# taz.de -- Danger Dan über Solidarität: „Grüße an Herrn Schleifer“ | |
> Rapper Danger Dan spricht über Solidarität mit Menschen, die von Nazis | |
> bedroht werden, den Pazifismus von Albert Einstein und seine Beziehung | |
> zum Klavier. | |
Bild: Jetzt nicht mehr ikeamäßig: Danger Dan Anfang April 2021 in Berlin | |
taz: Danger Dan, in Ihrem neuen Song „Das ist alles von der Kunstfreiheit | |
gedeckt“ attackieren Sie Rechtsradikale wie Jürgen Elsässer, Götz | |
Kubitschek und Alexander Gauland. Sie singen: „Zeig mich an und ich öffne | |
einen Sekt / Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“. Haben Sie schon | |
eine Flasche kaltgestellt? | |
Danger Dan: Nein, öffnen würde ich ihn nur im Falle von [1][juristischen | |
Auseinandersetzungen]. Bis jetzt ist noch niemand über das Stöckchen | |
gehüpft, das ich da hinhalte. | |
Nach all dem, was in jüngeren Jahren geschehen ist: Fühlen Sie sich bedroht | |
oder haben Sie Angst? | |
Keine Angst vor denen zu haben, wäre fatal. Denn man kann Nazis eine Menge | |
vorwerfen, aber nicht, dass man nicht wüsste, was sie mit politischen | |
Gegnern machen. Sie haben ein Politikverständnis, das mit Angst spielt. | |
Aber ich bin auch nicht gefährdeter als eine schwarze Frau, die in | |
Magdeburg umsteigt, oder ein Schwuler, der in Bautzen seinen Freund küsst. | |
Gerade aus Solidarität mit jenen, die sich nicht aussuchen können, ob sie | |
ins Visier der Nazis geraten oder nicht, möchte ich mich laut zu diesen | |
Themen äußern. | |
„Wenn du friedlich gegen die Gewalt nicht ankommen kannst / Ist das letzte | |
Mittel, das uns allen bleibt, Militanz“, singen Sie. Von welchem Zeitpunkt | |
an ist dieses Mittel legitim? | |
Dort, wo Menschen akut gefährdet sind, kann Gewalt legitim sein. Wenn der | |
wütende deutsche Mob vor der Geflüchtetenunterkunft steht und die Polizei | |
nicht eingreift, muss man selbst etwas tun. Solche Fälle gibt es immer | |
wieder. Ich erinnere mich an ein Konzert der Antilopen Gang, das wir in | |
Freital 2015 an einer Geflüchtetenunterkunft gegeben haben. Damals konnten | |
wir im Fernsehen live verfolgen, wie militante Nazis mit Steinen vor der | |
Unterkunft standen und Menschen bedrohten. Also haben wir uns entschieden, | |
dorthin zu fahren. Natürlich nicht allein, sondern im Konvoi. Tags zuvor | |
wurden Antifaschist:innen, die zur Unterstützung mit angereist sind, mit | |
Baseballschlägern aus ihren Autos gekloppt. Das hätte uns auch passieren | |
können. | |
Es wäre naiv zu glauben, dass solche Situationen mit friedlichen Mitteln zu | |
lösen seien? | |
Genau. Albert Einstein hat gesagt: „Ich bin nicht nur ein Pazifist, sondern | |
ein militanter Pazifist. Ich bin bereit, für den Frieden zu kämpfen.“ Dem | |
könnte ich mich anschließen. Ich bin selbst überhaupt [2][nicht | |
gewaltaffin]. Ich habe nach körperlichen Auseinandersetzungen Magenkrämpfe | |
und muss kotzen, wenn alles vorbei ist, weil es mich so aufwühlt. | |
In dem Song geht’s um den NSU, den Verfassungsschutz sowie die rechten | |
Strukturen in der Polizei. Ist der Vertrauensverlust gegenüber den | |
Sicherheitsbehörden in den Zehnerjahren größer geworden? | |
Es bestätigt sich häufig, dass Sicherheitsorgane sich nicht als | |
vertrauenswürdig erweisen. Im Fall des rechtsterroristischen NSU wurden | |
