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# taz.de -- AfD nach der Wahl in Sachsen-Anhalt: Streit statt Feierstimmung
> Die AfD hadert mit dem Wahlausgang. Während Björn Höcke den völkischen
> Kurs bestätigt sieht, teilt Parteichef Meuthen diese Deutung so gar
> nicht.
Bild: Redeten sich die Wahl schön: AfD-Chef Chrupalla und die Funktionäre aus…
BERLIN taz | Tino Chrupalla gibt sich am Montag auf einer Pressekonferenz
in Berlin zufrieden. Das Ergebnis von Sachsen-Anhalt sei „fantastisch“,
sagt der AfD-Bundesvorsitzende. Die Partei habe sich in dem Bundesland
konsolidiert, sei zweite Volkspartei. Das gebe „gehörigen Rückenwind“ auch
für die Bundestagswahl. „Wir wollen auch im Bund Volkspartei werden.“
Die Zufriedenheit teilen jedoch nicht alle in der Partei. Denn zur Wahrheit
gehört: Die AfD hatte sich bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt mehr
erhofft. [1][Co-Bundeschef Jörg Meuthen und Wahlkämpfer] hatten den
Spitzenplatz noch vor der CDU als Ziel genannt, erstmals bundesweit. Doch
am Ende landete die AfD mit [2][20,8 Prozent] deutlich auf Platz zwei – 17
Prozentpunkte hinter der CDU und auch mit deutlich weniger als die 24,3
Prozent von 2016.
Dazu verlor die Partei fast alle Direktmandate. 2016 hatte sie noch 15
davon gewonnen, nun gab es nur ein einziges. Viele empfanden die Arbeit der
AfD vor Ort offenbar als nicht so berauschend. Das einzige Direktmandat
holte der Installateur Lothar Waehler im Wahlkreis Zeitz – und der
profitierte davon, dass sein CDU-Gegenkandidat Arnd Czapek in Vorwürfe
verwickelt war, unrechtmäßig Flutfördermittel eingesetzt zu haben.
## Anhänger wählen aus Protest, aber auch Überzeugung
22.000 AfD-Wähler:innen wanderten laut infratest dimap zur CDU ab, 5.000
auch zur FDP. Dies könnten frühere „Denkzettelwähler:innen“ sein, die nun
doch nicht wollten, dass die Rechtsextremen den Spitzenplatz im Land holen.
Die meisten AfD-Anhänger:innen erklärten indes weiter, sie hätten die AfD
aus Protest gegen die anderen Parteien gewählt. 20 Prozent der Befragten
attestieren der AfD aber auch Sachkompetenz bei der Asylpolitik, immerhin
15 Prozent bei „ostdeutschen Interessen“ und zehn Prozent bei sozialer
Gerechtigkeit. Letzteres verstärkt die derzeitigen Probleme bei SPD und
Linkspartei.
Damit hält die AfD in Sachsen-Anhalt inzwischen einen stabilen
Wähler:innensockel – trotz oder gerade wegen ihres radikalen Kurses.
Schon zu Jahresbeginn hatte der Verfassungsschutz den Landesverband als
[3][rechtsextremen Verdachtsfall] eingestuft. Im Wahlkampf hatte die Partei
rüde gegen den „Corona-Irrsinn“ agitiert, in ihrem Programm im NPD-Stil
gegen „Wohlstandsmigranten“, eine „linke Vereinsmafia“ oder angebliche
„perverse Frühsexualisierung“ gewettert.
Gerade jüngere Wähler:innen störte das offenbar nicht. So lag die AfD in
allen Altersgruppen bis 44 Jahre an erster Stelle, besonders deutlich bei
den 25- bis 34-Jährigen. Vor allem die Senior:innen hielten dagegen weit
mehrheitlich zur CDU.
Oliver Kirchner, AfD-Spitzenkandidat in Sachsen-Anhalt, erinnerte am Montag
daran, dass seine Partei gezielt die Jugend angesprochen habe – mit
Erstwähleranschreiben und via Facebook. Angesichts des Gegenwinds und dem
Fakt, das viele taktisch Ministerpräsident Haseloff von der CDU gewählt
hätten, sei das Ergebnis daher „wirklich gut“. Nun werde man die Partei in
den nächsten Jahren „ganz entspannt“ weiter aufbauen.
