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# taz.de -- Linke Julia Schramm über Ostdeutschland: „Ich will um Sachsen k�…
> Sie stammt aus Hessen, war Piratin und arbeitet seit 2017 für die Linke
> in Berlin. Jetzt will Julia Schramm in Sachsen für die Linke kämpfen. Wie
> das?
Bild: „Qua sozialistischem Anspruch, entgegen diesem System“: Julia Schramm…
taz: Frau Schramm, warum verteilen Sie auf dem Marktplatz in Borna
Cannabistütchen?
Julia Schramm: Ich trete als Kandidatin für den Wahlkreis Leipziger Land an
– also machen wir Wahlkampfaktionen vor Ort. Ich glaube, dass sich die
Linke im ländlichen Raum und gerade auch im Osten stärker engagieren muss.
Aber ausgerechnet mit Oregano gefüllte Cannabistütchen. Verprellt das die
Leute nicht eher?
Ich war positiv überrascht. Viele haben komisch geguckt, klar, aber wir
sind offen auf die Leute zugegangen, haben gesagt „Hey, heute ist
Weltkiffertag, was halten Sie von der Legalisierung von Cannabis?“ In den
Gesprächen habe ich gemerkt, wenn man sich Zeit nimmt, unsere Argumente für
die Legalisierung zu erklären und sich den Leuten zuwendet, dass es auch
funktioniert.
Haben die Menschen im Leipziger Umland nicht ganz andere Probleme? Viele
Menschen sind nach der Wende abgewandert, dort wird immer noch fleißig
Braunkohle gebaggert.
Absolut. Auf dem Land ist der Alltag viel schwieriger. Da geht es um
Abwanderung und abgebaute Infrastruktur, gerade in Sachsen, wo die CDU seit
30 Jahren ihr Unwesen treibt. Ich glaube aber, gerade der ländliche Raum
ist eigentlich sehr attraktiv, wenn es dort mehr Infrastruktur – auch
digitale – und Zukunftsperspektiven gibt.
Würden Sie von Berlin nach Sachsen aufs Land ziehen?
Ähm, ja. Wo genau ist Verhandlungssache – mein Wahlkreis ist ja riesig. Ich
finde es überall sehr schön, die Neuseenlandschaft rund um Leipzig ist
wunderschön. Generell möchte ich um Sachsen kämpfen und es nicht nur als
“failed state“ sehen.
Bei der Bundestagswahl 2017 hat die AfD im Wahlkreis Leipzig-Land rund 30
Prozent der Stimmen bekommen. Die Linke nur halb so viele. Spüren Sie das?
Bisher gab es keine Angriffe, aber die Stimmung ist schon sehr angespannt.
Ich war letztens in Geithain bei einer Gegendemo gegen
Corona-Leugner:innen, das war schon sehr gespalten. Aber mal sehen, wie der
Wahlkampf noch läuft.
Sie selbst sind Wessi.
Ich bin im Westen aufgewachsen, ja, und lebe seit 10 Jahren im Osten
Berlins. Und ich glaube, dass es um die Ungerechtigkeiten in den letzten 30
Jahren geht. Der Verkauf der Betriebe durch die Treuhand, die immer noch
kleineren Renten und Löhne. Das hält ja alles bis heute an. Das ist ein
politischer Kampf, den ich aus Überzeugung führe.
Der Osten war für die Linke lange Zeit eine Bank, doch die Wahlergebnisse
sinken seit Jahren. Wie schafft die Linke im Osten die Trendwende?
Der Kern für den linken Erfolg ist, soziale Gerechtigkeit nach ganz vorne
zu stellen. Das verbindet uns über alle Konflikte hinaus. Wir setzen in
diesem Wahlkampf außerdem durchaus auf junge Gesichter, die natürlich ein
klares Bewusstsein haben für die Ost-Geschichte und ihre Ungerechtigkeiten.
Und die gleichzeitig nach vorn schauen, wenn es um Zukunftsvisionen geht,
um Umverteilung und soziale Gerechtigkeit.
Die Grünen werden stärker, auch im Osten. Und haben mit Annalena Baerbock
eine super Spitzenkandidatin. Sind Sie ein bisschen neidisch?
Die Grünen sind gerade wahnsinnig professionell, zielgerichtet und
einheitlich. Und Annalena Baerbock ist diese engagierte Freundin, die wir
gerade alle in der Pandemie brauchen. Ich glaube aber, wir Linken haben es
schwerer. Wir sind qua sozialistischem Anspruch entgegen diesem System. Wir
ringen mit dem falschen Leben und inwiefern es in diesem kein richtiges
gibt. Die Grünen haben das falsche Leben dagegen schon umarmt.
Wer sollte für die Linke als Spitzenkandidat:in in den Wahlkampf
ziehen?
Die beiden Vorsitzenden werden einen Vorschlag machen. Ich glaube, der wird
gut. Bisher machen die beiden einen stabilen Job, die Partei als Ganzes zu
sehen.
In NRW zieht Sahra Wagenknecht für die Linke in den Wahlkampf. Von ihrem
Buch „Die Selbstgerechten“ fühlen sich viele in der Linken angegriffen.
Spaltet Wagenknecht die Partei?
Ich kenne das Buch nur in Auszügen. Sie stellt einige berechtigte Fragen.
Ich würde aber andere Antworten geben. Ich glaube außerdem, dass wir als
Linke uns nicht auf das Feld der Identitätspolitik ziehen lassen dürfen.
Das ist eine klassische Strategie der Rechten, unsere Anliegen für soziale
Gerechtigkeit für alle Menschen als Angriffe auf Kultur und Familie zu
diskreditieren. Da inszeniert sich die AfD plötzlich als “normal“, weil sie
Fleisch essen verteidigt. So wird aber ihre rechtsextreme Agenda
verharmlost.
Sagen nicht auch in Sachsen viele Wähler:innen, ‚Hört mir auf mit diesen
Gendersternchen, es geht um höhere Löhne‘?
Ich finde es wichtig, dass diskriminierende Begriffe nicht mehr benutzt
werden. Gleichzeitig dürfen wir nicht in die Falle tappen, unsere
Wähler:innen mit unserer Sprache vor den Kopf zu stoßen – wenn mir Leute
sagen, “ich verstehe nicht, was du quatschst“, ist ein gemeinsamer
politischer Kampf schwierig. Ich streite jedenfalls für Umverteilung und
soziale Gerechtigkeit und gendere aus Überzeugung. Aber wenn mein Gegenüber
auf Anhieb nicht korrekt gendert, ist das erstmal auch ok.
23 Apr 2021
## AUTOREN
Anna Lehmann
## TAGS
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Die Linke
Sachsen
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Janine Wissler
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