# taz.de -- Einwanderungspolitik in Japan: Tokio will Asylrecht verschärfen | |
> Seit Jahren geht Japans konservative Regierung hart gegen Flüchtlinge | |
> vor. Nun will sie Abschiebungen erleichtern. Kritiker sprechen von | |
> „Mobbing“. | |
Bild: Japans Justizministerin Yoko Kamikawa rechtfertigt die geplante Verschär… | |
TOKIO taz | Das japanische Parlament wird möglicherweise schon am Freitag | |
eine Verschärfung des Asylrechts beschließen. Dann kann das Inselland | |
Asylbewerber abschieben, sobald der zweite Asylantrag abgelehnt wurde. So | |
will die Regierung die Zahl der Fälle von Langzeitinhaftierungen | |
verringern, die Anwälte und Menschenrechtler seit Langem als inhuman und | |
widerrechtlich kritisieren. | |
Die Möglichkeit, immer neue Asylanträge zu stellen, verführe zu Missbrauch, | |
rechtfertigte Justizministerin Yoko Kamikawa die Verschärfung. „Damit | |
versuchen viele Ausländer, ihre Deportation zu verzögern und verlängern | |
dadurch den Arrest in einem Abschiebezentrum.“ Japan kennt nur eine | |
administrative Überprüfung einer Asylentscheidung, aber keine Berufung vor | |
einem unabhängigen Gericht, weshalb Asylbewerber die Möglichkeit nutzen, | |
einen neuen Antrag zu stellen. | |
Der Widerstand gegen die geplante Reform ist jedoch groß: Zwei | |
Hilfsorganisationen übergaben dem Justizministerium 150.000 | |
Protestunterschriften. Die Essayistin Keiko Kojima warf der Regierung | |
„pures Mobbing“ vor: „Ich bekomme Angst bei der Einsicht, dass dieses Land | |
die Menschenrechte ignoriert und kein sicherer Ort zum Leben ist.“ | |
Laut Rechtsanwalt Shoichi Ibusuki will die Regierung nur die Macht der | |
Einwanderungsbehörde stärken. Ein UN-Sonderberichterstatter sagte, der | |
Gesetzesentwurf entspreche „in mehrfacher Hinsicht nicht den | |
internationalen Standards für die Menschenrechte von Einwanderern“. | |
## Systematische Zermürbung abgelehnter Asylbewerber | |
Ein Kompromiss sei nur schwer möglich, meint der Völkerrechtler Koki Abe | |
von der Meiji-Gakuin-Universität: „Japan will seine Grenzen schützen, aber | |
die Vereinten Nationen die Menschenrechte.“ | |
Seit Jahren geht die konservative Regierung hart gegen Flüchtlinge vor, um | |
sie abzuschrecken. Nach Meinung konservativer Kreise stört die Zuwanderung | |
von Ausländern Japans angebliche ethnische Homogenität. | |
Zwar werden neuerdings in etwas größerer Zahl Arbeitskräfte aus dem Ausland | |
gezielt angeworben. Aber sie sollen möglichst ohne Familie kommen und nur | |
auf Zeit bleiben. Im letzten Jahr erhielten nur 47 Menschen Asyl. Die | |
[1][Anerkennungsquote] von 1,2 Prozent war 20-mal kleiner als in | |
Deutschland. | |
Flüchtlinge mit mehrfachen Asylanträgen und Ausländer mit abgelaufenen Visa | |
werden systematisch zermürbt, wenn sie die Deportation verweigern. Sie | |
erhalten keine staatlichen Hilfen, dürfen nicht arbeiten und können sich | |
nicht krankenversichern. | |
## Abschiebehaft schlimmer als reguläres Gefängnis | |
Als weiteres Druckmittel dient die zum Teil dauerhafte Inhaftierung in | |
einem von fünf Abschiebezentren. Dort sind aktuell 1.300 Ausländer | |
eingesperrt, mehr als die Hälfte davon länger als sechs Monate, einige | |
sogar über fünf Jahre. | |
Ihre Lebensumstände sind weit schlechter als in einem regulären Gefängnis – | |
kein Freigang, keine Beschäftigungsmöglichkeit, beschränkte Besuche, | |
schlechte medizinische Versorgung, willkürliche Freilassungen und | |
Neuinhaftierungen. | |
Auf diese Weise will Japan Deportationen erzwingen. Die grausamen Zustände | |
haben bereits 18 Menschenleben gefordert. Einige Insassen töteten sich aus | |
Verzweiflung selbst, andere kamen infolge eines Hungerstreiks oder | |
schlechter Behandlung ums Leben. | |
Zuletzt starb Wishma Sandamali aus Sri Lanka am 6. März. Die 33-Jährige | |
hatte ihren Partner wegen häuslicher Gewalt bei der Polizei angezeigt. Weil | |
dabei herauskam, dass ihr Studentenvisum abgelaufen war, landete sie im | |
vergangenen August in Nagoya in Abschiebehaft. Durch den Stress erkrankte | |
Sandamali offenbar an Magenbluten und verlor 20 Kilogramm Gewicht. Selbst | |
als sie Blut spuckte und Arme und Beine nicht mehr bewegen konnte, wollte | |
das Zentrum sie nicht über einen Tropf ernähren. Diese Tatsachen | |
unterschlug die Einwanderungsbehörde im April in einem Bericht an das | |
Parlament. | |
4 May 2021 | |
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## AUTOREN | |
Martin Fritz | |
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