# taz.de -- Pfarrerin Gniewoß über Flüchtlingshilfe: „Lasst uns Menschen i… | |
> Ute Gniewoß hat sich zwei Jahre vorfristig in den Ruhestand versetzen | |
> lassen. Damit sie mehr Zeit hat, sich einem Projekt auf Lesbos widmen zu | |
> können. | |
Bild: „Machen Sie Urlaub auf Lesbos!“, sagt Pfarrerin Ute Gniewoß, hier in… | |
taz: Frau Gniewoß, wann waren Sie eigentlich zum ersten Mal auf der | |
Mittelmeerinsel Lesbos? | |
Ute Gnieowß: 2014. Nicht als Urlaubsreise, sondern ich habe zum ersten Mal | |
das Camp von [1][Lesvos Solidarity] besucht. Das ist eine griechische | |
Initiative, die Flüchtlingen Hilfe leistet. Ich habe über meine Kirche von | |
dem Projekt erfahren. Seitdem habe ich jedes Jahr meinen Urlaub genutzt, um | |
dort mitzuhelfen. Ich habe Container sortiert, gespendete Kleidung | |
ausgegeben und Deutsch und Englisch unterrichtet. | |
Das heißt, Sie haben seit 2014 keinen richtigen Urlaub gemacht? Sie sind 64 | |
Jahre alt. Braucht Ihr Körper keine Regenerationszeiten? | |
Ja, ich merke schon, dass ich so lange keine richtige Auszeit hatte. Aber | |
die Gemeinschaft in dem Projekt auf Lesbos und die wunderschöne Natur dort | |
geben mir viel zurück. | |
Im vergangenen Sommer war das Thema der Flüchtlinge aus Lesbos hier in | |
Berlin sehr präsent, als das Lager Moria brannte. Ich selbst habe mehrfach | |
für die Aufnahme von Lesbos-Flüchtlingen nach Berlin demonstriert. Jetzt | |
ist das Thema in Vergessenheit geraten. Zurecht? | |
Die Luft ist ja raus, weil die Bundesregierung nicht dazu zu bewegen war, | |
eine größere Zahl Flüchtlinge von den griechischen Inseln aufzunehmen. Sie | |
verweigerte ja selbst die Aufnahme durch die vielen willigen Kommunen, was | |
skandalös ist. Das Problem regelt sich gerade anders: Griechenland hat in | |
den letzten Monaten viele Asylfälle auf Lesbos positiv entschieden. Die | |
Mehrheit dieser Menschen landet dann obdachlos auf dem griechischen | |
Festland. Aber einige kommen auch, völlig legal, nach Deutschland und | |
beantragen hier erneut Asyl. Im Moment werden sie nicht nach Griechenland | |
zurückgeschoben. | |
Ich meinte etwas anderes: Der Protest richtete sich gegen die miserablen | |
Lebensbedingungen auf Lesbos. Haben die sich verbessert? | |
Nein. Derzeit leben rund 5.000 Menschen in dem Lager Moria 2 unter | |
miserabelsten Bedingungen. Sie müssen in großen Zelten hausen, ohne jede | |
Privatsphäre. Jetzt im Sommer gibt es keinen Schatten und im Winter keinen | |
Schutz vor Kälte und Regen. Die Zelte haben keinen Fußboden. Die sanitären | |
Bedingungen sind furchtbar. Die Menschen erhalten eine Mahlzeit pro Tag. | |
Jede/r vierte BewohnerIn dort ist ein Kind. Es gibt auch zahlreiche | |
Menschen mit Behinderung. Die Flüchtlinge können die Insel nicht verlassen. | |
Sie kommen überhaupt nicht auf die Fähren. Die Perspektivlosigkeit zermürbt | |
sie. | |
Wie werden sie von Hilfsorganisationen wie Lesvos Solidarity erreicht? | |
Die Bewohner dürfen nur drei Stunden pro Woche das Camp verlassen. | |
Offiziell wird das mit den Covid-19-Fällen in Moria 2 begründet. Die | |
Wahrheit ist aber, dass die Regierung die griechische Bevölkerung möglichst | |
wenig mit Flüchtlingen konfrontieren will. Wenn man überhaupt etwas Gutes | |
über Moria 2 sagen kann, dann: Das Lager liegt in der Nähe der | |
