# taz.de -- Waldprotest im Ammerland: Baumbesetzung gegen Autobahn | |
> Zwölf Aktivisten kampieren in den „Garnholter Büschen“ im | |
> niedersächsischen Ammerland, um gegen den Bau der Küstenautobahn A20 zu | |
> protestieren. | |
Bild: Ende der Besetzung: Ein Polizist baut eine Konstruktion der Aktivisten ab | |
HAMBURG taz | Eine Gruppe von zwölf Menschen läuft über einen | |
grasbewachsenen Waldweg im Ammerland. Fast alle tragen medizinische Masken. | |
Die Bäume und Sträucher am Wegesrand sind in den verschiedenen Grüntönen | |
des Frühlings gefärbt, zahlreiche Blumen blühen am Boden. So zeigt es ein | |
Video auf YouTube. Was aussieht wie ein Spaziergang in Zeiten von Corona, | |
ist eigentlich Teil des Protests gegen den Bau der geplanten [1][Autobahn | |
A20]. | |
In der letzten Woche hatten Aktivist*innen begonnen die „Garnholter | |
Büsche“, einen Wald östlich von Westerstede im Ammerland, zu besetzen. | |
Dieser Wald wird bereits durch die Autobahn A28 geteilt und soll in Zukunft | |
für den Bau der A20 teilweise gerodet werden. Um das zu verhindern, hatten | |
Aktivist*innen im Wald mit dem Bau von Baumhäusern begonnen. | |
Die A20 führt vom Kreuz Uckermark in Brandenburg, an Lübeck und Rostock | |
vorbei, bis Bad Segeberg in Schleswig-Holstein. Von dort soll sie in | |
Zukunft bis zur A28 bei Oldenburg in Niedersachsen verlängert werden – | |
genau bis zu dem Wald, den die Aktivist*innen besetzt haben. Für den | |
Ausbau ist zudem ein neuer Elbtunnel südöstlich von Glückstadt geplant. | |
Der 217 Kilometer lange Neubau ist eines der größten Autobahnprojekte | |
Deutschlands und seit Jahrzehnten umstritten. Neue Autobahnen stoßen in | |
Zeiten der Klimakrise vermehrt auf Widerstand, wie der Protest gegen die | |
A49 im Dannenröder Wald gezeigt hat. | |
## Angreifbares Projekt | |
Die A20 ist besonders angreifbar, denn sie würde nicht nur parallel zur | |
bestehenden A1 verlaufen, weshalb ihre verkehrliche Notwendigkeit in Frage | |
gestellt wird. Sondern die geplante Neubaustrecke soll zudem durch | |
[2][mooriges Marschland, Mischwälder und Wasserschutzgebiete führen], die | |
für den Klima- und Naturschutz wertvoll sind. Laut der Aktivist*innen | |
betrifft das rund 80 Prozent der Strecke, die Autobahn GmbH spricht von | |
rund 31 Prozent. | |
Am Samstag erhielt die örtliche Polizei Hinweise auf eine mögliche | |
Protestaktion gegen den Bau der geplanten Autobahn: die Besetzung der | |
Garnholter Büsche. Nach Aufforderung der Polizei verließen die | |
Besetzer*innen am Nachmittag den Wald. | |
Die Polizei stellte ihre Personalien fest, denn das Zelten in freier | |
Landschaft ist nicht erlaubt. Spezialeinheiten der Polizei entfernten am | |
Sonntag dann die Bauten der Aktivist*innen. Anzeige wollen die Besitzer des | |
Waldes nicht erstatten, sagten sie der taz am Telefon. Zu strafbaren | |
Handlungen kam es nach Polizeiangaben nicht. | |
„Wir wollten mit der Erstbesetzung darauf aufmerksam machen, dass die | |
Autobahn gar nicht gebaut werden darf“, erzählt der Aktivist „Rübe“ am | |
Telefon. „In Zeiten der Klimakrise eine Autobahn durch Wälder und Moore zu | |
bauen, ist nur absurd“, findet er. „Besonders weil wir eine Verkehrswende | |
brauchen.“ Das heiße vor allem: mehr Verkehr auf die Schiene und weniger | |
Autoverkehr. | |
Moore sind wichtige CO2-Speicher. Laut der Umweltschutzorganisation BUND | |
binden Moore weltweit doppelt so viel CO2 wie alle Wälder zusammen. Wenn | |
Moore trocken gelegt werden, entweicht das Treibhausgas. Aus entwässerten | |
Mooren in Deutschland gelangen so jährlich rund 45 Millionen Tonnen CO2 in | |
die Atmosphäre, rund fünf Prozent der jährlichen Gesamtemissionen. | |
Mooriger Grund stellt zudem ein bautechnisches Risiko dar. Dies treibt die | |
Kosten beim Bau der Autobahn in die Höhe. Aus einer Kleinen Anfrage der | |
Linksfraktion im Bundestag im April geht hervor, dass die Kosten aktuell | |
auf rund 5,2 Milliarden Euro taxiert werden, rund eine Milliarde Euro mehr | |
als bisher genehmigt. | |
Nach der Räumung im Wald haben die Aktivist*innen begonnen auf einer | |
Wiese eines A20-Gegners ein Camp zu errichten. Auch die Wiese liegt auf der | |
geplanten Trasse der „Küstenautobahn“, wie der A20-Abschnitt in | |
Niedersachsen genannt wird. Neben zwei Birken, die mitten auf der freien | |
Fläche stehen, sind einige Zelte aufgebaut, so zeigen es Bilder im Netz. | |
Seit Montagnachmittag ist das Camp als Mahnwache angemeldet. Es soll | |
Anlaufpunkt für weitere Aktivist*innen sein, ein Ort zum Schlafen und | |
Kochen. | |
## Klage gegen die Genehmigung | |
Uwe Schmidt, Sprecher des [3][Bündnisses „A20 Nie“], das sich bereits seit | |
Jahren gegen den Bau der Autobahn wehrt, begrüßte das Engagement der | |
Besetzer*innen. „Ich finde das gut, dass die jungen Leute sich für ihre | |
Zukunft einsetzen“, erzählt er am Telefon. „Da müssten noch viel mehr | |
aufstehen und sich wehren.“ | |
Für den ersten Bauabschnitt gibt es zwar schon einen | |
Planfeststellungsbeschluss, also quasi eine Baugenehmigung. Allerdings wird | |
dagegen geklagt. Die Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in | |
Leipzig soll Anfang Dezember stattfinden. Nach „Ausräumung von Klagen“ | |
könnte hier laut der Autobahn GmbH noch im laufenden Jahr mit dem Bau | |
begonnen werden. Die bundeseigene GmbH hat Anfang des Jahres die Planung, | |
den Bau und die Verwaltung der Autobahnen in Deutschland übernommen. | |
Zwischen den Besetzer*innen und den Eigentümern des Waldes gibt es | |
Gespräche. Weitere Details wollen die beiden Seiten dazu nicht preisgeben. | |
Es ist aber zu erwarten, dass es weitere Aktionen und Besetzungen gegen den | |
Bau der A20 geben wird. Die Polizei will die Entwicklung der Lage | |
beobachten und ihre „Vorgehensweise entsprechend abstimmen“. | |
19 May 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Studie-zur-geplanten-Kuestenautobahn-A20/!5738984 | |
[2] /Geplante-Kuestenautobahn-A20/!5739046 | |
[3] https://www.a20-nie.de/ | |
## AUTOREN | |
Jannis Große | |
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