# taz.de -- Wohnungslosigkeit in Berlin: Kampf den Hütten | |
> Vor der 5. Strategiekonferenz gegen Wohnungslosigkeit fordern | |
> Teilnehmende mehr Bau günstiger Wohnungen. Nur das helfe effektiv. | |
Bild: Auf dem Containerbahnhof in Friedrichshain leben seit mehr als 20 Jahren … | |
Berlin | TAZ Vor der [1][5. Strategiekonferenz gegen Wohnungslosigkeit], | |
die am Montag beginnt und die ganze kommende Woche dauert, hat der | |
Arbeitskreis (AK) Wohnungsnot – ein Zusammenschluss von rund 70 | |
Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe – eine Reihe von Forderungen an den | |
Senat formuliert. „Wir müssen über Wohnungen sprechen“, heißt es in dem … | |
Mittwoch veröffentlichten [2][Positionspapier]. | |
Was damit gemeint ist, erklärt der Sprecher des AK, Martin Parlow, so: „Wir | |
sprechen viel darüber, wie wir die Mangelwirtschaft besser machen können, | |
aber zu wenig darüber, wie bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden kann.“ | |
Daher sollten an der 5. Konferenz auch die Senatsverwaltung für | |
Stadtentwicklung, am besten sogar der Regierende Bürgermeister teilnehmen – | |
und nicht allein die Sozialverwaltung, die seit 2018 die Konferenz | |
organisiert. | |
Susanne Gerull trägt die Kritik des AK „komplett mit“. Gerull ist | |
Professorin für Soziale Arbeit an der Alice-Salomon-Hochschule und seit | |
Ende der 1980er Jahre Mitglied im Arbeitskreis. „Wir können eine wunderbare | |
Wohnungslosenhilfe weiterentwickeln und gestalten, aber letztendlich muss | |
die Politik dafür sorgen, dass Wohnraum für akut Wohnungslose verfügbar | |
ist“, sagte sie der taz. | |
Nach Schätzungen des AK gibt es in Berlin rund 50.000 Menschen ohne | |
Wohnung, die – teilweise seit Jahren – in so genannten ASOG-Unterkünften | |
(ASOG ist das Allgemeine Sicherungs- und Ordnungsgesetz), also betreuten | |
Wohnformen oder in Flüchtlingsunterkünften untergebracht sind. Für sie alle | |
Wohnraum zu schaffen sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und müsse | |
„höchste Priorität haben“, heißt es in dem Postitionspapier. | |
## Der Masteplan ist noch nicht ausformuliert | |
Eine Idee könnte sein, dass das Land die Träger der Wohnungslosenhilfe | |
dabei unterstützt, selber Wohnungen zu bauen, erklärt Parlow. Die Träger | |
würden die Bedarfe der Menschen besser kennen als die landeseigenen | |
Wohnungsbaugesellschaften. Zudem seien „weitere Player“ auf dem | |
angespannten Wohnungsmarkt nicht verkehrt. | |
Stefan Strauss, Sprecher von Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke), | |
erklärte dazu auf taz-Anfrage etwas schmallippig: Der AK Wohnungsnot sei an | |
der Erarbeitung des Programms der Konferenz beteiligt gewesen. Allerdings | |
hatte Breitenbach selbst Ähnliches vorgeschlagen – und zwar im Zuge des von | |
ihr angestrebten „Masterplans gegen Wohnungslosigkeit“, mit dem sie bis | |
2030 die [3][Wohnungslosigkeit abschaffen] will und wofür sie ebenfalls | |
einen „Pakt der Stadtgesellschaft“ fordert. | |
Kern eines solchen Plans, schrieb sie [4][in einem Meinungsbeitrag im | |
Tagesspiegel], müsse mehr sozialer Wohnungsbau sein sowie ein radikaler | |
Umbau der Hilfsangebote. Dazu sollten unter anderem die sozialen Träger zu | |
„sozialen Wohnungsträgern“ weiterentwickelt und „Investitionen ins | |
Unterbringungssystem künftig in den Bau und die Bewirtschaftung bezahlbarer | |
Wohnungen“ umgeleitet werden. | |
In dieser Legislatur wird es allerdings nichts mehr mit der Ausformulierung | |
dieses Masterplans. Die Koordinierung von Land und Bezirken – letztere sind | |
für Wohnungslose zuständig – sei kompliziert, hatte Breitenbach im März | |
zugeben müssen. Auf der anstehenden Strategiekonferenz werde aber weiter | |
über den Masterplan diskutiert, erklärte ihr Sprecher. Ob und in welcher | |
Form der Plan in der kommenden Legislatur umgesetzt wird, „obliegt weiteren | |
politischen Beratungen“. | |
## Ideen sofort umsetzen | |
Die Strategiekonferenzen gegen Wohnungslosigkeit sind ein zentrales | |