Akten geschreddert, verbliebene Unterlagen sollen 120 Jahre unter | |
Verschluss gehalten werden. Merkwürdigkeit reiht sich an Merkwürdigkeit. | |
Einzelne im Verfassungsschutz – nicht die ganze Institution – wussten von | |
Anfang an, dass es den NSU gibt. Dieser Institution muss man nicht | |
vertrauen. In meinem eigenen Leben habe ich auch schlechte Erfahrungen mit | |
der Polizei gemacht. Nachdem einmal Nazis [3][Panik Panzers WG] attackiert | |
haben (Panik Panzer ist Tobias Pongratz, Bruder von Daniel, ebenfalls | |
Mitglied der Antilopen Gang, d. Red.), sind alle Polizeiermittlungen ins | |
Leere gelaufen: Anzeige gegen unbekannt und eingestellt. Ich hätte mir | |
gewünscht, dass wenigstens die riesigen Steine, die auf Kopfhöhe geflogen | |
sind und die wirklich Leute hätten töten können, auf Fingerabdrücke | |
untersucht worden wären. Ernst genommen hat die Polizei die Ermittlungen | |
nicht. | |
Über Querdenker:innen haben Sie den Song „Das schreckliche Buch“ | |
geschrieben. Er handelt davon, wie ein Schundroman, der zu irre ist, um ihn | |
sich auszudenken, Realität wird. | |
Ja, das ist tatsächlich so. Hätte mir einer vor [4][fünf Jahren] gesagt, es | |
werde da eine Demonstration vor dem Reichstag geben, bei der Hippies, Nazis | |
und Esoteriker einträchtig auf der Straße marschieren, wo ein veganer | |
Kochbuchautor Reden schwingen und eine Homöopathin Donald Trump als Erlöser | |
feiern würde, und alle zusammen würden den Bundestag stürmen, ehe sie dann | |
von drei Polizisten aufgehalten würden – also dazu fehlte mir die Fantasie. | |
Wir schaffen es ja auch gar nicht, genau zu umreißen, was das für eine | |
Szene ist. Dazu bedient sie sich viel zu wirr aus allen möglichen | |
Zutatentöpfen, um ihre Suppe zu kochen. Das sind Leute, die Yoga machen und | |
in germanische Heilkunde vertrauen. Sie glauben, dass Juden ein Medikament | |
gegen Krebs hätten und es den Deutschen nicht geben wollten. Und dann gehen | |
sie zum Tantraseminar ins ZEGG (Zentrum für Experimentelle | |
Gesellschaftsgestaltung). Diese Denkgerüste bieten einen fruchtbaren | |
Nährboden um rechts abzudriften – auch wenn nicht alle von denen neurechts | |
sind. Es handelt sich immer um Menschen, die rationale Erkenntnisse nicht | |
brauchen, um ihre Weltsicht zu begründen. | |
Vieles auf Ihrem Album ist autobiografisch. Im Song „Lauf davon“ berichten | |
Sie, wie Sie einmal nach Bordeaux abgehauen sind. | |
Der handelt von einem Zeitpunkt in meinem Leben, wo ich eigentlich sagen | |
konnte: Mir geht’s gut. Ich hatte einen Job, eine Wohnung, Freunde und | |
Familie. Aber alles war festgefahren. Dann habe ich einfach gekündigt – und | |
bin weggefahren. Ich dachte: Ich fang noch mal von vorne an. Der Anlass war | |
dann eher, dass es eben keinen Anlass gab. Mein Leben ist zu ikeamäßig | |
abgelaufen. | |
Waren Sie da schon Teil der Antilopen Gang? | |
Ja. Damals sind wir an Wochenenden durch die AZs getingelt. Eher wie eine | |
Kegelgruppe, das war noch kein Lebensentwurf wie heute. Nachdem ich | |
abgehauen bin, mussten die anderen ein Danger-Dan-Double heranziehen. Mein | |
Doppelgänger hat dann tatsächlich einige Konzerte anstelle von mir | |
gespielt. | |
Geht der Song „Ich verprügelte die Sextouristen in Bangkok“ auf einen | |
Aufenthalt in Thailand zurück? | |
