# taz.de -- Journalistin über rechte Gewalt: „Rechte Vorfälle vor der Haust… | |
> „Tatort Rechts“ sammelt Fälle von Rassismus auf einer Karte. Mitgründer… | |
> Anna Neifer über weiße Flecken und die Menschen hinter den Zahlen. | |
Bild: Interaktive Karte der Initiative „Tatort Rechts“ | |
taz: Frau Neifer, im Februar ist das [1][Recherche-Tool „Tatort Rechts“] | |
online gegangen, das Sie gemeinsam mit Ihrem Projektpartner Johannes Filter | |
entwickelt haben. Was kann das Tool? | |
Anna Neifer: Tatort Rechts ist eine interaktive Karte, die mehr als 16.000 | |
Fälle darstellt, die einen [2][rassistischen, rechten oder antisemitischen | |
Bezug] haben. Neu daran ist, dass die von uns verwendeten Daten zum ersten | |
Mal gebündelt auf einer Karte verfügbar sind. Vorher waren sie auf den | |
einzelnen Webseiten verstreut, und dort in einem Format, in dem sie nicht | |
wirklich gut nutzbar waren. Es war also nicht oder nur sehr begrenzt | |
möglich, die Daten zu filtern. | |
Das haben wir geändert. Neben einer interaktiven Karte haben wir eine | |
Schlagwortsuche und andere Filter integriert. Dadurch ist es möglich, | |
systematische Suchen in diesen Daten vorzunehmen. | |
Woher kommen die Daten und welche Fälle werden in der Karte aufgeführt? | |
Die Daten stammen derzeit von 13 unterschiedlichen Projekt-Webseiten. Das | |
sind überwiegend Organisationen, die Opfer von rechter, rassistischer oder | |
antisemitischer Gewalt beraten. Einen Teil dieser Vorfälle listen sie in | |
sogenannten Chroniken auf ihren Internetseiten auf. | |
Da können ganz unterschiedliche Fälle dabei sein: Schmierereien oder | |
Beschädigung von Plakaten, in die Luft gejagte Autos, Bedrohung von | |
Menschen bis hin zu den rassistischen Morden von Hanau. Wir sprechen daher | |
von „Fällen“, um das breite Spektrum, das dahintersteckt, abzudecken. | |
Was ist die Idee hinter dem Projekt? | |
Tatsächlich hatten wir am Anfang eigentlich eine Datenanalyse vor: Wir | |
wollten diese Daten auswerten und anhand dieser Analyse Geschichten | |
erzählen. Dabei haben wir aber festgestellt, dass die Daten sehr heterogen | |
sind. Wir haben unseren Schwerpunkt dann darauf gerichtet, was den | |
User*innen eigentlich einen richtigen Mehrwert bringen würde. | |
Und diesen Mehrwert sehen wir darin, dass man sich die Umgebung, in der man | |
wohnt, durch eine andere Brille anschauen kann. Denn das Problem bei diesen | |
ganzen Fällen ist ja: Sie sind zwar passiert, aber wenn man durch eine | |
Straße läuft, kann man diese Fälle nicht mehr sehen. Und so gibt es jetzt | |
die Möglichkeit, dass alle User*innen sich mit einem super einfachen Tool | |
einen Überblick verschaffen können. | |
Das heißt, es geht vor allem auch um die regionale Perspektive? | |
Ja, wir haben festgestellt, dass das die Leute interessiert: Was passiert | |
bei mir in meiner Umgebung, in meinem Stadtteil, in meinem Bundesland? Da | |
haben wir eine Lücke gefüllt, insbesondere auch für Menschen, die sich | |
bisher noch nicht so viel mit rechter, antisemitischer oder rassistischer | |
Gewalt beschäftigt haben. Für sie ist der Zugang zu dem Thema jetzt | |
leichter, unmittelbarer. | |
In den Rückmeldungen der Nutzer*innen haben wir auch gehört, dass es für | |
sie augenöffnend war, ihre Umgebung auf diese Weise wahrzunehmen und zu | |
sehen, welche rechten Vorfälle es auch vor ihrer Haustür gegeben hat. | |
Wenn man sich die Karte anschaut, fällt auf, dass bestimmte Regionen, etwa | |
Teile Niedersachsens oder auch in Bayern, komplett leer sind. Woran liegt | |
das? | |
Das sind diese weißen Flecken. Das hängt damit zusammen, dass wir ja nur | |
öffentliche Daten verwenden. Es kann also sein, dass es in diesen Regionen | |
zwar Daten gibt, aber dass diese Daten auf den Seiten der Beratungsstellen | |
nicht veröffentlicht sind. | |
Auch Nutzer*innen können dabei helfen, diese Leerstellen zu füllen. Wie | |
funktioniert das? | |
Wir testen das gerade, ob Leute das in Anspruch nehmen und uns Fälle | |
zuschicken, um beispielsweise die weißen Flecken auf der Karte zu füllen. | |
Für uns ist aber wichtig, dass diese Fälle schon öffentlich bekannt sind, | |
weil wir auch keine Konkurrenzsituation mit den Beratungsstellen schaffen | |
möchten. | |
Und natürlich geben wir auch den Hinweis: Falls man wirklich Betroffener | |
von rechter, rassistischer oder antisemitischer Gewalt ist, sollte man sich | |
auf jeden Fall Hilfe [3][bei einer der Opferberatungsstellen] suchen. | |
Und wie sind die Rückmeldungen von den Nutzer*innen bisher? Haben Sie | |
schon Fälle zugeschickt bekommen? | |
Es haben sich auf jeden Fall schon Leute bei uns gemeldet, um uns Fälle zu | |
melden, wir müssen das in Ruhe prüfen. Sehr bewegend war, als sich eine | |
Person gemeldet hat und meinte, sie habe ihren Fall auf der Karte entdeckt. | |
Das ist auch das Wichtigste, das darf man nicht vergessen: Hinter all | |
diesen Fällen stehen Menschen. Menschen, deren Leben beeinträchtigt worden | |
ist, die womöglich bis heute mit den Folgen eines körperlichen Angriffs | |
kämpfen. Und eben auch Menschen, deren Leben gewaltsam beendet worden ist. | |
5 Jul 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://tatortrechts.de/ | |
[2] /Schwerpunkt-Rechter-Terror/!t5007732 | |
[3] https://verband-brg.de/beratung/ | |
## AUTOREN | |
Alena Weil | |
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