Instrument von Breitenbach. 2018 hatte die Sozialsenatorin zur ersten | |
Konferenz geladen; seither haben vier stattgefunden, auf denen | |
Expert*innen von Land und Bezirken, sozialen Trägern, | |
Wohlfahrtsorganisationen sowie aus der Wissenschaft in Arbeitsgruppen zu | |
Themenfeldern wie Wohnungslosenstatistik, Straßenkinder/-jugendliche, | |
Prävention, medizinische Versorgung, Kältehilfe und Frauen/Familie | |
arbeiten. | |
Ein greifbares Ergebnis war die erste „Lange Nacht der Solidarität“, eine | |
stadtweite Zählung von Obdachlosen im Januar 2020, die eine Zahl von knapp | |
2.000 ergab. In diesem Sommer sollte die zweite Zählung stattfinden; wegen | |
Corona wurde sie auf das kommende Jahr verschoben. Einzelheiten würden auf | |
der Konferenz vorgestellt, sagte Gerull, die schon die erste | |
[5][Obdachlosenzählung] initiiert und wissenschaftlich begleitet hatte. | |
Nach drei Jahren sei es aber auch an der Zeit zu handeln, findet der AK | |
Wohnungsnot. Einige Ideen, die auf den Konferenzen diskutiert worden seien, | |
könnten und müssten „sofort“ umgesetzt werden. Dazu gehöre etwa die | |
Forderung, die 2019 von Senat verabschiedeten Leitlinien des Senats gegen | |
Wohnungslosigkeit umzusetzen. Darin steht zum Beispiel, dass | |
EU-Bürger*innen Zugang zu einer Unterbringung nach ASOG bekommen sollen. | |
Doch dessen ungeachtet würden die Bezirke weiterhin EU-Bürger*innen Hilfe | |
verweigern und sie auf die Kältehilfe verweisen, sagte Parlow – diese Hilfe | |
gibt es bekanntlich nur die Hälfte des Jahres. „Das | |
Verantwortungsgeschacher zwischen Bezirken und Kältehilfe geht weiter.“ | |
Auch die schon lange geforderte Beschwerdestelle für Menschen in der | |
Wohnungslosenhilfe müsse endlich kommen, fordert der AK. Bekanntlich gibt | |
es große Qualitätsunterschiede bei den ASOG-Heimen und -Unterkünften; | |
teilweise sind die Zustände so katastrophal, dass von „Läusepensionen“ | |
gesprochen wird. Umso wichtiger sei es, sagte Parlow, dass Betroffene um | |
Hilfe bitten beziehungsweise sich beschweren können. | |
## Unterkünfte werden geprüft | |
Bis es soweit ist, wird es aber noch dauern. Zunächst soll die | |
„gesamtstädtische Steuerung“ aller Unterkünfte eingeführt werden. Diese | |
besteht im Kern aus einer zentralen Datenbank, in der alle Unterkünfte – ob | |
für Geflüchtete oder Wohnungslose – gelistet werden und für die dann | |
einheitliche Qualitätsstandards gelten. | |
Die Einführung dieser Steuerung wurde, wohl aus technischen Gründen, | |
mehrfach verschoben; im August soll nun das Pilotprojekt starten, so | |
Breitenbachs Sprecher. Aber erst wenn alle Heime auf ihre Qualität geprüft | |
und in die Steuerung integriert sind, soll die bereits bestehende | |
Beschwerdestelle Bubs für Menschen in Flüchtlingsheimen auch für Menschen | |
in ASOG-Heimen geöffnet werden. | |
Schneller geht es offenbar bei den ebenfalls lange angekündigten safe | |
places. Zwei dieser gesicherten Camps für Obdachlose sollen in der Nähe des | |
Lichtenbeger Ringcenters entstehen. Eines wird vom Träger Karuna gegenüber | |
des Einkaufscenters auf einer Wiese mit neuen Tinyhouses eingerichtet; das | |
„wilde Camp“ am Güterbahnhof, wo bereits Menschen in Wohnmobilen leben, | |
wird von der Stadtmission betreut werden. | |
Die zuständigen Bezirksstadträte würden auf der Konferenz über den Stand | |
der Dinge berichten, kündigte Breitenbachs Sprecher an. „Über die Freigabe | |
der notwendigen Mittel für diese Projekte wird der Hauptausschuss in Kürze | |
entscheiden.“ | |
28 May 2021 | |
## LINKS | |
[1] http://www.berlin.de/strategiekonferenz-wohnungslosenhilfe | |
[2] https://www.ak-wohnungsnot.de/files/attachements/1183/positionakwostrategie… | |
[3] /Kaeltehilfe-in-Berlin/!5735341 | |
[4] https://www.tagesspiegel.de/berlin/housing-first-so-koennte-berlin-obdachlo… | |
[5] /Mahnwache-gegen-Obdachlosigkeit/!5660782 | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
Nicole Opitz | |
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