# taz.de -- Erdrutsch in Japan: Lawine des Verderbens | |
> Eine gewaltige Flut aus Wasser und Schlamm reißt in Japan Teile der | |
> Küstenstadt Atami mit sich. Der Klimawandel verstärkt derartige Unglücke. | |
Bild: Nach einer Schlammlawine wird in Atami weiter nach Vermissten gesucht | |
TOKIO taz | Über 1.000 Retter suchten am Sonntag in dem Küstenort Atami in | |
der Präfektur Shizuoka mit schwerem Gerät nach 20 vermissten Menschen, | |
nachdem eine mächtige Schlammlawine am Vortag rund 130 Häuser zerstört oder | |
schwer beschädigt hatte. Zwei Menschen kamen ums Leben, als sie von den | |
Erd- und Wassermassen ins Meer geschwemmt wurden. Bislang wurden nach | |
Angaben der Stadtverwaltung 19 Menschen von Hausdächern sowie aus | |
fortgespülten Autos und Gebäudetrümmern gerettet. | |
Der Dauerregen erschwerte die Aufräumarbeiten mit schwerem Gerät. Neben | |
Feuerwehrleuten und Polizisten beteiligten sich 140 Soldaten der | |
Selbstverteidigungsstreitkräfte an den Rettungsmaßnahmen. Drohnen waren im | |
Einsatz, um Verschüttete aus der Luft zu finden. Bürgermeister Sakae Saito | |
erklärte, dass die nächsten 72 Stunden entscheidend seien. Rund 2.800 der | |
20.000 Haushalte blieben ohne Strom. | |
Das Wetteramt erwartete weitere starke Regenfälle und warnte die | |
Bevölkerung angesichts der aufweichten und vollgesogenen Böden vor neuen | |
Schlammlawinen, Überschwemmungen und angeschwollenen Flüssen. Im | |
Katastrophengebiet sollen die Niederschläge bis Montagnachmittag andauern. | |
Sintflutartige Regenfälle in der Küstenstadt rund 100 Kilometer südwestlich | |
der Hauptstadt Tokio, die bei Touristen wegen seiner heißen Thermalbäder | |
beliebt ist, hatten den Erdrutsch ausgelöst. Dabei flossen die | |
Schlammmassen in mehreren Schüben mit einer Geschwindigkeit von bis 40 | |
Kilometer in der Stunde bis zu zwei Kilometer tief in die Stadt hinein und | |
rissen Häuser, Autos und Strommasten mit sich. | |
## Regenmengen wie sonst im gesamten Juli | |
Zuvor hatte Atami die höchste Alarmstufe ausgelöst, knapp 400 Anwohner | |
wurden evakuiert. [1][Die Bahnstrecke für Hochgeschwindigkeitszüge] | |
zwischen Tokio und Osaka, die über Atami führt, war ab Samstagmittag | |
lahmgelegt. Inzwischen verkehren die Shinkansen-Züge wieder regulär. | |
Die starken Niederschläge sind einerseits typisch für Japans mehrwöchige | |
Regenzeit im Juni und Juli. Dabei kommt es häufig zu Erdrutschen und | |
Überschwemmungen, da viele Häuser aufgrund des knappen Baugrundes direkt an | |
oder nahe Berghängen stehen. Andererseits kam es in den vergangenen zehn | |
Jahren in Japan zu rund 1.500 Erdrutschen und damit doppelt so vielen | |
Fällen wie im gleichen Zeitraum zuvor. | |
Die starke Zunahme führen Experten [2][auf den Klimawandel zurück] – eine | |
wärmere Atmosphäre speichert mehr Wasser und führt daher zu ergiebigeren | |
Regenfällen. In Atami wurden binnen 48 Stunden bis Samstag 313 Millimeter | |
Niederschlag gemessen. Laut dem TV-Sender NHK ist dies mehr, als es | |
üblicherweise im gesamten Monat Juli regnet. | |
Allerdings schließt man in Japan auch menschliche Fehler als Ursache nicht | |
aus. Der Gouverneur der Region Shizuoka, Heita Kawakatsu, kündigte eine | |
Untersuchung an, ob die Lawinen durch die Ausweisung von Bauland an | |
Abhängen und andere städtische Entwicklungsvorhaben begünstigt wurden. | |
Durch Abholzungen hätten die Böden weniger Wasser gespeichert, was dem | |
Abgang großer Landmasse Vorschub geleistet hätte. | |
4 Jul 2021 | |
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## AUTOREN | |
Martin Fritz | |
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