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# taz.de -- Landdisko im Museumsdorf: Der hellste Stern am Disco-Himmel
> Das Museumsdorf Cloppenburg lädt nun in eine originalgetreue
> Landdiskothek. Die stand im Dorf Harpstedt und wurde originalgetreu
> wieder aufgebaut.
Bild: Licht drauf und abhotten: Discokugel
Viel braucht man nicht, um jeden noch so schmucklosen Raum in eine amtliche
Disse mit Nachtfiebergarantie zu verwandeln: Lampe, Kugel, Schnur, CD,
Schere, Klebe und [1][ein paar Handgriffe] – fertig ist die Discokugel
oder, viel schöner: der „[2][Myriaden-Reflektor]“. So nannte dessen
Patentinhaber Louis B. Woeste seine Erfindung – im Jahr 1916. „Sie
verwandelt den Raum in ein glänzendes Märchenland aus blitzenden,
wechselnden und lebendigen Farben – ein Raum mit Millionen farbigen
Funken“, so bewarb man das Ding dann 1922.
Schon vor Woestes Erfindung soll es Vorläufer gegeben haben, in Tempeln
etwa. Bereits 1859 sollen [3][die Brüder Charlie und Logan McGrath] so
einen Lichteffekt in ihrer englischen Bar aufgehängt haben. 1897 soll die
„International Brotherhood of Electrical Workers“ ihren jährlichen Ball
[4][mit einem „mirrored ball“ illuminiert haben]. Und auf einem Foto von
1912 ist in einem [5][Zimmer eine Spiegelkugel zu sehen – zur Entspannung]
von Tuberkulose-Patien:innen.
Ende der 1920er-Jahre hing die Mutter aller Partyeffekte schon in etlichen
europäischen Tanzpalästen, wo man gerade den Jazz entdeckte. In [6][Walther
Ruttmanns 1927er-Doku „Berlin – Die Sinfonie der Großstadt“] sind gleich
zwei verspiegelte Kugeln zu sehen.
Als hellster Stern am Discohimmel aber ging die Kugel natürlich erst in
den 1970ern mit dem kulturindustriellen Hype um die Diskothek auf. Auch das
Kaffee-und-Kuchen-Tanzlokal „Zum Sonnenstein“ im niedersächsischen
Harpstedt – wo einer von drei „Sonnenstein“ genannten Menhiren steht –
bekam Mitte der 1970er-Jahre von den neuen Beitreiber:innen Klaus und
Gunda Sengstake [7][neue Lichteffekte und Schallplatten] spendiert, um
einen zeitgemäßen Treffpunkt für die Jugend im Oldenburger Land zu
schaffen: [8][72 Leuchtstofflampen und insgesamt 50 Effekte hingen an der
Decke, im Zentrum: die Discokugel].
## Zeugnis regionaler Jugendkultur
Das weiß man so genau, weil seit 2018 alles akribisch erfasst und
abgeschraubt wurde. Stein für Stein, Tresen für Tresen und Lichteffekt für
Lichteffekt wurde das vom Abriss bedrohte Gebäude als „Zeugnis regionaler
Jugendkultur“ abgebaut und im 50 Kilometer entfernten Museumsdorf
Cloppenburg möglichst originalgetreu wieder aufgebaut. Dort will man sich
nämlich „künftig verstärkt der Erforschung und der Präsentation regionaler
Kulturgeschichte der 1950er- bis 1980er-Jahre widmen“.
Eigentlich sollte der „Sonnenstein“ schon im September 2020 für einen
Ausflug in „die Zeit der Dauerwellen, Popper und Tennissocken“ eröffnet
werden – wer konnte schließlich damit rechnen, dass ausgerechnet in Discos
mal ein Kontaktverbot bestehen würde. Nun wird die Eröffnung nachgeholt: Am
kommenden Freitag um 16 Uhr, zur besten Nachmittagsdiskozeit, wird die
Landdisko regulärer Teil des Museumsbetriebs, mit Kulturministerbesuch,
ehemaligen DJs und Discofachleuten. Und eine Woche später wird es dann auch
andernorts wie früher: Dann öffnet im anderen Oldenburg, dem in Holstein,
mit dem „Horizon Club“ [9][erstmals testweise wieder eine echte Disco –
ohne Masken und Kontaktverbot].
10 Jul 2021
## LINKS
[1] https://www.kindersache.de/bereiche/spiel-spass/selbermachen/basteln/eine-d…
[2] https://patentimages.storage.googleapis.com/9e/4c/73/00bfc626d3f664/US12148…
[3] https://www.answers.com/Q/Who_invented_the_first_disco_ball
[4] https://issuu.com/sp8cemunky/docs/lady37-44
[5] https://www.wisconsinhistory.org/Records/Image/IM40126
[6] https://studienart.gko.uni-leipzig.de/studienart/blogs/artefakte/uploads/20…
[7] https://museumsdorf.de/besuch/eine-disco-kommt-ins-museum/ueber-das-projekt…
[8] https://museumsdorf.de/besuch/eine-disco-kommt-ins-museum/helmut-wilken-rep…
[9] https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/coronavirus/Corona-Modell…
## AUTOREN
Robert Matthies
## TAGS
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