Inselhauptstadt. Die kann man zu Fuß erreichen und dort Kontakt zu | |
Hilfsorganisationen aufnehmen. Das soll sich aber ändern. Athen plant ein | |
neues Camp, das zehn Kilometer von der nächsten Ortschaft entfernt liegt. | |
Dort sollen die Flüchtlinge kaserniert werden, ohne Kontakt zur lokalen | |
Bevölkerung. | |
Darf Lesvos Solidarity im Camp selbst arbeiten? | |
Nein. Es gibt NGOs, die das dürfen. Sie dürfen aber nicht mehr öffentlich | |
zu Details ihrer Arbeit sprechen. Wir wissen aber, dass die Geflüchteten | |
selbst eine Schule im Camp gegründet haben, um den Kindern eine Perspektive | |
zu geben. Bis letzten Oktober hat Lesvos Solidarity das kleine, | |
beispielhaft selbstverwaltete Camp Pikpa auf der Insel betrieben. Der UNHCR | |
schickte dorthin besonders verletzliche Geflüchtete. Die Behörden haben | |
Pikpa mit großem Polizeiaufgebot geräumt. Dabei hat das Camp die Behörden | |
keinen Cent gekostet. Es finanzierte sich ausschließlich aus Spenden. Der | |
einzige Grund für die Schließung war, dass der Staat und Europa an den | |
Außengrenzen keine Willkommenskultur zulassen wollen. | |
Was kann Lesvos Solidarity, die Gruppe, die Sie unterstützen, dann | |
eigentlich noch tun? | |
Sie arbeiten mit anerkannten Asylberechtigten. Mit ihnen gemeinsam werden | |
jetzt drei Häuser auf der Insel instand gesetzt, in denen sie wohnen | |
können. Solange die Behörden das noch erlauben. Die Geflüchteten nähen | |
beispielsweise Taschen aus Rettungswesten und Schlauchbooten. Die können | |
ihre LeserInnen übrigens im Internet unter [2][lesvossolidarity.org/e]n | |
kaufen. Der Erlös kommt den Geflüchteten direkt zugute. Lesvos Solidarity | |
bietet außerdem Rechtsberatung, psychosoziale Hilfe und Unterricht an. Sie | |
organisiert politischen Protest und kümmert sich um Zusammenarbeit im | |
lokalen Raum und mit internationalen Organisationen. | |
Frau Gniewoß, Sie sind Pfarrerin und haben sich Ende Juni zwei Jahre | |
vorfristig in den Ruhestand versetzen lassen, um sich ausschließlich dem | |
Lesbos-Projekt widmen zu können … | |
Nicht ausschließlich, aber mehr als bisher. Ich bin ja auch noch mit der | |
Suche nach einer Wohnung beschäftigt. Das ist in Berlin schwierig. Ich | |
musste aus meiner Dienstwohnung ausziehen und wohne jetzt befristet in | |
einem Wohnprojekt. | |
Okay. Das zeigt aber, dass für Sie als Pfarrerin der vorzeitige Ruhestand | |
noch einmal eine größere Zäsur ist als für Menschen in anderen Berufen. | |
Warum haben Sie sich dafür entschieden? | |
Wenn ich mich mit Frauenbiografien beschäftige, dann wird mir bewusst, dass | |
für viele Frauen die Zeit, die wir nicht mit der Betreuung der Kinder oder | |
der Pflege alter Eltern zubringen und in der wir selbst noch nicht | |
gebrechlich sind, oft sehr kurz ist. Ich hatte auch schon mehrere | |
Rückenoperationen. Darum weiß ich: Die Zeit, die mir bleibt, ist endlich. | |
Die will ich auch in dieses wichtige Projekt stecken. | |
Warum ist Ihnen das so wichtig? | |
Ich gehöre einer Generation an, die nach 1968 sehr kritisch nach der Schuld | |
ihrer Eltern während der NS-Zeit gefragt hat. Aber was ist mit meiner | |
Generation? Ich sehe heute das massive Sterben im Mittelmeer und die | |
Ausgrenzung und Entrechtung von Flüchtlingen an den EU-Außengrenzen als | |
eine Schuld meiner Generation an. Wir konnten das bisher nicht verhindern. | |
