# taz.de -- Arbeitskampf bei Lieferdienst „Gorillas“: Protest mit Obergoril… | |
> Bei einem neuen Protest der Gorillas-Fahrer taucht am Montag der | |
> Firmengründer auf. Er spricht von „dreams“, die Riders von „rights“. | |
Bild: Obergorilla Kağan Sümer | |
BERLIN taz | „Pay your workers“, schallt es auf einmal aus der Menge der | |
etwa 40 Fahrer*innen des Lebensmittellieferdienstes Gorillas, die am | |
Montagmittag vor dem Sitz des Start-ups protestieren. Gerade hatten sie | |
ihre eilig zuvor gemalten Transparente an dessen Eingangstür in der | |
Schönhauser Allee gehängt, da taucht der Unternehmensgründer und Chef Kağan | |
Sümer in einem schwarzen Gorillas-T-Shirt auf. | |
Nach dem [1][Beginn des Arbeitskampfes] vor zwei Wochen, als | |
Fahrer*innen – im Firmensprech Riders – nach der Entlassung eines | |
Kollegen drei Tage lang in [2][wilde Streiks] getreten waren, hatte Sümer | |
angekündigt, per Fahrrad landesweit 40 Auslieferungsstellen – warehouses – | |
zu besuchen. In diese Strategie der kommunikativen Offenheit passt auch | |
sein Auftritt beim erst am Vortag angekündigten Protest des Gorillas | |
Workers Collective, einer Art Basisgewerkschaft der überwiegend | |
migrantischen Beschäftigten. Er unterstütze deren Protest als einen „Beginn | |
des Dialogs“, so Sümer. | |
Für etwa eine halbe Stunde hören er und weitere Vertreter der Chefetage | |
sich die Beschwerden der Fahrer*innen an. Zentral dabei: Fehler in den | |
Lohnabrechnungen. Eine der Wortführer*innen, Zeynep Karlıdağ, eine | |
türkische Lehrerin, die seit Februar für Gorillas fährt, hatte der taz | |
zuvor berichtet, dass ihr für den vergangenen Monat 200 Euro zu wenig | |
überwiesen wurden. Dies habe System – und Nachzahlungen würden frühestens | |
im Folgemonat geleistet. Sümer gibt sich reumütig, spricht von 300 | |
fehlerhaften bei insgesamt 3.000 Abrechnungen und verspricht, das Geld | |
schnellstmöglich nachzuzahlen. Sein „dream“ sei eine 100-prozentig korrekte | |
Bezahlung – ein „right“ sei dies, entgegnet ihm ein wütender Fahrer. | |
Um die Gemüter zu besänftigten, sagt der 33-jährige Gorillas-Gründer, | |
dessen Unternehmen zwar Verluste einfährt, aber mit mehr als einer | |
Milliarde Euro als sogenanntes Einhorn bewertet wird, er sei ein „rider by | |
heart“ und zeigt dabei auf sein Rad-Tattoo am Unterarm. | |
## Wachstum statt Arbeitesrechte | |
Das Unternehmen setze auf hemmungslosen Wachstum, entgegnet jemand aus der | |
Menge, habe zuletzt etwa 300 Millionen Euro Investorengelder eingesammelt, | |
die Angestellten aber würden vernachlässigt. Statt neue Warehouses zu | |
eröffnen, sollten die Interessen der Arbeiter*innen in den Mittelpunkt | |
gestellt werden. | |
Die Liste der Klagen – und später auf einer Versammlung auf dem Bürgersteig | |
formulierten Forderungen – ist deutlich länger als die Abrechnungsfehler. | |
Laut Karlıdağ hätten die Fahrer*innen keine adäquaten Räder und keine | |
Diensthandys, ihre Rucksäcke würden viel zu schwer, teils bis zu 30 Kilo | |
bepackt, im Winter habe es an warmen Jacken gefehlt. Auch kritisierte sie | |
die sechsmonatige Probezeit und Probleme bei Krankschreibungen und | |
Urlauben. Versprochene Verbesserungen blieben aus; „je größer das | |
Unternehmen, desto größer die Probleme“, so Karlıdağ. | |
Zumindest einen Fortschritt soll es geben: eine App, die das Gewicht der | |
Rucksäcke berechnet, sodass die Rider nur noch maximal 10 Kilo | |
herumschleppen müssen. | |
28 Jun 2021 | |
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## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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