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# taz.de -- DGB am 1. Mai in Berlin​: Keine Bratwurst und linke Konkurrenz
> Coronabedingt fällt die Kundgebung des DGB kleiner aus als in den
> Vorjahren. Und von der FAU kriegt er auch noch Schelte für seinen
> „laschen Kurs“.
Bild: Immerhin: Am Brandenburger Tor gibt's Solidarität, wenn auch keine Bratw…
Berlin taz | Die Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftbundes (DGB) fiel am
diesjährigen 1. Mai klein aus. Wegen der Coronapandemie plante die
Gewerkschaft [1][einen Livestream ab 14 Uhr] und lediglich eine kleine
Kundgebung mit rund 250 Teilnehmer:innen am Pariser Platz vor dem
Brandenburger Tor.
Rituell wurden zu Beginn der Kundgebung alle unter dem Dach des DGB
organisierten Gewerkschaften begrüßt; ebenso die prominentesten Mitglieder
des Berliner Senats und die Spitzenkandidat:innen von SPD, Grüne,
Linke und CDU, die in Berlin mittlerweile den Wahlkampf eingeläutet hatten.
Weil es diesmal keine Bratwurst gab, bekam Berlins Regierender
Bürgermeister Michael Müller (SPD) aber immerhin ein Stück Schokolade zu
essen.
Bei der Veranstaltung vor dem Brandenburger Tor lobte Michael Vassiliadis
von der europäischen Gewerkschaft Industrial Europe Trade Union die
Sozialpartnerschaft. Auch das deutsche Gesundheits- und Sozialsystem hebte
er anerkennend hervor. Man habe mit der GroKo in Deutschland viel erreicht,
sagte Vassiliadis. Gleichzeitig kritisierte er bestehende Ungleichheiten
wie etwa „Geschlechterungerechtigkeiten“ und Nachteile für migrantische
Teile der Gesellschaft.
Aufgabe der Gewerkschaften sei es, auch diejenigen zu schützen die nicht im
Home Office arbeiteten könnten. Damit bezog er sich etwa auf die zu Beginn
der Pandemie vom Balkon beklatschten Pflegekräfte. „Wenn da nichts kommt,
wird Applaus zur Verhöhnung“, sagte Vassiliadis. Er wies auch daraufhin,
dass [2][der deutsche Impfhersteller Biontech] keinen Tarifvertrag habe und
– bei aller Innovation – als mieser Arbeitgeber kritisiert gehört.
## „Die Leute brauchen Taten, kein Applaus“
Deutlich schärfer war der Ton auf der wenig später startenden
klassenkämpferischen Demo. Nicht zufällig wurde für sie zum DGB-Haus am
Hackeschen Markt mobilisiert. Unter dem Motto „Nicht auf unserem Rücken!“
[3][kritisierte dort die Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU)] den
aus ihrer Sicht laschen Kurs der großen Gewerkschaften, deren Forderungen
in der Krise nicht weit genug gingen.
„Wir sollen für die Profite weiterhin dicht an dicht in Bus und Bahn
sitzen. Dass bedeutet in dieser Pandemie nichts anderes als: Wenn du arm
bist, stirbst du schneller“, rief ein wütender Redner zu Beginn ins Mikro.
Ein Liedermacher mit Gitarre spielte neben der obligatorischen
Internationale auch selbst gedichtete Songs: „Der Bundestag spendet Applaus
und schmeißt das Geld für Lufthansa raus. Die Leute die schuften, tagein
tagaus, sie brauchen Taten, kein Applaus.“
Die Demo mit geschätzt 1.000 Teilnehmer:innen lief vom DGB-Haus zum
Urban-Krankenhaus, auch um in dieser Gesundheitskrise auf die schlechten
Arbeitsbedingungen jener Menschen hinzuweisen, welche die Hauptlast der
Pandemie schultern. „Diese Regierung geht im Interesse der Konzerne über
Leichen“, skandierten Teilnehmer:innen. Die Situation der Arbeiter
verschlechtere sich, gleichzeitig steige das Vermögen der Reichen ins
Unermessliche. Die Gewerkschaften müssten mobilisieren und sich nicht in
einer Sozialpartnerschaft einlullen lassen, während gleichzeitig 40
Millionen Beschäftigte unorganisiert seien.
Als unabhängige anarchsyndikalistische Gewerkschaft unterstützte die FAU
2020 während der ersten Coronawelle rumänische Wanderarbeiter:innen
bei einem wilden Streik, weil diese ungeachtet des Lockdowns [4][weiter
Spargel stechen mussten] und dafür nicht bezahlt wurden. Der Fall machte
bundesweit Schlagzeilen und sorgte letztlich dafür, dass die Ausbeutung
beendet wurde und die Arbeiter:innen ihren Lohn erhielten.
## Goldener Mittelfinger in Richtung Grunewald
Auf der klassenkämpferischen Demo waren neben Fahnen der Deutschen
Kommunistischen Partei (DKP), der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD)
und der Marxistisch–Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) auch solche
von türkischen Kommunist:innen und Kurdistan-Flaggen zu sehen. [5][Das
Volksbegehren „Deutsche Wohnen und Co. Enteignen“ sammelte dort ebenfalls
Unterschriften].
Seit dem Vormittag sind zudem tausende radfahrende Demonstrant*innen
unterwegs nach Grunewald, dem Reichenviertel im Westen der Stadt. Zum
hedonistischen Umzug des Quartiersmanagements Grunewald gehören ein
Goldener Mittelfinger des Krisenbündnisses „Wer hat, der gibt“ aus
Lichtenberg, dazu Teilnehmer:innen des Volksbegehrens „Deutsche Wohnen
und Co. enteignen“ aus Neukölln und aus dem Wedding die Rotfront-Bikers. Am
Mittag haben sich die drei Finger unter der Goldelse am Großen Stern
zusammengeschlossen, um von dort in deren Blickrichtung gemeinsam weiter
nach Westen zu ziehen.
Der Grunewald ist damit zum dritten Mal Ziel von linken Massenprotesten,
2020 war pandemiebedingt nur eine kleine Abordnung zugelassen worden. Die
Forderungen nach Umverteilung und Enteignung sind seit jeher die zentralen
Botschaften der MyGruni-Demo.
[6][Insgesamt sind über 20 Kundgebungen und Demos am 1. Mai in Berlin
angemeldet]. „Querdenker:innen“ und Coronaleugner:innen wollen sich
in Lichtenberg zur Demo versammeln, gegen 17 Uhr soll es die revolutionäre
1. Mai-Demo am Neuköllner Hermannplatz starten und durch Kreuzberg zum
Kottbusser Tor ziehen.
1 May 2021
## LINKS
[1] https://www.dgb.de/erster-mai-tag-der-arbeit
[2] /Aktuelle-Nachrichten-in-der-Coronakrise/!5769215
[3] /FAU/!t5013077
[4] /Wie-es-ist-Spargel-zu-ernten/!5678241
[5] /Deutsche-Wohnen-und-Co-enteignen/!t5562213
[6] /Aktuelle-Nachrichten-zum-1-Mai/!5769293
## AUTOREN
Gareth Joswig
Erik Peter
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