Da will ich mich an Lösungen beteiligen. Dazu ein paar ganz aktuelle | |
Beispiele: Für eine Vielzahl der Moria-Flüchtlinge findet eine individuelle | |
Prüfung ihrer Asylanträge gar nicht mehr statt. Die Türkei gilt aus | |
sicherer Drittstaat, darum werden sie dorthin abgeschoben. Oder wenn das | |
nicht möglich ist, bleiben sie ohne jede Perspektive im Camp Moria 2. Mir | |
liegen auch Berichte vor, dass Flüchtlinge auf dem Meer vom griechischen | |
Grenzschutz mit bewaffneter Gewalt auf sogenannte Rettungsinseln gezwungen | |
werden. Diese „Rettungsinseln“ werden dann in türkische Gewässer gezogen. | |
Dort werden die Menschen sich selbst überlassen. | |
Was wollen Sie als Ruheständlerin für das Lesbos-Projekt tun? | |
Ich möchte Kirchengemeinden und interessierte Gruppen in Berlin und | |
Brandenburg besuchen, für das Projekt werben und Spenden sammeln. Ich habe | |
eine Powerpoint-Präsentation vorbereitet und freue mich, wenn ich | |
eingeladen werde. Letztes Jahr konnte ich 50.000 Euro weiterreichen, die | |
über meine Kirchengemeinde Heilig-Kreuz-Passion in Kreuzberg kamen. Wenn | |
wir eine Wohnung gefunden haben, fahre ich auch wieder nach Lesbos. | |
Sie engagieren sich seit Jahren für Flüchtlinge. Als langjährige Pfarrerin | |
im Brandenburgischen Velten haben Sie bosnische Flüchtlinge ins Kirchenasyl | |
aufgenommen. Letztes Jahr haben Sie in der Heilig-Kreuz-Kirche eine | |
lesbische Frau aus Uganda im Kirchenasyl unterstützt. Was motiviert Sie? | |
Mein Glaube und meine Sehnsucht nach Gerechtigkeit. Im Matthäusevangelium | |
sagt Jesus: „Was ihr für einen meiner geringsten Schwestern und Brüder | |
getan habt, das habt ihr mir getan.“ Eine christliche Gemeinde hat die | |
Aufgabe, sich für Menschlichkeit und Würde für alle einzusetzen. Menschen, | |
die ins Kirchenasyl kommen, haben oft ein jahrelanges Leben als Flüchtling | |
hinter sich. Sie haben meist Gewalt erlebt und wären bei Abschiebung von | |
Gewalt oder Tod bedroht. | |
Sind Sie eine politische Pfarrerin? | |
(überlegt) Ja, auch. Das Evangelium hat ja auch politische Implikationen. | |
Wenn ich an Europas Außengrenzen denke: Ich habe oft erlebt, wie | |
Flüchtlinge mit dem Boot in Griechenland ankommen. Sie gehen auf die Knie. | |
Sie danken Gott. Sie filmen die Insel. Sie überbringen ihren Liebsten am | |
Handy die Nachricht, dass sie in Europa sind. Aber dann kommt der | |
griechische Grenzschutz und bringt sie nach Moria. Ein Schock. | |
Warum sind Sie Pfarrerin geworden? | |
Ich habe mich zuerst woanders ausprobiert, habe ein Kunststudium begonnen. | |
Im zweiten Anlauf habe ich mich für Theologie entschieden. Ich stamme aus | |
einem autoritären Elternhaus. Meine Eltern hatten nichts mit der Kirche zu | |
tun. Aber Kirche und Gott boten für mich schon als Jugendliche Räume der | |
Befreiung. | |
Immer weniger Menschen gehen in Gottesdienste. Auf der anderen Seite ist | |
Kirche in der Gesellschaft gefragt als Ort für soziale Arbeit, als Stimme | |
für Randgruppen. Verschiebt sich da gerade etwas im Beruf einer Pfarrerin? | |
Nein. Es gibt auch jetzt die Sehnsucht nach tragenden Wahrheiten und | |
vielleicht stärker als früher nach der Glaubwürdigkeit kirchlichen | |
Handelns. Aber es ist richtig, dass es einen Relevanzverlust gibt, der sich | |
