# taz.de -- Impfkoordinator über Impfkampagne: „Viele erreichen wir nicht ge… | |
> Die Impfquoten in Baden-Württemberg klaffen weit auseinander. Das hänge | |
> mit Status, Bildung und Sprache zusammen, sagt Impfkoordinator Christoph | |
> Erdmenger. | |
taz: Herr Erdmenger, die Impfquoten in den baden-württembergischen Stadt- | |
und Landkreisen klaffen weit auseinander. Der Landkreis Emmendingen hat mit | |
30,7 Prozent die beste Impfquote, die Industriestadt Pforzheim mit 11,9 die | |
schlechteste. Wie interpretieren Sie diese überdeutliche Diskrepanz? | |
Christoph Erdmenger: Es liegt jedenfalls nicht an der Leistungsfähigkeit | |
der Impfzentren. Die ist überall ganz ähnlich. Unsere Experten nehmen an, | |
dass dies mit der Sozialstruktur der Landkreise zusammenhängt. | |
Das heißt, dass das [1][Impfengagement in ärmeren Stadt- und Landkreisen] | |
niedriger ist? | |
Es geht dabei wohl vor allem um den sozialen Status, das Bildungsniveau und | |
um Sprachbarrieren. | |
Sind das Spekulationen? | |
Es gibt auch erste Indizien in diese Richtung. So hat die Stadt Mannheim | |
festgestellt, dass es innerhalb des Stadtgebiets große Unterschiede in der | |
Impfquote gibt: In bürgerlichen Wohnvierteln ist die Quote dreimal so hoch | |
wie in sozial schwachen Stadtteilen. | |
Wie ist die Impfquote bei Migrant:innen? | |
Auch hier gibt es ein aufschlussreiches Detail aus Mannheim: Unter den | |
ersten 6.000 Geimpften in der Gruppe der über Achtzigjährigen hatte nur ein | |
Prozent einen ausländisch klingenden Namen, obwohl der Anteil der Migranten | |
in dieser Altersgruppe bei etwa 25 Prozent liegt. | |
Sind solche sozialen Unterschiede besorgniserregend? | |
Ja. Zwar hat jeder den gleichen Zugang zur Impfung, aber viele erreichen | |
wir mit unserer Impfkampagne offensichtlich noch nicht gut genug. Dabei | |
sind die Gruppen mit den niedrigen Impfquoten tendenziell eher gefährdet, | |
zum Beispiel, weil sie in beengten Wohnverhältnissen leben und sich | |
leichter anstecken können. | |
Muss mehr in Fremdsprachen kommuniziert werden? | |
Impfinformationen liegen in 20 Sprachen vor, dabei sind alle relevanten | |
Sprachen von Migranten und Flüchtlingen dabei, bis hin zu Somali. Wir | |
versuchen auch, Vertreter der jeweiligen Communitys zu erreichen. Vorbilder | |
sind ganz wichtig. | |
Gibt es Unterschiede zwischen den Nationalitäten? | |
Ja. Wer aus einem Land mit einem gut ausgebauten Gesundheitssystem kommt, | |
ist meist gegenüber Impfungen viel aufgeschlossener. Experten sagen uns, | |
dass die Impfbereitschaft von Syrern zum Beispiel höher ist. | |
Welche Rolle spielen Ängste und Vorurteile? Zu Beginn der Impfkampagne | |
[2][waren zum Beispiel viele weibliche Pflegekräfte zögerlich], weil es | |
Gerüchte gab, die Impfung mache unfruchtbar. | |
Das konnte durch Aufklärung weitgehend ausgeräumt werden. Es gibt im | |
Pflegebereich keine auffällig niedrige Impfquote mehr. | |
Gehen Sie gezielt in Viertel mit niedriger Impfquote? | |
In Mannheim hat diese Woche ein Modellversuch begonnen. Hier ist das | |
Impfzentrum mit einem mobilen Impfteam in den Stadtteil Hochstätt gegangen | |
und impft dort im Stadtteilzentrum. Das Angebot wird gut angenommen. Wer in | |
prekären Wohnverhältnissen lebt, ist wegen der erhöhten Ansteckungsgefahr | |
heute schon in der dritten Impfprioritäts-Gruppe eingestuft. | |
Wann wird in den Betrieben geimpft? | |
In der Breite wird die Impfung durch Betriebsärzte wohl erst im Juni | |
beginnen. Wir haben in Baden-Württemberg aber jetzt schon mehrere | |
Modellversuche gestartet, unter anderem beim Kranhersteller Liebherr in | |
Ehingen. In den Betrieben erreichen wir sicher auch viele Menschen, die | |
bisher zögerlich sind. | |
Was hat das Land Baden-Württemberg noch vor? | |
Das Land kann das Problem nicht allein lösen. Es ist vielmehr ein Problem | |
der ganzen Gesellschaft. Am Montag gab es eine Tagung des | |
Sozialministeriums mit 30 Verbänden. Auch vom Einbeziehen der Hausärzte in | |
die Impfkampagne versprechen wir uns viel. | |
13 May 2021 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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