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# taz.de -- Deutsche Flüchtlingspolitik: Praktisch im Stich gelassen
> Bundesinnenminister Horst Seehofer fürchtet steigende Migrationszahlen.
> Dabei könnte Deutschland viel mehr Menschen aufnehmen.
Bild: Geflüchtete werden auf dem Mittelmeer gerettet, 19. Februar 2021
Wer sich [1][Covid-19 einfängt], könnte es erst einmal ruhiger angehen
lassen. Nicht so Horst Seehofer. Der klagte an seinem ersten
Quarantäne-Morgen, es zeichne sich ab, [2][„dass die Migrationszahlen
wieder deutlich steigen“.] Er werde mit seiner Fraktion über zusätzliche
Maßnahmen gegen die irreguläre Migration reden.
Als die CSU noch der Meinung war, die AfD rechts überholen zu müssen, hatte
Seehofer ein Riesentheater veranstaltet, um eine – grundgesetzwidrige –
„Obergrenze“ für Flüchtlinge durchzusetzen. Das Ende vom Lied war eine
Klausel im Koalitionsvertrag der Groko, laut der die Neuaufnahmen pro Jahr
eine „Spanne von [3][180.000 bis 220.000 nicht überschreiten]“ sollen.
„Diese Zahl ist verkraftbar, und da funktioniert auch die Integration“,
sagte Seehofer damals.
Wie sieht es heute aus? Nach den jüngsten Zahlen des
[4][Ausländerzentralregisters] lebten 2020 gerade mal 36.000 Geflüchtete
mehr in Deutschland als im Vorjahr – gut ein Sechstel dessen, was Seehofer
für „verkraftbar“ erklärt hat. Auch nach den Maßstäben eines
Innenministers, der sich über [5][69 abgeschobene Afghanen am 69.
Geburtstag] freut und Migration für die [6][„Mutter aller Probleme“] hält,
wäre also noch reichlich Luft für humanitäre Aufnahmen.
Und seit Anfang Mai sind etwa 75 Menschen im Mittelmeer ertrunken, seit
Januar mindestens 667, dazu wurden etwa 7.000 Menschen von Libyens
Küstenwache eingefangen und zurück in Lager gebracht. Wer es nach Italien
schafft, kommt in Quarantäne-Schiffe. Die Regierung in Rom arbeitet an
einem Abkommen mit dem Bürgerkriegsland Libyen nach dem Vorbild des
EU-Türkei-Deals.
Seit 2018 hatte die Bundesregierung Italien immer wieder in Aussicht
gestellt, einen spürbaren Teil der aus Seenot Geretteten abzunehmen. Doch
seit Anfang 2020 hat Deutschland ganze 246 gerettete Schiffbrüchige
freiwillig aus Italien aufgenommen. In der gleichen Zeit sind 47.000
Menschen in dem Land angekommen.
Am Dienstag nun war Bundesaußenminister Heiko Maas in Rom, um mit dem
italienischen Außenminister Luigi Di Maio über das Thema zu sprechen. „Wir
sind grundsätzlich der Auffassung, dass man Italien nicht alleine lassen
kann mit dieser Situation“, sagte Maas. Konkrete Zahlen nannte er nicht. Er
müsse zunächst mit dem Innenministerium über das Thema sprechen. Das
Ergebnis dürfte sein: „Grundsätzlich“ wird Italien nicht im Stich gelasse…
Praktisch schon.
14 May 2021
## LINKS
[1] /Aktuelle-Nachrichten-in-der-Coronakrise/!5770775
[2] /Rueckzug-aus-aktiver-Politik/!5770939
[3] /Seehofers-Zuwanderungskorridor/!5521803
[4] https://www.linksfraktion.de/themen/nachrichten/detail/zahl-der-gefluechtet…
[5] /Nach-Aeusserung-zu-Abschiebungen/!5522734
[6] /Innenminister-Seehofer-zu-Migration/!5533764
## AUTOREN
Christian Jakob
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