# taz.de -- Polemik in Benzinpreis-Debatte: Billiges Empörungsspektakel | |
> Das Baerbock-Bashing in der Benzinpreis-Debatte ist unfair. Die gerade | |
> verschärften Klimaziele der Bundesregierung gehen in die gleiche | |
> Richtung. | |
Bild: Wegen vorgeschlagener Benzinpreis-Erhöhung hagelt es Kritik | |
Wer hat’s gesagt? „Perspektivisches Ziel sollte ein einheitlicher, | |
sektorübergreifender CO2-Preis in der EU sein“, steht in einer | |
Stellungnahme von Ende Mai an die EU-Kommission. Es muss wohl | |
Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock gewesen sein – alle anderen | |
Parteien sind doch strikt gegen alles, was Benzin teurer macht. Oder? | |
Der Satz stammt aber von der Bundesregierung. Also von den zwei Parteien, | |
[1][deren Spitzenleute Baerbock seit Tagen attackieren], weil die sich für | |
2023 einen CO2-Aufpreis von 16 Cent pro Liter Benzin wünscht. Oder genauer: | |
Sie will, dass eine Tonne Kohlendioxid dann in Deutschland 60 Euro kostet. | |
Ob man einen CO2-Preis nun gutheißt oder nicht: Dass GroKo-Politiker:innen | |
Baerbock nun in den drastischsten Worten sozialen Ausverkauf vorwerfen, ist | |
blamabel. Die Regierung selbst hat schließlich einen CO2-Preis in | |
Deutschland eingeführt, und zwar – anders als die Grünen es vorschlagen – | |
ohne nennenswerten Sozialausgleich. Die aktuell 25 Euro pro Tonne | |
entsprechen auf den Liter Benzin umgerechnet einem Aufpreis von 7 Cent. | |
Fast die Hälfte von dem, was die Grünen für 2023 fordern, haben Union und | |
SPD also mit dem „Brennstoffemissionshandelsgesetz“ längst zur Realität | |
gemacht. Gesetzlich festgeschrieben ist auch eine schrittweise | |
Preissteigerung. Eine Spanne von 55 bis 65 Euro ist nicht für 2023, sondern | |
kurz darauf für 2026 vorgesehen. | |
Mit ihrer Reform des Klimaschutzgesetzes hat die Bundesregierung jedoch | |
[2][die Verschärfung der bisherigen Klimaziele] beschlossen – damit liegt | |
auch eine schnellere Steigerung des CO2-Preises nahe. Die GroKo-Politik | |
entspricht also praktisch den Grünen-Plänen. | |
Das heißt: Entweder wollen die zankenden SPD- und | |
Unionspolitiker:innen darüber informieren, dass die Bundesregierung | |
ihre Klimastrategie gerade grundlegend nach den Forderungen der Linkspartei | |
geändert hat – und ab jetzt mehr mit strikten Vorgaben und Verboten für die | |
klimaschädlichen Industrien als mit dem CO2-Preis arbeiten will. Oder sie | |
veranstalten einfach ein billiges Empörungsspektakel, um die Grünen zu | |
diffamieren. | |
8 Jun 2021 | |
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## AUTOREN | |
Susanne Schwarz | |
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