# taz.de -- 1. Mai in Berlin und Hamburg: Riesiger Andrang | |
> Bei der alljährlichen 1.-Mai-Demo ist es im Berliner Stadtteil Neukölln | |
> zu Ausschreitungen gekommen. In Hamburg wurden linksradikale Demos | |
> verboten. | |
Bild: Tausende Demonstrant*innen zogen am 1. Mai in Berlin vom Hermannplatz nac… | |
BERLIN/HAMBURG taz | Obwohl es von Seiten der Demonstrierenden bis in den | |
frühen Abend hinein weitgehend friedlich blieb, hat die Polizei [1][die | |
alljährliche „Revolutionäre 1.-Mai-Kundgebung“] in Berlin nach ungefähr | |
einer Stunde erst getrennt und ein paar hundert Meter weiter aufgelöst. Auf | |
Höhe des anarchistischen Blocks stürmten Beweissicherungs- und | |
Festnahmeeinheiten in die Demo und teilten sie. | |
Kurz darauf folgte die Durchsage, dass die Demo aufgelöst sei – angeblich | |
aufgrund der Nichteinhaltung des Mindestabstandes und fehlender | |
Mund-Nasen-Bedeckungen. Daraufhin gab es Schubsereien. Die Polizei stürmte | |
danach auch Lautsprecherwagen des Enteignungsblocks. | |
Nach der Auflösung der Demo in der Karl-Marx-Straße kam es zu einer | |
anhaltenden unruhigen Situation. Polizisten zogen durch den gekesselten | |
Block und nahmen immer wieder Menschen in Gewahrsam. Gegenwehr gab es hier | |
kaum. | |
Währenddessen war der vordere Teil der Demo bereits in der Sonnenallee. | |
Hier kam es zu Ausschreitungen: Flaschen flogen, auch brannte es an | |
mehreren Stellen. Die Flammen von angezündeten Holzpaletten schlugen | |
meterhoch. Eine halbe Stunde vor Beginn der Ausgangssperre waren noch | |
tausende Menschen im Kiez unterwegs. Während es an manchen Stellen weiter | |
zu Auseinandersetzungen kam, tanzten anderswo Menschen auf der Straße. | |
Polizeipräsidentin Barbara Slowik verurteilte die gewaltsamen Angriffe als | |
„inakzeptabel“. Der Berliner SPD-Innenexperte Tom Schreiber twitterte, | |
Links- und Rechtsextremisten sei Covid-19 egal. Beide stünden für den Hass | |
und die Gewalt gegen Polizisten. „Es sind Feinde der Demokratie.“ Die | |
Demo-Organisatoren warfen der Polizei laut Mitteilung vor, es sei grundlos | |
auf Demonstrierende eingeprügelt worden. | |
## „Wer saufen will, macht das bitte woanders“ | |
Dabei war die diesjährige Revolutionäre 1.-Mai-Demo ausdrücklich friedlich | |
gestartet. Ein großes Bündnis migrantischer Gruppen lief ganz vorne auf der | |
sonst für Ausschreitungen mit der Polizei bekannten Demo. Im ersten Block | |
versammelten sich vor allem junge Menschen um 17 Uhr am Hermannplatz – ein | |
Großteil davon wohl aus Neukölln und Kreuzberg. | |
Der Protest war dabei deutlich größer als in den vergangenen Jahren. Der | |
Hermannplatz war brechend voll, mehrere tausend Menschen versammelten sich, | |
um von dort aus zum Oranienplatz zu laufen. | |
Der Frontblock, den 19 linke migrantische Organisationen rund um die | |
Migrantifa stellten, war extrem jung und gerade in den ersten Reihen | |
überwiegend weiblich. Die Teilnehmer*innen trugen einheitliche rote | |
Mund-Nasen-Masken, die Aggressivität früherer Jahre wurde nicht vermittelt. | |
Zur Kettenbildung, normalerweise üblich, wurde erst kurz vor dem Start | |
aufgerufen. Es wehten viele palästinensische und kurdische Flaggen, „Viva | |
Palästina!“ und „Es lebe Öcalan!“-Rufe erschallten. Die Polizei filmte | |
alles akribisch ab, auch die Füße, die unter dem roten Transparent mit der | |
Aufschrift „Yallah Klassenkampf“ hervorlugten. Mit deutlicher Verzögerung | |
setzte sich der Zug erst nach halb 8 in Bewegung. Ganz vorne ein | |
Transparent: „Wir wollen kein Stück vom Kuchen, sondern Baklava für alle“ | |
und „Yallah Klassenkampf“. | |
Eine Rednerin auf der mobilen Lkw-Bühne stellte gleich zu Beginn klar, dass | |
der Protest friedlich bleiben sollte: „Migrantisierte Menschen sind | |
besonders von Polizeigewalt betroffen, haltet euch deswegen zurück.“ | |
Gleiches gelte für Alkohol: „Wer saufen will, macht das bitte woanders.“ | |
Eine andere Rednerin adressierte die ungleich verteilten Lasten [2][während | |
der Coronakrise]: „Wir sind in der größten Krise seit dem Zweiten | |
Weltkrieg. Die Konzerne schütten trotzdem große Renditen aus und haben | |
ihren Reichtum sogar vermehrt.“ Es gehe in der Pandemie nur um den Schutz | |
der Profite, während die Gesundheit der Arbeiter:innen auf der Strecke | |
bleibe: „Wir sitzen in der vollen BVG auf dem Weg zur Arbeit.“ | |
## „Der soziale Wohnungsbau kackt ab“ | |
Umverteilung und soziale Ungleichheit spielte eine Hauptrolle in den Reden. | |