Zum Komplex Militanz gehört eigentlich auch dieser Song. Er macht das Thema | |
viel plumper und stärker auf, und ich sage darin: „Es ändert nichts an der | |
Ausbeutung / Es kratzt nicht am Patriarchat“. Aber es gab da eben so einen | |
Abend, als ich und meine Reisebegleitung abgehauen sind, weil es uns zu | |
viel wurde. Es ist wirklich „politisch gesehen auch nur Quark“, sich mit | |
Sextouristen dort anzulegen, wie ich singe. Man muss über Strukturen | |
sprechen. Ganz am Ende ist man dann immer bei einer materiellen Kritik und | |
dass es darum gehen muss, Ausbeutungsverhältnisse komplett hinter sich zu | |
lassen. | |
Sie sind auf Ihrem neuen Album erstmals als Liedermacher am Piano zu hören. | |
Wie kam’s? | |
Mit dem Klavier habe ich eine On-/Off-Beziehung, bis ich zwölf Jahre alt | |
war, hatte ich Unterricht. Das, was ich lernen sollte, konnte ich meistens | |
nicht, aber ich habe mir „Let it be“ beigebracht. Als Rap kam, fand ich das | |
Klavier erst mal scheiße, später habe ich angefangen mit Reggae- und | |
Skinhead-Reggae-Bands zu spielen, da fand ich es wieder geil. In den | |
letzten zehn Jahren hatte ich es eingelagert. Mit Beginn der Pandemie fing | |
ich wieder zu spielen an. | |
Sind Ihre Stücke von Künstlern wie Georg Kreisler und Hannes Wader | |
inspiriert? | |
Ja, und Franz Josef Degenhardt wäre noch als Einfluss zu nennen. Der Song | |
„Ingloria Victoria“ ist wesentlich von Degenhardts Song „Befragung eines | |
Kriegsdienstverweigerers“ inspiriert. Und Bernies Autobahn Band! Die sind | |
nicht so bekannt, aber geil. | |
Mit dem Album könnten Sie nun noch mehr Hörer:innen erreichen, oder? | |
Ich könnte mir vorstellen, dass Eltern von Antilopen-Fans das auch mögen. | |
Aber es ist eh interessant: Sobald du dich auf eine Theaterbühne setzt und | |
mit dem Klavier spielst – das inhaltlich auch nicht provokativer ist als | |
zum Beispiel der Antilopen-Song „Atombome auf Deutschland“ – hören dir d… | |
Leute anders zu. | |
Vor allem in Deutschland. | |
Ja, in den USA natürlich nicht. Dort haben HipHop und Pop einen anderen | |
gesellschaftlichen Stellenwert. In Deutschland schwingen, glaube ich, noch | |
rassistische Stereotype mit. Wenn ein deutscher Talkshow-Moderator Rapper | |
persifliert, dann ahmt er auch gleich einen vermeintlich türkischen Akzent | |
nach. | |
In „Ingloria Victoria“ singen Sie über Ihr Gymnasium in Aachen, von dem Sie | |
geflogen sind. Eine Abrechnung? | |
Das auch. Zugleich formuliere ich Kritik am Bildungssystem. Meine Biografie | |
ist einfach von unglaublich vielen Misserfolgserlebnissen geprägt. Ich | |
kam mir immer defizitär vor, und es wurde mir auch so gesagt: Du hast da | |
Defizite. In der Victoria-Schule hatte ich das schlechteste Zeugnis, das | |
dort je ausgestellt wurde. Es hat dazu geführt, dass ich erst gar nicht | |
mehr versucht habe, mich in dem System zu verwirklichen. Aber wo wir dabei | |
sind: Einen würde ich gern von meiner Kritik ausnehmen, den Herrn | |
Schleifer. Der hat mehrmals das Gespräch mit mir gesucht. Ich glaube, er | |
ist taz-Leser. Den grüße ich hiermit lieb. Den Rest der Schule würde ich | |
trotzdem verteufeln. | |
22 Apr 2021 | |
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## AUTOREN | |
Jens Uthoff | |
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