# taz.de -- Neues Investigativformat „exactly“: Der MDR kann auch jung | |
> Mit „exactly“ hat der Mitteldeutsche Rundfunk ein Reportageformat fürs | |
> junge Publikum gestartet. Neu ist daran wenig. Dabei hätte es Potenzial. | |
Bild: In Bitterfeld-Wolfen fragt sich Reporterin Olga Patlan, was mit aussortie… | |
Es gibt ein neues öffentlich-rechtliches Reportageformat für junge | |
Menschen: „exactly“. Alle zwei Wochen berichten Reporter*innen für das | |
investigative Format des MDR über Themen, [1][die Menschen zwischen 25 und | |
35 Jahren interessieren]. Bisher gibt es sechs Folgen, die jeweils zwischen | |
15 und 25 Minuten lang sind, und die sich unter anderem um Themen wie | |
Klimaaktivismus, mentale Gesundheit oder Sexarbeit beschäftigen. Zu sehen | |
sind sie auf dem Youtube-Kanal „MDR Investigativ“ oder in der ARD | |
Mediathek. | |
Wirklich neu ist an „exactly“ zunächst wenig. Es erinnert an andere, seit | |
einiger Zeit etablierte öffentlich-rechtliche Formate wie „follow | |
me.reports“, „Y-Kollektiv“ oder „STRG_F“. Und auch beim Blick in die | |
Reportagen erinnert einiges an die bereits bestehenden Formate: Die Kamera | |
wackelt ein wenig, es gibt viele Schnitte, die Perspektive wird sichtbar | |
gemacht, Reporter*innen sind betont mittendrin. Es ist eines dieser | |
Formate, die man mit Handy in der Hand beim Mittagessen schauen kann und | |
bei denen man immer mitkommt, auch wenn man nicht zuhört. | |
Wie das konkret aussieht, zeigt die bisher meist geklickte Folge über | |
mentale Gesundheit von freiwilligen Feuerwehrleuten. Der Reporter, früher | |
selbst Feuerwehrmann, fährt zu seiner ehemaligen Wehr in Nordbayern und zu | |
seinem ersten Einsatzort. Er besucht einen Schulfreund, der noch bei der | |
Feuerwehr aktiv ist, eine Wehr in Thüringen und spricht in Leipzig mit | |
einem Einsatznachsorgeteam. Das ist interessant und unterhaltsam, aber der | |
Zugang ist eben nicht neu, die Themensetzung auch nicht. Wie Übermedien | |
kürzlich gezeigt hat, wurden alle Themen, die in den ersten Folgen von | |
„exactly“ behandelt werden, so oder so ähnlich bereits bei ähnlichen | |
Formaten aufgegriffen. | |
Und trotzdem ist nicht alles gleich: „exactly“ entsteht aus einer | |
Zusammenarbeit zwischen MDR-Redaktionen in Magdeburg und Leipzig, es ist | |
damit unter den jungen, investigativen, öffentlich-rechtlichen | |
Reportageformaten das erste ostdeutsche. Aber was bedeutet das? Und ist das | |
wichtig? Einen Hinweis gibt die Pressemitteilung des MDR. Dort heißt es, | |
die Protagonist*innen seien mehrheitlich aus Sachsen-Anhalt, Thüringen | |
und Sachsen. Vielsagend ist der Satz der darauf folgt: „Die Themen sind | |
aber deutschlandweit relevant.“ | |
## Historisch gewachsenes Kräfteverhältnis | |
Das ist eine interessante Klarstellung, da die Themen selbstverständlich | |
deutschlandweit relevant sind, egal wie spezifisch sie ostdeutsche | |
Lebensrealitäten abbilden – [2][kein westdeutsches Format muss erklären], | |
inwiefern es auch für überregionale Kontexte relevant ist. Mit dem Satz | |
reagiert der MDR etwas unbeholfen auf ein historisch gewachsenes | |
Kräfteverhältnis, in dem sich das Format unweigerlich bewegt – das es sich | |
bisher aber nicht zunutze macht. | |
„exactly“ präsentiert sich nicht sichtbar als ostdeutsches Format, was | |
politisches Potenzial hätte: weil hier ostdeutsche Perspektiven vorkommen, | |
ohne explizit als solche markiert zu werden, also ohne dass die ewig | |
wiederholte Differenz zwischen Ost und West weiter reproduziert wird. Es | |
drängt sich aber trotzdem die Frage auf, ob die Stärke des Formats nicht | |
sein könnte, das komplexe Verhältnis, in dem es sich selbst befindet, | |
bewusster sichtbar zu machen. Nicht um den Westdeutschen irgendetwas zu | |
erklären, sondern etwa um die eigenen Bedingungen zu problematisieren. | |
Ein erster Anfang könnte es sein zu thematisieren, welche Rolle dieses | |
Verhältnis bei der Themensuche spielt – die Geschichte hinter der | |
Geschichte sozusagen. Das wäre ein Zugang, der das Format abheben könnte. | |
Aber dieser Vorschlag stammt, mal wieder, aus westdeutscher Perspektive. So | |
wie die Sendung jetzt konzipiert ist, bleibt sie aber ein Reportageformat | |
unter vielen. | |
9 Jun 2021 | |
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## AUTOREN | |
Simon Sales Prado | |
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