# taz.de -- Besuch in A20-Protestcamp bei Oldenburg: „Ein Ort für ein andere… | |
> In Westerstede harren Gegner:innen der Autobahn 20 auch im Winter auf | |
> einer nassen Wiese aus. Sie wollen die Zerstörung von Mooren verhindern. | |
Bild: Gekauft sind nur die Wohnwagen: Camp der A20-Gegner:innen in Westerstede … | |
Westerstede taz | Der Wind pfeift über die freien Wiesen, aber immerhin | |
scheint die Sonne auf das Protestcamp. In den vergangenen Wochen hat das | |
Wetter den A20-Gegner*innen ziemlich zugesetzt, regelmäßiger Sturm hat | |
Zelte beschädigt. Ein paar Aktivist*innen räumen nun den Vorrat an | |
Baumaterialien auf – auch um damit an weiteren Hütten und der Infrastruktur | |
für das Camp zu bauen. | |
Die Wiese liegt nahe Oldenburg im Landkreis Ammerland, genauer gesagt in | |
der Gemeinde Westerstede. Dort soll nach Plänen des | |
Bundesverkehrsministeriums in den nächsten Jahren die sogenannte | |
[1][„Küstenautobahn“] entstehen, die die Nord- und Ostseeregionen | |
miteinander verbinden soll, von der polnischen Grenze bis zur A28, die in | |
die Niederlande führt. | |
Doch da gerade der niedersächsische Teil des geplanten Großprojekts durch | |
viele Moorgebiete führt, regt sich Widerstand. Die Umweltschutzorganisation | |
BUND und lokale Bürger*inneninitiativen gehen seit Jahren | |
[2][juristisch gegen den Autobahnneubau] vor, im Mai 2021 kam das | |
Protestcamp hinzu. Hauptkritikpunkt der Klimaschützer*innen ist die | |
[3][Zerstörung der Moore], weil dadurch besonders große Mengen CO2 | |
freigesetzt würden. Moore trockenzulegen ist fürs Klima sogar schlimmer als | |
Wälder zu roden. | |
Das Camp liegt auf dem Grundstück eines Bauern, der den Protest | |
unterstützt. Kommt die Autobahn, droht ihm die Enteignung. Auf der Wiese | |
stehen Zelte, alte Wohnwagen und selbst gebaute Holzunterstände. Der Boden | |
ist matschig oder steht komplett unter Wasser. Um zumindest Teile des Camps | |
trockenen Fußes zu erreichen, wurden aus alten Holzpaletten Stege gebaut | |
und das Wichtigste wind- und wasserfest verstaut. | |
## Nur ein warmes und trockenes Zelt | |
Die dauerhafte Feuchtigkeit führe im Camp sogar zu Schimmel an nicht | |
eingepackter Kleidung, erzählen die Bewohner*innen vor Ort. Der einzig | |
halbwegs warme und trockene Ort während der Wintermonate ist ein großes | |
Zelt im Eingangsbereich, dort verbringen sie die langen Abende gemeinsam. | |
Warum die Aktivist*innen trotzdem hier ausharren, erläutert Julia | |
Herbst. „Was bringt es mir, jedes Wochenende feiern zu gehen, wenn ich | |
weiß: Die Welt geht kaputt“, fragt die junge Frau, die seit mehreren | |
Monaten im Camp lebt. „Hier kann ich etwas gegen diese Zerstörung tun.“ Sie | |
findet es unverantwortlich, dass in der Klimakrise überhaupt weitere | |
Autobahnen gebaut werden – der Bau im Moor mache die A20 zum „teuersten und | |
klimaschädlichsten Infrastrukturprojekt in Deutschland“. | |
Laut einer [4][Studie des BUND] betragen die Baukosten rund sieben | |
Milliarden Euro, etwa doppelt so viel, wie im Bundesverkehrswegeplan | |
veranschlagt. | |
Außerdem kritisiert auch der BUND, dass etwa die Hälfte der geplanten | |
Strecke zwischen Westerstede und Bad Segeberg über Moorgebiete verläuft, | |
auf etwa 2.000 Hektar. Zusätzlich zu den CO2-Emissionen durch die | |
Zerstörung der Moore würden durch die neue A20 jährlich rund 50.000 Tonnen | |
CO2 emittiert. Statt Milliarden für den Autobahnbau fordert der | |
BUND-Vorsitzende Olaf Bandt die Politik auf, „in eine zukunftsfähige | |
Verkehrsinfrastruktur zu investieren“, also etwa in den Ausbau von Bus- und | |
Bahnverkehr. | |
Die regionalen Wirtschaftsverbände sehen das ganz anders. In einer | |
gemeinsamen Erklärung fordern die norddeutschen Industrie- und | |
Handelskammern, das geplante Autobahnprojekt fortzuführen. Sie verweisen | |
auf notwendige Autobahnanbindungen der niedersächsischen Nordseehäfen, | |
damit diese konkurrenzfähiger werden. | |
## Hierarchiefrei und nachhaltig | |
Die Lokalpolitik im Landkreis Ammerland erhofft sich außerdem von der neuen | |
Autobahn eine Entlastung der Dörfer, indem der Verkehr auf die Autobahn | |
umgeleitet wird. | |
Die Autobahngegner*innen sehen in dem Camp mehr als den Versuch, eine | |
Autobahn zu verhindern: „Das Camp bietet auch den Ort für ein anderes | |
Leben“, erklärt Herbst. Konkret bedeutet das: Es gibt keine Hierarchien. | |
Entscheidungen fallen im Plenum, dort werden auch Aufgaben verteilt. Es | |
wird für alle gekocht und zusammen gegessen. Sie wollen ein Leben führen, | |
dass nachhaltig ist und bei dem nicht alles von Geld abhängig ist. | |
Die Lebensmittel sind gerettet, das Baumaterial wurde andernorts | |
aussortiert. Die Wohnwagen gehören zu den wenigen gekauften Dingen im Camp. | |
Da der Winter in einem Moorgebiet nicht nur kalt, sondern auch sehr windig | |
und nass ist, wollten die Bewohner:innen für das Übernachten zumindest | |
ein klein wenig Schutz. | |
Wie es weitergeht, hängt von einer Klage des BUND und eines Bauern gegen | |
den Planfeststellungsbeschluss des ersten Bauabschnitts der A20 ab. Das | |
Bundesverwaltungsgericht will Ende Mai entscheiden. Vorher wird es wohl zu | |
keiner Enteignung kommen – und damit auch nicht zur Räumung. | |
3 Mar 2022 | |
## LINKS | |
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[4] /Studie-zur-geplanten-Kuestenautobahn-A20/!5738984 | |
## AUTOREN | |
Fabian Steffens | |
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