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# taz.de -- Japan ist Vorbild beim Bahnverkehr: Pünktlich, schnell, effizient
> In Japan basieren Arbeitsleben und Wirtschaft auf einer perfekt
> funktionierenden Bahn. Der Superschnellzug „Shinkansen“ könnte
> effizienter nicht sein.
Bild: Ein Shinkansen-Hochgeschwindigkeitszug erreicht den Bahnhof von Sendai, J…
Tokio taz | Seit seiner Inbetriebnahme zu den Olympischen Spielen 1964
gehört [1][der Superschnellzug „Shinkansen“] zu Japan wie Kirschblüten und
Sushi. Wenn die windschnittigen Züge mit ihren langen Schnauzen wie
metallene Schlangen in den Bahnhof gleiten, schlägt das Herz jedes
Reisenden bis heute fasziniert höher.
Die Entwicklung dieser Superschnellzüge zählte zu den kühnsten Vorhaben der
japanischen Nachkriegszeit und beruhte auf harter ökonomischer Logik: In
einem Land, in dem der größte Teil der Bevölkerung in einem schmalen
Korridor am Pazifik lebt, leisten Eisenbahnen als Transportmittel weit mehr
als Autos und Flugzeuge.
Daher errichtete der Staat ein separates Netz für die
Hochgeschwindigkeitszüge mit oft neuen Bahnhöfen und schuf damit die
Lebensadern für die heute drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Auf den
„neuen Hauptstrecken“, so die wörtliche Bedeutung von „Shinkansen“, k�…
die Züge immer wieder bis auf Tempo 320 beschleunigen, ohne auf langsamere
Personen- und Güterzüge Rücksicht zu nehmen. Zugleich investierte Japan
massiv in das übrige Streckennetz für S-Bahnen und normale Fernzüge.
Das Kalkül der Planer ging auf: In Japan findet heute 30 Prozent des
Individualverkehrs auf Schienen statt. Weit abgeschlagen folgt die
Eisenbahnnation Schweiz mit 17,5 Prozent. [2][Deutschland steht mit 9
Prozent Bahnanteil auf dem neunten Rang.] Die fünf Bahnhöfe mit den
weltweit meisten Passagieren befinden sich alle in Japan. Der einzelne
Japaner fährt im Durchschnitt mehr als 70 Mal im Jahr mit dem Zug.
## So pünktlich, dass man die Uhr nach der Bahn stellen kann
Die starke Nutzung beruht auf der hohen Zahl von Pendlern in den
Metropolen, wo die Bahn schneller als Auto und Fahrrad ist. Zudem fördern
die Unternehmen die Nutzung der Bahn, weil sie die Monatskarte für die
Fahrten zum Arbeitsplatz bezahlen, nicht aber das Pendeln mit dem Auto.
Bei dieser Abhängigkeit ist hohe Pünktlichkeit Pflicht. Stillschweigend
setzen Japaner voraus, dass die Züge den Fahrplan exakt einhalten, und
planen ihre Fahrten auf die Minute genau. Mit Hilfe von Smartphone-Apps
legen sie fest, wie schnell sie umsteigen wollen. Dann wählt die Software
passende Verbindungen aus. Die Apps schlagen sogar einen Waggon vor, von
dem man beim Umsteigen den kürzesten Weg zum Anschlusszug hat.
Tatsächlich fahren die Züge der sieben börsennotierten
Regionalgesellschaften der Japan Railways (JR) so pünktlich, dass man die
Uhr nach ihnen stellen kann – trotz großem Druck: Auf einem vier Mal
kleineren Netz als die Deutsche Bahn befördert zum Beispiel JR East
jährlich mehr als drei Mal so viele Passagiere über eine fast doppelt so
große Entfernung. Dennoch verspäten sich ihre Züge im Schnitt nur um 66
Sekunden.
Ein Symbol für den Eifer fällt jedem Japanbesucher auf: Beim Ein- und
Abfahren der Züge strecken JR-Mitarbeiter auf dem Bahnsteig und am Zugende
einen weiß behandschuhten Arm aus, zeigen in die Fahrtrichtung und blicken
prüfend nach vorn. „Die körperliche Geste zwingt zur Konzentration, was
flüchtige Fehler vermeidet“, berichtet ein JR-Ausbilder. Aus der gleichen
Überlegung heraus fahren Auszubildende unter Aufsicht eines älteren
Kollegen ihre künftige Strecke immer wieder ab. „Dadurch lernen sie jeden
Meter in- und auswendig kennen“, erklärt der Ausbilder. Nach sechs Monaten
hat der Lokführer jeden Beschleunigungs- und Bremsvorgang verinnerlicht, so
dass er keinen Streckenplan mehr braucht.
## Strecken monatelang für Reparaturen stilllegen? Undenkbar!
Die gleiche Sorgfalt lässt JR East bei den Gleisen walten. Zwischen 1 Uhr
nachts und 4 Uhr 30 morgens ruht der Verkehr. Dann rollen lange Bauzüge auf
die Trassen und reparieren Schienen und Weichen. Tagsüber ermitteln
Sensoren in regulären Zügen die Schwachstellen der Gleise.
Sanierungsbedürftige Abschnitte werden dann nachts neu gebaut, auch wenn es
jeweils nur wenige Meter sind.
In Japan wäre es undenkbar, Strecken für Monate stillzulegen, wie es etwa
die Deutsche Bahn macht. Eine solche Missachtung ihrer Kunden würden sich
japanische Eisenbahner nicht einmal in ihren schlimmsten Albträumen
vorstellen.
Das Ergebnis dieser Leistungen sind eng getaktete Transporte von großen
Menschenmengen auf Schienen.
Die Kehrseite dieser Verkehrsstrategie sollte man nicht verschweigen: Zu
den Stoßzeiten sind viele Züge total überfüllt. Die meisten Passagiere
müssen stehen und werden dicht aneinander gedrängt. Manche Männer nutzen
diese Enge, um Frauen an den Hintern und den Busen zu greifen. Wegen dieser
Belästigungen haben viele Bahnbetreiber spezielle Waggons eingeführt, die
während der Rush Hour nur Frauen benutzen dürfen.
1 Jul 2021
## LINKS
[1] /Olympia-2021-in-Tokio/!5730174
[2] /OePNV-und-Pandemie/!5728719
## AUTOREN
Martin Fritz
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Deutsche Bahn
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