Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Neues Album von Haftbefehl: Gute Beats schon verbraten
> Der Offenbacher Gangstarapper Haftbefehl ist im crossmedialen Powerplay.
> Aber hat es sein neues Werk „Das schwarze Album“ auch verdient?
Bild: Beim Bingo immer der erste: Haftbefehl
Ein Haftbefehl-Bingo gibt es noch nicht; es zu erfinden wäre eine gute
Idee. Wenn der Offenbacher Rapper Neues veröffentlicht, rauscht es im
Blätterwald: Die Süddeutsche kommt als Erstes vorbei und berichtet vorab,
Spiegel und Arte ziehen nach. Amazon-Prime haut eine Dokumentation mit
Lobhudeleien von Wichtikus Moritz von Uslar raus. Grund für den Rummel ist
„Das schwarze Album“, Nachfolgewerk von [1][“Das weiße Album“] von 202…
Wahrheit ist es aber erst mal egal, was genau Haftbefehl veröffentlicht,
die Medien sind eh elektrisiert.
Alle wollen ihn vorzeigen. Und er kooperiert zwar auch, richtig Lust darauf
hat er nicht. Bleibt distanziert, unnahbar, abwesend auf Social Media und
in TV-Beiträgen. Gerade diese Unnahbarkeit scheint den Wunsch auf eine
Nacherzählung seiner Geschichte und den Wille zur Interpretation noch zu
verstärken. Nun beginnt das Haftbefehl-Bingo. Folgende Punkte gilt es
abzuhaken, wenn Medien über Haftbefehl schreiben: Hat Sprache bereichert
(Jugendwort Babo). War Drogendealer, floh in die Türkei, wurde zum Star
(Erfolgsgeschichte). Vom [2][Antisemitismus] vergangener Tage hat er sich
distanziert (Läuterung). Aggression und Schmerz in den Texten
(Feinfühligkeit). Nacherzählung vom Alltag in marginalisierten Vierteln
(Blockpanorama).
## Misogyne Textpassagen
All diese Plotpoints machen den 35-jährigen Haftbefehl zur prägendsten
deutschen Straßenrapper-Gestalt. Jedoch: „Das schwarze Album“ fällt nicht
so gut aus wie erwartet. Der viel beschworene Mix aus Sprache und Slang ist
weniger herauszuhören als früher. Durch die klare Artikulation kommen
leider auch misogyne Passagen zum Vorschein. Die Produktion ist auf hohem
Niveau, plätschert aber immer wieder lieblos dahin, als wären die besseren
Beats bereits für „Das weiße Album“ verbraten worden.
Was Haftbefehl am besten kann, verballert er bereits in den ersten fünf
Songs. In „Kaputte Aufzüge“ inszeniert er sich als nüchterner Beobachter,
der mittels Sprechgesang Leid vertont. Mit „Wieder am Block“ und
„Crackküche“ mimt er den wütenden, verzweifelten Angeber. In diesen Songs
verschmelzen seine charakteristische Narration mit dem erlebnisorientierten
Sound. Danach wird es textlich teils banal und musikalisch richtig grausig,
etwa wenn Gastkünstler Schmyt in Deutschpop-Manier abjohlt und lahme
Aufpeitscherparts einrappt. Vor allem die Gastbeiträge sind es, die das
Album schwächen.
Relevant bleibt Haftbefehls Musik trotzdem. Das beweisen die gelungenen
Songs und die omnipräsenten Themen aus dem Haftbefehl-Bingo. Nur: „Das
schwarze Album“ wird auf der To-do-Liste vermutlich in Zukunft fehlen. Es
gibt Interessanteres zu besprechen.
6 May 2021
## LINKS
[1] /Neues-Album-von-Haftbefehl/!5686525
[2] /Rapper-Haftbefehl-mit-neuem-Album/!5074147
## AUTOREN
Johann Voigt
## TAGS
Haftbefehl
Neues Album
HipHop
Gangsta-Rap
Musik
HipHop
Musik
Schwerpunkt Rassismus
HipHop
Rap
## ARTIKEL ZUM THEMA
Debütalbum des Rappers Symba: Reimen und „Tagesspiegel“ lesen
Symba kennt sich mit Selbstdarstellungsmarkern aus. Auf seinem Debüt
unterläuft er die hypermaskulinen Stereotype des Deutschrap.
Debütalbum von Rapper Kay Shanghai: Der Solitär hat es schwer
Auf seinem Album „Haram“ zeigt sich Kay Shanghai als einer der ersten offen
schwulen deutschsprachigen Rapper. Es ist Feier und Schmerz zugleich.
Rapper Mädness ist kein Gangster: Unangestrengt und locker fließend
Zwischen Apfelwein und Rap war nicht nur der berufliche Weg von Mädness
ungewöhnlich. Auf seinem neuen Album „Mäd Löve“ setzt er auf Gefühl.
Soziologe über Gangstarap: Kampfansage an Ackermann
Im Buch „Soziologie des Gangstarap“ analysiert Martin Seeliger das Genre
als gesellschaftliche Suche zwischen Ungleichheitskritik und Regression.
Porträt des Rappers Mach-Hommy: Gefühle im Großstadtnebel
Der amerikanisch-haitianische Rapper Mach-Hommy gibt kaum etwas von sich
preis. Kritiker und Fans verehren ihn. Annäherung an ein Phänomen.
Album „The Diary“ von J Dilla: Der Flow-Fetischist
Als Produzent wird J Dilla auch nach seinem Tod verehrt. Mit „The Diary“
erscheint nun ein Werk, auf dem er selbst rappt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.