# taz.de -- MDR-Prozess in Leipzig: Schlecht erhalten | |
> Der frühere MDR-Unterhaltungschef Udo Foht ist ziemlich am Ende – und | |
> geständig. Seine Finanzakrobatik schlägt Wellen bis heute. | |
Bild: Der frühere MDR-Unterhaltungschef Foht verlässt nach dem ersten Prozess… | |
Der vergangene Freitag war am Landgericht Leipzig der Tag des erwarteten | |
Geständnisses von Udo Foht, [1][bis 2011 Unterhaltungschef des | |
Mitteldeutschen Rundfunks.] Ein Geständnis, mit dem er die Dauer des | |
Betrugsprozesses verkürzen und am Ende mit einer Bewährungsstrafe | |
davonkommen könnte. Vernehmbar war aber auch sein Versuch, mit sich selbst | |
ins Reine zu kommen. | |
Verlesen musste die Einlassung sein Verteidiger Lawrence Desnizza. Der | |
71-jährige Foht sah sich weder mental noch physisch dazu in der Lage. Die | |
langen grauen Haare sind zwar szenetypisch immer noch hinten | |
zusammengebunden. Auf der Anklagebank des größten und prachtvollsten Saales | |
im Landgericht aber saß hinter einer FFP2-Maske ein gebeugter Typ. Beim | |
mühsamen Treppensteigen bot er das Bild eines gebrochenen Mannes. | |
„Ich verstehe mich heute selbst nicht mehr. Ich war von meiner Arbeit | |
besessen und wollte erfolgreich sein“, lässt er seinen Anwalt sagen. Sein | |
Jonglieren mit Vorschusszahlungen räumt Foht ein und entschuldigt sich bei | |
seinen Darlehensgebern, darunter ein 84-jähriger Ex-Fernsehkollege vom | |
Bühnenbild im Zeugenstand, der ihm privat 5.000 Euro lieh und das Geld nie | |
wiedersah. | |
Die Affäre Foht reicht zurück in die 2000er Jahre. Kurz vor der anstehenden | |
Wahl einer Nachfolgerin für den scheidenden MDR-Intendanten Udo Reiter 2011 | |
wurde die Dreiländeranstalt, ja die gesamte ARD ziemlich durchgeschüttelt. | |
Der in Erfurt ansässige Kinderkanal KiKa [2][kämpfte mit Betrügereien]. Im | |
Sender wurde erst nach und nach die „Finanzakrobatik“ des | |
Unterhaltungschefs beim Umgang mit Vertragspartnern ruchbar. Der damalige | |
Dresdner Staatskanzleichef Johannes Beermann (CDU) machte sich Sorgen um | |
den MDR. „Kaum eine Instanz in diesem Sender ist intakt“, sagte er dem | |
Spiegel und zog sich damit den heftigen Unwillen von Intendant Reiter zu. | |
## Ursprünglich 19 Verhandlungstage | |
Sieben Jahre vergingen bis zum ersten anberaumten Strafprozess 2018. Udo | |
Foht entzog sich durch Krankmeldung. Der schließlich am 1. September | |
gestartete Prozess sah ursprünglich 19 Verhandlungstage vor. Mit der nun am | |
zweiten Verhandlungstag praktizierten „Verständigung“ dürfte sich das | |
Verfahren beschleunigen. Im Gegenzug zu Fohts Geständnis ließ die | |
Staatsanwaltschaft die Vorwürfe der Untreue und der Steuerhinterziehung | |
bereits fallen. Am Montag will der Kammervorsitzende Michael Dahms eine | |
verkürzte Zeugenliste vorstellen. | |
Foht bestätigt, dass er von seinen Vertragspartnern in der | |
Unterhaltungsbranche bis zu fünfstellige Darlehen erbat. Zu diesen zählte | |
unter anderem Michael Jürgens, Manager des Schlagersängers Florian | |
Silbereisen, und der ehemalige Riverboat-Moderator Carsten Weidling. Wegen | |
der Rückzahlungsprobleme verstrickte sich Foht in ein Gewirr neuer | |
Abhängigkeiten. Er habe damit geplante Sendungen vorfinanzieren wollen, | |
versteckt er auch eine Kritik an seinem ehemaligen Arbeitgeber. | |
Der MDR habe sich geweigert, einen „Entwicklungsfonds“ aufzulegen, mit dem | |
Produktionsausgaben für die Shows vorab und nicht erst nach Fertigstellung | |
hätten beglichen werden können. „Ich hoffe, dass dem MDR kein Schaden | |
entstanden ist“, äußert Foht. Der MDR hat angeblich Schadensersatzansprüche | |
bereits durchgesetzt. Von aktuellen Forderungen des Senders ist nichts | |
bekannt. | |
Der Angeklagte beklagt sich aber auch über seine Vorverurteilung in den | |
Medien, die ihn keinen neuen Job habe finden lassen. Nach drei Jahren ging | |
er deshalb in den Vorruhestand. Sein Geständnis folge auch aus der | |
Abschätzung seiner verbleibenden Lebenszeit. Der nächste Verhandlungstag am | |
16. September wird zeigen, inwieweit Udo Foht überhaupt noch mit einer | |
Prozessteilnahme belastbar ist. | |
## Externe Ombudsfrau | |
Erfahrungen wie die Affäre Foht haben den MDR zur Neudefinition der | |
sogenannten Compliance-Regeln veranlasst. Eine zentrale Anlauf- und | |
Koordinationsstelle soll Rechtsverstößen vorbeugen und eine externe | |
Ombudsfrau nimmt Hinweise auf korruptionsverdächtige Vorgänge entgegen. Ein | |
Jahrzehnt lang bewegte sich der MDR so in ruhigerem Fahrwasser. | |
Der anstehende Foht-Prozess löste allerdings den überraschenden | |
[3][Rücktritt der Direktorin des Landesfunkhauses Sachsen-Anhalt Ines | |
Hoge-Lorenz aus.] Eine Spätfolge der damaligen Vorgänge. Ihr Ehemann war | |
Inhaber einer kleinen Produktionsfirma und verantwortete die MDR-Doku-Reihe | |
„Wir sind überall“. Für Verstrickungen in die Foht-Machenschaften | |
akzeptierte er 2015 eine Geldstrafe, ist aber nun nochmals als Zeuge | |
geladen. Das habe sie nicht kommuniziert und lege wegen des „gravierenden | |
Versäumnisses“ ihr Amt nieder, schrieb Hoge-Lorenz. Sachsens Funkhauschef | |
Sandro Viroli leitet vorerst kommissarisch auch das Magdeburger Funkhaus. | |
11 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] /MDR-Affaerenstadl/!5102649 | |
[2] /Revisionsbericht-zum-KiKa-Skandal/!5121282 | |
[3] /Neuer-Aerger-bei-der-ARD/!5877309 | |
## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
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