Nicht nur die verlorenen Direktmandate aber schmerzen die AfD. Da sie nun
nicht mehr ein Viertel der Abgeordneten im Landtag stellt, kann sie etwa
allein nicht mehr das Landesverfassungsgericht mit Normenkontrollklagen
anrufen – was die Rechtsaußen zuletzt wiederholt als PR-Instrument nutzten.
## Richtungsstreit bricht wieder auf
In der Bundespartei brach denn auch der seit Monaten währende
Richtungsstreit wieder auf. Parteichef Jörg Meuthen lobte das Wahlergebnis
in Sachsen-Anhalt nur verhalten als „solide“. Angesichts der „desolaten
Verfassung der politischen Konkurrenz“, inklusive der CDU, wäre „mit einem
stärker in die Mitte zielenden, weniger allein auf Protest setzenden
Wahlkampf auch ein noch deutlich stärkeres Ergebnis durchaus möglich
gewesen“.
Chrupalla tat dies prompt als „Einzelmeinung“ eines Parteimitglieds ab –
ein Affront gegen den Co-Bundeschef. Am Montag erklärte er, wer gut 20
Prozent der Stimmen hole, erreiche damit auch die Mitte.
Chrupalla liegt schon länger auf Linie mit dem Thüringer Parteianführer
[4][Björn Höcke], der auf einen völkischen Kurs der AfD drängt und das
Ergebnis in Sachsen-Anhalt ebenfalls als Konsolidierung gegen den „nochmal
gewachsenen Widerstand des polit-medialen Establishments“ zu verkaufen
suchte. Höckes Parole: „Wir müssen mehr Osten im Westen wagen.“ Jörg
Meuthen dagegen war von der AfD in Sachsen-Anhalt gar nicht erst zu
Wahlkampfauftritten eingeladen worden.
Schon zuletzt hatten die Rechtsaußen in der Partei gepunktet: Sie setzten
sich auf Wahllisten durch, ihre Vertreter [5][Chrupalla und Alice Weidel]
führen die AfD in den Bundestagswahlkampf, beim Wahlprogramm sorgte Höcke
für Verschärfungen. Und der Flügel hält Kontakt auch zu Rechtsextremen
außerhalb der Partei. Auf der Magdeburger Wahlparty plauschten AfD-Leute
laut Beobachtern etwa mit Vertretern des „Ein Prozent“-Vereins, der
ebenfalls Verdachtsfall des Verfassungsschutzes ist und den Identitären
nahesteht.
## Zentralrat der Juden warnt
Josef Schuster, Vorsitzender des [6][Zentralrats der Juden], warnte denn
auch, das Ergebnis der AfD dürfe „niemand auf die leichte Schulter nehmen“.
Jeder fünfte Wähler habe weiter für die Rechtsextremen gestimmt, deren
Verbannung aus den Parlamenten müsse das Ziel bleiben.
Und auch das „Unteilbar“-Bündnis in Sachsen-Anhalt sprach von einem
„traurigen Höhepunkt der Normalisierung extrem rechter Politik in der
Bundesrepublik“. Es dürfe keine Zusammenarbeit mit der AfD geben. Der
demokratische Konsens im Landtag bleibe aber „fragil“. Die
Zivilgesellschaft müsse deshalb weiter für Solidarität statt Ausgrenzung
kämpfen.
7 Jun 2021
## LINKS
[1] /AfD-vor-Landtagswahl-Sachsen-Anhalt/!5774257
[2] /AfD-stagniert-in-Sachsen-Anhalt/!5776018
[3] /Verfassungschutz-in-Sachsen-Anhalt/!5746215
[4] /Nach-der-Durchsuchung-bei-Hoecke/!5774052
[5] /AfD-im-Bundestagswahlkampf/!5774170
[6] /Juedische-Community-in-Sachsen-Anhalt/!5775232
## AUTOREN
Konrad Litschko
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