in Kirchenaustritten niederschlägt. Da müssen wir fantasievoller und weiter | |
werden. Aber unser Auftrag, die Welt im Namen Gottes gerechter und schöner | |
werden zu lassen, ändert sich dadurch nicht. Für mich ist es ein Trost, | |
dass ich in der Bibel Wahrheiten finde, die bleiben. Aber gerade in Berlin | |
muss sich auch etwas ändern in der Kirche. | |
Was denn? | |
Wir müssen internationaler werden, mehrsprachiger, selbstkritischer. | |
Zugewanderte ChristInnen treffen sich zum Gottesdienst oft getrennt nach | |
Sprachgruppen. Hier muss mehr zusammengehen. Auch für uns Weiße wäre das | |
eine Bereicherung. In allen Entscheidungsgremien der Kirche müssen mehr die | |
Menschen vertreten sein, die das Evangelium als Entrechtete besonders im | |
Blick hat: von Armut Betroffene, Obdachlose, Geflüchtete. | |
Der Bedarf nach Kirchenasyl ist riesig. Aber in Berlin sind es nur wenige | |
Gemeinden, die Kirchenasyl anbieten. Was sind die Hindernisse? | |
Mit einem Kirchenasyl übernimmt eine Gemeinde eine große Verantwortung für | |
die Schützlinge. Das kann schon aufgrund der Größe nicht jede Gemeinde | |
leisten. Andere Gemeinden wollen das nicht leisten, weil ihnen das zu | |
politisch ist. | |
Was alles muss eine Gemeinde für die Gäste im Kirchenasyl tun? | |
Sie kommt für die Unterbringung und die Versorgung auf. Auch für die | |
medizinische und rechtliche Versorgung. Denn für Menschen im Kirchenasyl | |
zahlt der Staat nichts, auch keine Krankenversicherung. Manchmal übernehmen | |
konfessionelle Krankenhäuser und engagierte Ärztinnen und Ärzte kostenlos | |
die Behandlungen. Genauso wichtig ist es aber, für die menschliche | |
Begleitung der oft traumatisierten Gäste zu sorgen, und das über einen | |
langen Zeitraum. Man sollte sie in Aktivitäten einbinden, ihren Tagen | |
Struktur geben. Unser letztes Kirchenasyl dauerte zwei Jahre. Wir haben | |
für die lesbische Frau aus Uganda einen Deutschkurs organisiert und | |
bezahlt. Sie hat über ein Projekt gemeinsam mit anderen Frauen | |
Fahrradfahren gelernt. Sie hat in unserer Ausgabe von Laib und Seele | |
mitgeholfen und unsere Gottesdienste besucht. Sie hatte Kontakt zu anderen | |
lesbischen Frauen. Insgesamt haben wir als Kirchengemeinde damit für einen | |
Alltag gesorgt, in dem sie auch andere Menschen trifft und etwas Sinnvolles | |
für ihr Leben tut. Das war für ihre Seele und gegen die ständige Angst | |
enorm wichtig. | |
War dieses Kirchenasyl erfolgreich? | |
Ja. | |
Nach der Wende sind Sie als Pfarrerin nach Velten in Brandenburg gegangen. | |
Sie sind Westlerin. Wie kam es dazu? | |
Ich stamme aus Leverkusen und bin während meines Studiums nach Berlin | |
gekommen. Meine Kirche, die Rheinische Landeskirche, war damals die | |
reichste Kirche Europas. Das hat mich nicht gereizt. Mich reizen Brüche. | |
Darum habe ich mich zusammen mit einem Westkollegen für Gemeinden in | |
Brandenburg beworben. Die Gemeinden hatte die Wahl, entweder uns zu nehmen | |
oder die Pfarrstellen unbesetzt zu lassen. Wir waren zunächst im | |
befristeten sogenannten Entsendungsdienst. Daraus wurden 24 Jahre. | |
Das war 1992. Das Ost-West-Thema war präsenter als heute. Gab es da keine | |
Konflikte? | |
Das Ost-West-Thema hat mich die gesamte Zeit in Velten begleitet. Als | |
westsozialisierte Pfarrerin wurde ich kritisch beäugt: Taugt die nichts, | |
