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# taz.de -- Protest bei Lieferdienst Gorillas: Wild bestreikt
> Die Gorillas-Riders streiken unorganisiert – das ist selten, sagt die
> Basisgewerkschaft FAU. Solche Proteste seien aber oft von
> Migrant:innen getragen.
Bild: Protest vor einem Lager in Berlin
taz: Herr Duncker, die Gorillas-Riders in Berlin [1][blockieren die
Eingänge der Warenlager], um den Lieferbetrieb lahmzulegen. Keine dieser
Aktionen war von einer Gewerkschaft organisiert. Sind die Streikenden
dennoch rechtlich abgesichert?
Simon Duncker: Nein. Es handelt sich um einen sogenannten wilden Streik,
also um einen, der unabhängig von den Gewerkschaften organisiert wurde.
Nach derzeitiger Rechtslage sind die Streikenden deshalb nicht vor
Kündigungen geschützt. Die Arbeitgeber:innen könnten argumentieren,
dass die Arbeiter:innen ihre Seite des Arbeitsvertrags nicht erfüllen.
Für Nicht-EU-Bürger:innen hängt der Aufenthaltsstatus ja auch von einer
Beschäftigung ab.
Warum, glauben Sie, entscheiden sich die Riders dennoch, ihre Arbeit
niederzulegen?
Wir erleben wilde Streiks insbesondere in Branchen, die von den großen
Gewerkschaften nicht abgedeckt werden. Die stark flexibilisierte
Online-Ökonomie ist ein Paradebeispiel. Da die Riders kaum eine Möglichkeit
haben, legal in Tarifverhandlungen einzutreten, helfen sie sich mit dem
Mittel, das ihnen zur Verfügung steht: dem Verweigern ihrer Arbeitskraft.
Wie häufig kommen wilde Streiks vor?
In Deutschland und Berlin wird diese Form des Arbeitskampfes nur vereinzelt
geführt. Hierzulande sind Streiks durch Gerichte traditionell stark
reglementiert und auch die großen Gewerkschaften haben es sich in ihrer
Rolle als Tarifpartner eingerichtet. Die größte wilde Streikwelle gab es in
den 1970er Jahren in den Industriebetrieben Westdeutschlands. Interessant
ist, dass diese zu überragenden Teilen von Gastarbeiter:innen getragen
wurde.
Warum?
Historisch wurden die Interessen von Gastarbeiter:innen durch die
Gewerkschaften nicht oder deutlich schlechter vertreten, sie waren
Arbeiter:innen zweiter Klasse. Spannend ist, dass auch bei Gorillas
sehr viele migrierte Menschen arbeiten, die sich an den Aktionen
beteiligen. Das mag mit den besonders prekären Arbeitsbedingungen von
migrierten Menschen zusammenhängen. Oder mit einer politischen
Sozialisation außerhalb Deutschlands.
Sie meinen, in Deutschland wird der Arbeitskampf weniger revolutionär
geführt?
In anderen Ländern sind Streiks häufig politischer, ja. Aber wilde Streiks
müssen keineswegs revolutionär sein. Die Gorillas-Arbeiter:innen wollen
aktuell nichts weiter als leichte Verbesserungen in ihrer prekären
Arbeitssituation – sie wollen Reformen. Dennoch wohnt wilden Streiks
zumindest ein revolutionäres Moment inne, weil sich Arbeiter:innen an
der Basis selbst ermächtigen. Sie vertreten sich ohne Repräsentanzen. Ein
wirklich revolutionärer Streik wäre daher vermutlich ein wilder.
Unterstützt die FAU den Streik?
Wir bekunden unsere Solidarität und teilen Informationen. Es handelt sich
aber um einen autonomen Arbeitskampf. Wir leisten nur die Unterstützung,
für die uns Bedarf signalisiert wurde. Jede:r kann das Kollektiv
unterstützen und sich zum Beispiel auf Twitter informieren, was das
Kollektiv gerade benötigt.
16 Jun 2021
## LINKS
[1] /Arbeitskampf-bei-Lieferdienst-Gorillas/!5774459
## AUTOREN
Timm Kühn
## TAGS
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