„Der soziale Wohnungsbau kackt ab, wie man hier auf der Hasenheide sehen | |
kann“, sagte eine Demonstrantin. Es schwang wohl auch ein bisschen | |
Enteignung mit, wenn es hieß: „Wir lassen uns nicht verkaufen, was uns | |
schon immer gehört hat. Wir holen uns zurück, was uns gehört: unsere | |
Gesellschaft, unsere Communitys, unsere Straßen.“ | |
Die Demo brauchte über eine Dreiviertelstunde, um an einer Straßenkreuzung | |
vorbeizuziehen. Anwohner:innen in der Karl-Marx-Straße winkten von | |
Balkonen, manche stellten Boxen raus und spielten „Keine Macht für Niemand“ | |
von der Band Ton Steine Scherben. Abgerundet wurde der Protest musikalisch | |
vom Kreuzberger Rapper PTK. | |
Hinter dem ersten Block folgte aber zunächst nichts. Erst mit mehr als 20 | |
Minuten Verspätung startete die restliche Demo. Auch hier kamen viele | |
weitere internationale Gruppen. Erst ein anarchistischer Block war | |
überwiegend in Schwarz gekleidet. Genau diesen griff die Polizei am Rathaus | |
Neukölln an und spaltete damit die Demo. Ein Polizeiführer erklärte die | |
Maßnahmen damit, dass im hinteren Teil der Demo die Abstände nicht | |
eingehalten worden seien. Allerdings stauten sich die Menschen danach in | |
der Karl-Marx-Straße. Bis auf einige Schubsereien blieb es bis zum frühen | |
Samstagabend überwiegend friedlich, die Teilnehmer*innen reagierten | |
konsterniert. | |
Die Versammlung auf dem Hermannplatz mit mehreren tausend | |
Teilnehmer:innen war bereits die dritte Großdemo in Berlin am 1. Mai. | |
Zuvor waren bis zu 20.000 Menschen [3][bei einem Fahrradkorso für | |
Umverteilung in Richtung Grunewald geradelt], rund 1.000 | |
Demonstrant:innen nahmen [4][an der klassenkämpferischen | |
Gewerkschaftsdemo am Vormittag teil]. Fast alle Teilnehmer:innen trugen | |
Masken, aber das Einhalten von Abständen war wegen der vielen Menschen | |
schwierig. | |
Die Mobilisierung dürfte auch so groß gewesen sein, weil federführend in | |
diesem Jahr erstmals das junge Bündnis Migrantifa breit aufgerufen hat. Das | |
antifaschistische Bündnis hatte sich nach dem neonazistischen | |
Terroranschlag von Hanau gegründet und sich auch an den | |
Black-Lives-Matter-Protesten 2020 beteiligt. | |
Die Polizei war am 1. Mai mit 5.600 Polizist:innen im Einsatz. | |
Polizeisprecher Thilo Cablitz sagte vor Beginn der Demo, dass er mit einer | |
emotionalen Demo rechne – vor allem nach der Entscheidung gegen den | |
Mietendeckel. | |
## Grundrechte nicht für Hamburgs Linke | |
Mit einem Großaufgebot hat die Hamburger Polizei das Verbot mehrerer linker | |
Proteste bis zum Nachmittag durchzusetzen versucht. Mit Verweis auf den | |
Infektionsschutz hatte die Versammlungsbehörde linksradikale Proteste zuvor | |
untersagt. Auch vor dem Verwaltungsgericht scheiterten Klagen der | |
anarchistischen Gruppe „Schwarz-Roter 1. Mai“ und von „Wer hat, der gibt�… | |
die Kundgebungen im Reichenviertel Pöseldorf angemeldet hatten. Selbst die | |
kurzfristig angemeldete Demo der „Seebrücke“, die im Zuge dessen für das | |
Recht auf Versammlungsfreiheit vor das Rathaus ziehen wollte, wurde | |
untersagt. | |
Dennoch zogen kleinere Demonstrationsgruppen durch die Stadt und lieferten | |
sich ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei. In Pöseldorf waren dutzende | |
Gruppen auf Fahrrädern unterwegs, auch der „Schwarz-Rote 1. Mai“ zog am | |
Mittag entlang des Schanzenparks – ein massiver Polizeieinsatz sprengte den | |
Demozug und kesselte Kleingruppen ein. Mit Charterbussen nahm die Polizei | |
mehrere Demonstrierende in Gewahrsam. Auch am Hamburger Univiertel | |
verhinderte ein massives Polizeiaufgebot angekündigte Protestaktionen. Am | |
Nachmittag versammelten sich immer mehr Demonstrierende vor der Roten | |
Flora; auch hier sperrte die Polizei den Zugang zwischenzeitlich ab. | |
Mit Wasserwerfern löste sie die Versammlung vor der Roten Flora auf. | |
Hunderte Menschen hatten sich am Nachmittag auf der Piazza vor dem | |
linksautonomen Zentrum versammelt, ohne den Mindestabstand zu beachten. | |
Nach mehrmaliger Aufforderung, den Platz zu verlassen, spritzten zwei | |
Wasserwerfer die Straße frei. Am Abend stoppte die Polizei eine nicht | |
genehmigte Demonstration von Linksradikalen und setzte rund 150 | |
Demonstranten am Lohmühlenpark in St. Georg fest. | |
1 May 2021 | |
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## AUTOREN | |
Erik Peter | |
André Zuschlag | |
Gareth Joswig | |
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