# taz.de -- Neues Volksbegehren Klimaneutral 2030: Das Fenster schließt sich | |
> Das Volksbegehren „Berlin Klimaneutral 2030“ soll endlich Ernst machen | |
> mit den Zielen des Pariser Abkommens. Es wäre ein radikaler Schritt. | |
Bild: Das wird heiß: Die Zuspitzung der Klimaziele könnte einige zum Schwitze… | |
BERLIN taz | Jetzt wird’s ernst: Mit einem [1][Volksbegehren zur Änderung | |
des Berliner Energiewendegesetzes] will die Initiative Klimaneustart Berlin | |
das Land innerhalb von gerade einmal 9 Jahren klimaneutral machen. Am | |
Donnerstag stellten die AktivistInnen und ihre fünf Vertrauenspersonen die | |
Ziele vor, die den geltenden Klimaschutz-Fahrplan des Senats massiv | |
beschleunigen sollen. | |
Die Zeit dafür ist nach Ansicht von Klimaneustart Berlin reif. „Die | |
Bürger:innen sind offener für neue Visionen und radikale Veränderung, | |
als die Politik es vermutet“, meint Aktivist Stefan Zimmer. Dass sich viele | |
einen deutlichen Wandel wünschen, sei „auch an der hohen Beteiligung an | |
unseren letzten Volksinitiativen“ zu sehen. Die erfolgreichen | |
Unterschriftensammlungen hatten 2019 die [2][Ausrufung der „Klimanotlage“ | |
durch den Senat] und 2020 die Einberufung eines Berliner | |
Klima-Bürger:innenrats angestoßen. | |
Diesmal allerdings geht es nicht mehr nur um Appelle, sondern um handfeste | |
Änderungen am Energiewendegesetz des Landes (EWG). Derzeit sieht dieses | |
noch eine Reduktion der Kohlendioxidemissionen bis 2030 um 60 Prozent und | |
bis 2050 um 85 Prozent in Bezug auf das Basisjahr 1990 vor. Die | |
Gesetzesnovelle würde dies radikal verschärfen und gleichzeitig vom „Ziel“ | |
zur „Verpflichtung“ machen: Bis 2030 wäre dann ein Rückgang um 95 Prozent | |
und bis 2025 bereits um 70 Prozent fällig. | |
„Den Zwischenschritt haben wir analog zum derzeitigen EWG eingeplant, damit | |
nicht neun Jahre lang gar nichts passiert und der Senat dann noch versucht, | |
irgendwie das Ruder herumzureißen“, so Zimmer. Weitere Punkte in der | |
beabsichtigten Gesetzesänderung: Die verbindliche Reduktion soll auch für | |
alle anderen Treibhausgase – wie etwa das besonders schädliche Methan – | |
gelten, und die Emissionen, die durch den Betrieb des BER erzeugt werden, | |
sollen zumindest anteilig in die Bilanz eingehen. | |
## Den Hahn zudrehen | |
Sollten durch die notwendigen Maßnahmen die Warmmieten steigen, muss das | |
Land dies durch Zuschüsse ausgleichen. Außerdem gelte das Prinzip | |
„Reduktion vor Kompensation“, so Zimmer. Gemeint ist, dass Berlin den | |
eigenen CO2-Ausstoß verringern müsse und seine Bilanz nicht durch die | |
Schaffung von Senken – etwa mittels der Finanzierung von Aufforstung | |
andernorts – schönrechnen könne. Stefan Zimmer: „Um das Bild der Badewanne | |
zu benutzen: Wir müssen endlich den Hahn zudrehen.“ | |
Gelingen soll das spätestens mittels eines Volksentscheids, der am Ende des | |
Prozesses stünde. Unterstützt wird die erste Phase der Sammlung von 20.000 | |
Unterschriften für ein Volksbegehren von zwei Dutzend Initiativen und | |
Gruppen – Fridays for Future und Co. sind ebenso dabei wie Extinction | |
Rebellion, die Klimaliste, die Grüne Jugend oder der Verein Changing | |
Cities. Eine Auftaktveranstaltung wird es am Samstag um 13 Uhr in der | |
Hasenheide geben. | |
Dass die verschärften Ziele äußerst ambitioniert sind, weiß man bei | |
Klimaneustart Berlin. Mahnende und ermunternde Statements der | |
Vertrauenspersonen sollten am Montag die Alternativlosigkeit wie die | |
Machbarkeit dieser Ziele unterstreichen. „Das deutsche Kohlendioxidbudget | |
zum Erreichen des Pariser Klimaschutzabkommens wird in weniger als 20 | |
Jahren verbraucht sein“, sagte Volker Quaschning, Professor für | |
Regenerative Energiesysteme an der Berliner HTW. „Das Fenster, um noch das | |
1,5-Grad-Ziel zu erreichen, schließt sich radikal.“ Dass das Berliner | |
Energiewendegesetz auf Klimaneutralität erst ab 2050 abziele, sei auch | |
[3][„verfassungsrechtlich mehr als bedenklich“]. | |
Quaschning schoss scharf gegen die Klimaschutzpolitik des amtierenden | |
Senats: „Nicht mal ansatzweise“ werde die Landesregierung den Anforderungen | |
gerecht – das Energie- und Klimaschutzprogramm BEK etwa sei zuletzt gar | |
nicht mehr angepasst worden. „Ich bin entsetzt“, so der Wissenschaftler. | |
Auch bei der Zielsetzung, Verbrennnungsmotoren bis 2030 von den Berliner | |
Straßen zu verbannen, habe Rot-Rot-Grün „regelrecht versagt“. | |
## Strahlkraft der deutschen Hauptstadt | |
Cornelia Auer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) machte | |
dagegen deutlich, dass die deutsche Hauptstadt in Europa nicht allein mit | |
einer derart konsequenten Klimapolitik dastünde. „Beispielsweise will | |
Kopenhagen bis 2025 klimaneutral sein, Glasgow, Oslo, Bristol, Edinburgh | |
bis 2030.“ Berlin wäre aber die erste deutsche Metropole mit verbindlicher | |
Zielmarke bis 2030 – „und es würde damit seinem Ruf als Trendsetter | |
gerecht.“ Durch die „Strahlkraft auf die Klimapolitik in Europa und | |
weltweit“ könnte „endlich der Stein ins Rollen kommen, der uns vor den | |
katastrophalen Folgen des Klimawandels rettet“, so Auer. | |
Obwohl auch seine Partei von Klimaneustart Berlin kein gutes Zeugnis | |
ausgestellt bekommt, freute sich Georg Kössler, klimapolitischer Sprecher | |
der Grünenfraktion, über den „Rückenwind“. Schließlich wollten die Grü… | |
„ebenfalls die Klimaziele des Landes Berlin anheben und [4][das | |
Energiewendegesetz so schnell wie möglich anschärfen]“. | |
Er hoffe, dass „der Druck von der Straße dazu führt, dass alle sich endlich | |
ihrer Verantwortung bewusst werden“, so Kössler – denn die beschlossene | |
Novelle ist immer noch nicht verabschiedet. Genau genommen ist die von | |
Rot-Rot-Grün geplante „Anschärfung“ der Klimaziele auch noch weit von dem | |
entfernt, was das Volksbegehren nun fordert. | |
1 Jul 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://klimaneustart.berlin/berlin-2030/ | |
[2] /Senat-entscheidet-nach-langem-Ringen/!5773254 | |
[3] /Anwalt-ueber-erfolgreiche-Klimaklagen/!5765073 | |
[4] /Novellierung-des-Energiewendegesetzes/!5746675 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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