# taz.de -- Berliner Frühgeschichte: Fenster in die Vergangenheit | |
> In Mitte wird Richtfest für das Archäologische Haus gefeiert. Es hat fast | |
> eine so abenteuerliche Geschichte wie jene, die dort bald präsentiert | |
> wird. | |
Bild: Richtfest mit viel Prominenz vor dem Archäologischen Haus am Petriplatz … | |
BERLIN taz | Berlin hat eine mehr als 800 Jahre lange Vergangenheit, doch | |
der Stadt sieht man das kaum an. Öffentliche Zeugnisse aus den ersten | |
Jahrhunderten sind rar. Und manche Häuser haben eine lange Geschichte, die | |
man ihnen aber nicht anmerkt. Am [1][Petriplatz in Mitte], einst die Wiege | |
von Berlins Schwesterstadt Kölln, kommt nun beides zusammen. | |
Seit 15 Jahren graben Archäolog*innen an diesem Ort nach Zeugnissen der | |
Stadtgeschichte. Inzwischen ist die Ecke mit Nutz- und Wohngebäuden aus | |
DDR-Zeiten verziert. Aber mit der Petrikirche stand dort eines der ältesten | |
Gotteshäuser der heutigen Metropole, erst 1964 wurden die letzten Reste | |
abgetragen. Unter der Oberfläche der Brache förderten Forscher*innen | |
Erstaunliches zutage. | |
Etwa Relikte von mehreren Fassungen der Kirche; Mauern einer Lateinschule, | |
die dort bis 1730 stand. Vor allem aber Gebeine von 4.000 Toten, wie | |
Landesarchäologe Matthias Wemhoff berichtet. Die ältesten stammen bereits | |
aus der Mitte des 12. Jahrhunderts, also gut 80 Jahre vor der ersten | |
urkundlichen Erwähnung der Stadt 1237. „Zu jener Zeit muss es hier in dem | |
slawischen Dorf in der Sumpfniederung eine sehr schnelle Entwicklung | |
gegeben haben“, so Wemhoff über die neuen Erkenntnisse. | |
Auch recht schnell entwickelte sich vor 15 Jahren, als die Grabungen | |
begannen, ein neues Verständnis von der Darstellung der Stadtgeschichte. | |
Archäologische Funde, die im einsetzenden Nachwendebauboom auf Baustellen | |
zutage traten, sollten nicht mehr nur ins Museum wandern, sondern sichtbar | |
bleiben vor Ort. Archäologische Fenster nennt sich das Konzept, das | |
Stadtbaudirektorin Regula Lüscher aus ihrem früheren Wirkungsort Zürich | |
2007 nach Berlin mitgebracht hat, wie sie sagt. Ein solches Fenster sollte, | |
das war schnell klar, auch am Petriplatz entstehen. | |
Doch es wurde nach und nach ein ganzes Haus – das Archäologische Haus am | |
Petriplatz. Hier werden künftig nicht nur die erwähnten Mauerreste sogar | |
von außen einsehbar bleiben. Im Haus selbst, getragen unter anderem von der | |
Stiftung Preußischer Kulturbesitz und dem Landesdenkmalamt, soll | |
Berliner*innen die Arbeit der Archäolog*innen nähergebracht werden. | |
Denn: „Das Interesse an der Stadtgeschichte Berlins wächst und wächst“, | |
sagt Kultursenator Klaus Lederer (Linke), der auch für den Denkmalschutz | |
zuständig ist. | |
Am Montag war erst mal Richtfest mit viel Prominenz, die sichtlich froh | |
war, nach vielen Coronamonaten einen Präsenztermin zu haben. Auch die | |
anderen Vorgaben stimmten: Die Baukosten von 32 Millionen Euro sind nicht | |
gestiegen, der Zeitplan wurde eingehalten. Regula Lüscher sprach von einer | |
komplizierten und „spektakulären Architektur“, die die Ausgrabungsstätte | |
ohne Stützen überspanne. Und mit dem Konzept des Archäologischen Hauses sei | |
Berlin Vorbild. Ganz fertig sind beide noch nicht, weder Haus noch Konzept. | |
2023 soll es dann so weit sein. | |
7 Jun 2021 | |
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[1] /Bau-eines-interreligioesen-Gotteshaus/!5771077 | |
## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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