weil sie in den Osten geht? Oder kommt sie nur wegen der Buschzulage? (In | |
den 1990er Jahren erhielten Beamte und Banker aus dem Westen, die in die | |
neuen Bundesländer gingen, eine Gehaltszulage, die wurde im Osten | |
verächtlich „Buschzulage“ genannt; in der Kirche gab es das nicht – Anm.… | |
Red.) Aber ich konnte überzeugen. Und auch umgekehrt: Ich empfinde die | |
Kirche in der Ex-DDR oft als glaubwürdiger als die im Westen. Die | |
Hierarchien sind flacher. | |
Und als Sie in Velten ein Kirchenasyl für bosnische Bürgerkriegsflüchtlinge | |
einrichteten, war das akzeptiert? | |
Ich habe meiner Gemeinde nicht gesagt: Ich möchte jetzt eine | |
christlich-muslimische Wohngemeinschaft im Pfarrhaus gründen, was es | |
faktisch ja war. Das wäre wohl wahrscheinlich noch nicht akzeptiert worden. | |
Ich war damals alleinerziehende Mutter, und die Bosnier haben sogar meinen | |
Sohn abends ins Bett gebracht, wenn ich Termine hatte. Ich habe meiner | |
Gemeinde gesagt: Lasst uns Menschen in Not helfen. Das haben wir gemeinsam | |
entschieden und getragen. | |
Dann sind Sie dennoch zurück nach Berlin gegangen? | |
Ich habe mich ganz gezielt in der Kreuzberger Heilig-Kreuz-Passion-Gemeinde | |
beworben. Ich habe immer mit dieser Gemeinde geliebäugelt: Wenn ich einmal | |
wechsle, dann wollte ich dorthin. Mit der Gemeinde habe ich in | |
Kirchenasylfällen zusammengearbeitet. Hier fühle ich mich zu Hause. | |
Kommen wir zurück zu Ihrem Lesbos-Projekt: Wie können taz-Leser das | |
unterstützen? | |
Sie können den Geflüchteten ganz direkt helfen, indem sie die von ihnen | |
produzierten Taschen kaufen. Sie können Geld an das Projekt oder über | |
unsere Kirchengemeinde spenden. Das fließt in den Ausbau von Häusern durch | |
und für die anerkannten Geflüchteten, in die psychosoziale Betreuung, in | |
Computer- und Sprachkurse. Und es gibt eine ganz andere, sehr wichtige | |
Hilfsform: Machen Sie Urlaub auf Lesbos! Viele Menschen halten es für | |
moralisch nicht vertretbar, in der Nähe des Elends Urlaub zu machen. | |
Dadurch ist der Tourismus auf der Insel um 80 Prozent eingebrochen. Das | |
verschärfte die Konflikte vieler InselbewohnerInnen mit Geflüchteten. Das | |
war aber auf Lesbos nicht immer so. Viele InsulanerInnen selbst oder ihre | |
Vorfahren haben eine Fluchterfahrung. Es gab zu Beginn große Anteilnahme. | |
Eine der Gründerinnen der griechischen Initiative sagte einmal: 2015 waren | |
wir eine Insel der Solidarität. Jetzt sind wir eine Werkstatt für | |
Faschismus. Lesbos ist aber eine große Insel, auf der man wunderbar Urlaub | |
machen kann. Damit unterstützt man die lokale Bevölkerung. | |
Frau Gniewoß, wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten und noch einmal jung | |
wären: Würden Sie wieder Pfarrerin werden? | |
Ja! Das ist ein wunderbarer Beruf. Man begegnet so unterschiedlichen | |
Menschen. Man hat Gestaltungsmöglichkeiten, lebt als Teil einer | |
Hoffnungsgemeinschaft. Die Beschäftigung mit der Bibel empfand ich immer | |
als fordernd und heilsam. Ich habe meinen Beruf aber nie als einen | |
Soundsovielstundenjob empfunden, sondern als Ruf. Der ist immer da. Das | |
führt dann zu Konflikten mit dem Privatleben: Meinen Sohn und immer mal | |
einen Liebespartner gab es ja auch. | |
25 Jul 2021 | |
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