerung will nicht noch | |
mehr Flüchtlinge, schon gar nicht aus einem so tief islamischen Land wie | |
Afghanistan. Schon jetzt haben [1][nahezu vier Millionen syrische | |
Flüchtlinge] die Balance in vielen Städten entlang der syrisch-türkischen | |
Grenze und in vielen Stadtteilen von Istanbul dramatisch verändert. | |
## Immer wieder Gewalt gegen Flüchtlinge | |
Für säkulare TürkInnen sind schon die Flüchtlinge aus Syrien die „fünfte | |
Kolonne“ von Präsident Recep Tayyip Erdoğan, um die Islamisierung der | |
Türkei voranzutreiben. Die meisten fürchten, dass sich dieser Trend mit den | |
afghanischen Flüchtlingen noch verstärken würde. | |
Seit die Wirtschaftskrise in der Türkei immer schlimmer wird, ist aber auch | |
Erdoğans Wählerschaft deutlich auf Distanz zu den Flüchtlingen gegangen. Es | |
kommt immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen. | |
Bis zu einer halben Million AfghanInnen sollen bereits in der Türkei sein. | |
Sie leben alle illegal im Land. Im Gegensatz zu den syrischen Flüchtlingen | |
bekommen AfghanInnen keinen legalen Aufenthaltsstatus. Präsident Erdoğan | |
lässt derweil die Grenztruppen zum Iran verstärken. An einigen Stellen der | |
iranisch-türkischen Grenze ist auch bereits eine Mauer gebaut worden. Das | |
letzte, was der Präsident jetzt angesichts seiner fallenden | |
Zustimmungswerte gebrauchen kann, sind noch mehr Flüchtlinge aus | |
Afghanistan. | |
Erbost kritisieren gerade oppositionelle Medien den Versuch der EU, die | |
bislang für die syrischen Flüchtlinge geleistete finanzielle Hilfe künftig | |
auch auf afghanische Flüchtlinge auszudehnen. Mit zusätzlichen 3 Milliarden | |
Euro will die EU ihre „schmutzige Flüchtlingspolitik“ gegenüber der Türk… | |
fortsetzen, kommentierte die Cumhuriyet. Eser Karakas, Autor des | |
oppositionellen Nachrichtenportals Arti Gercek schrieb, mit ihrem Versuch, | |
die Türkei in ein Flüchtlingslager vor den Grenzen Europas zu machen, werde | |
das Land „gedemütigt“ wie nie zuvor. | |
Erst vor zwei Tagen hat der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz in | |
einem Interview klargestellt, dass er keine [2][afghanischen Flüchtlinge in | |
Europa] haben will. Die Türkei sei „definitiv der richtige Ort“ für sie, | |
sagte er. | |
26 Jul 2021 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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