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# taz.de -- Aktivistin über Nahostkonflikt: „Viel Wut hat sich angestaut“
> In Israel kommt es zu Unruhen zwischen jüdischen und muslimischen
> Israelis. Rula Daood berichtet aus der Stadt Lod, die nachts abgeriegelt
> ist.
Bild: In Lod kam es zu Zusammenstößen, nachdem ein 25-Jähriger erschossen wu…
taz: Rula, nicht nur der Konflikt zwischen Israel und der Hamas ist
eskaliert. Seit vergangener Woche herrscht auch eine explosive Stimmung
[1][in vielen israelischen Städten] mit gemischter jüdischer und arabischer
Bevölkerung. Sie leben in Lod, wo ein arabischer und ein jüdischer Mann bei
Zusammenstößen getötet wurden. Wie ist die Situation?
In den letzten zwei Tagen sind organisierte bewaffnete Gruppen von Siedlern
in die Stadt eingedrungen, etwa aus der Siedlung Izhar im Westjordanland.
Sie heizen die Spannung an, und die Polizei unternimmt nichts dagegen.
Gleichzeitig gibt es Massenfestnahmen junger arabischer Israelis. Die
Polizei steht an jeder Straßenecke. Eine Anwältin von Standing Together hat
von palästinensischen Israelis erzählt, die festgenommen und geschlagen
wurden und davon abgehalten werden, ihre Anwälte zu treffen. Abends kann
man in die Stadt nicht mehr rein oder raus. Für einige Tage waren sämtliche
Geschäfte geschlossen.
Wer sind die palästinensischen Israelis, die festgenommen werden?
Zumeist junge Männer und Frauen, die politisch aktiver sind als die
vorherige Generation und keine Angst mehr haben, auf die Straße zu gehen.
Wir haben allerdings nicht nur Gewalt von Siedlern oder der Polizei gegen
palästinensische Israelis gesehen, sondern auch andersherum. In Umm al-Fahm
wurde eine jüdische Familie mit Kindern angegriffen.
Wir von Standing Together sprechen uns gegen jede Form von Gewalt aus. Wir
versuchen sichtbar zu machen, was hier passiert. Das größte [2][Problem ist
die rechte Regierung], die wir in Israel schon so lange haben. Sie gibt der
noch extremeren Rechten Macht. Das hat uns an den Punkt gebracht, an dem
wir heute sind.
Wieso kommt dieser Gewaltausbruch jetzt?
Die israelischen Behörden [3][drohen seit einem Monat, palästinensische
Familien im Ortsteil Sheikh Jarrah in Ostjerusalem aus ihren Häusern
zwangszuräumen,] weil Siedler darauf Anspruch erheben. In der Knesset
sitzen seit der letzten Wahl (im März, d. Red.) außerdem sogenannte
ultrarechte jüdische Kahanisten. Sie kamen nach Sheikh Jarrah, brachten
gewaltbereite Leute mit und propagierten, dass dies ihr Land sei. Dann
hielt die israelische Polizei auch noch an einem der höchsten Feiertage des
Ramadan Muslime davon ab, auf das Gelände der Al-Aksa-Moschee zu kommen. Es
war offensichtlich, dass es eskalieren würde. Die Rechte, angeführt von
Netanjahu, tanzt zum Rhythmus des Krieges. So kann sie Araber und Juden
weiter spalten.
Ihr habt Standing Together 2015 gegründet, ebenfalls zu einer Zeit der
Gewalt.
Ja, während der sogenannten Messer-Intifada …
… in der Palästinenser mit Messern Israelis angriffen. Mehr als 30
Israelis haben ihr Leben verloren und 200 Palästinenser wurden von
israelischen Sicherheitskräften getötet.
Es gab so viel Hass und Gewalt und keine Kraft, die dagegen anging. Da
haben wir, ein Haufen Aktivist*innen, uns zusammengesetzt und diese
jüdisch-arabische Bewegung gegründet, die jetzt mehr als 3.000 zahlende
Mitglieder hat. Und auch jetzt, während des Krieges, sagen Tausende
Menschen, dass wir keinen Krieg und keine Besatzung wollen.
Sind die Ursachen der aktuellen Unruhen überall gleich?
Der Hauptgrund ist derselbe. Nach Jahren der Diskriminierung hat sich viel
Wut aufgestaut. Die Mechanismen des Drucks gegen die palästinensischen
Israelis sind aber unterschiedlich. In Lod etwa ist der Bürgermeister
religiöser Zionist. Er setzt Siedler in dicht besiedelte arabische
Nachbarschaften. In Jaffa werden staatseigene Häuser, in denen arabische
Familien zur Miete wohnen, zum Verkauf angeboten, was zur Zwangsräumung
führt.
Die Hamas ist auf die Proteste aufgesprungen, um an Popularität auch unter
palästinensischen Israelis zu gewinnen, und hat mit dem Raketenbeschuss
begonnen. Die Kämpfe, die international große Unterstützung gefunden
hatten, sind so aus dem Fokus verschwunden. Sind arabische Israelis nicht
wütend?
Wir Palästinenser*innen in Israel, im Gazastreifen und im
Westjordanland verstehen uns als zusammengehörig. Aber meine Realität ist
eine andere als die in Gaza, und wir palästinensischen Israelis haben
gemischte Gefühle. Wenn Hamas Raketen abschießt, schießt sie die ja auch
auf mich. Einige arabische Israelis betrachten Hamas als Widerstandsgruppe,
andere nicht.
## War das friedliche Zusammenleben zwischen jüdischen und arabischen
Israelis die ganze Zeit eine Illusion?
Nein. Es gibt unterschiedliche Perioden. Während eines Krieges ist es sehr
leicht zu polarisieren. Und dennoch haben wir, Tausende von Menschen, uns
entschieden, zusammenzustehen und gleiche Rechte für alle zu fordern. Wenn
eine Bevölkerungsgruppe eine andere besetzt, ist niemand wirklich frei. Ich
glaube, die Menschen, die keinen Krieg und keine Besatzung wollen, stellen
immer noch die Mehrheit.
21 May 2021
## LINKS
[1] /Schwere-Krise-in-Israel/!5767361
[2] /Regierungsbildung-in-Israel/!5770259
[3] /Auseinandersetzungen-in-Israel/!5766297
## AUTOREN
Judith Poppe
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