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# taz.de -- Tierschutzskandale in Niedersachsen: Eine Schweinerei
> Ein Landwirt im niedersächsischen Ohne lässt Tiere qualvoll verrecken.
> Tierschützer filmen ihn. Wieder ein Einzelfall. Oder doch System?
Bild: Bei sechs Schweinemästern haben die Tierschützer Verstöße gefilmt
Hannover taz | Oft bekäme er Hinweise ja von den Beschäftigten selbst, hat
[1][„Soko Tierschutz“-Gründer Friedrich Mülln] in einem Interview einmal
erzählt. Weil selbst die manchmal nicht mehr aushalten, was sie in den
Ställen, Schlachthöfen und Laboren sehen.
Es ist seit Jahren das gleiche Spiel: Immer wieder decken Organisationen
wie das Deutsche Tierschutzbüro oder die Soko Tierschutz katastrophale
Zustände in Ställen und Schlachthöfen auf. Aktuell wird bei mindestens
sechs [2][verschiedenen Schweinemästern] ermittelt. Oft geht es um
Nottötungen, also um Tiere, mit denen selbst beim schlechtesten Willen kein
Geld mehr zu verdienen sein sollte.
Das erinnert fatal an die großen [3][Schlachthofskandale wie in Bad Iburg]:
Da ging es um Rinder, die eigentlich nicht mehr geschlachtet werden durften
– die juristische Aufarbeitung ist immer noch nicht abgeschlossen, die
Konsequenzen sind gleichwohl überschaubar.
Kurz nach Bad Iburg habe man in Düdenbüttel im Landkreis Stade einen
kleineren Schlachthof mit einem ähnlichen Geschäftsmodell bloßgestellt,
sagt Mülln. Von öffentlichen Gerichtsverhandlungen, Strafen oder Sanktionen
wüsste er aber nichts. Mittlerweile wird der Schlachthof wohl im Namen der
Ehefrau weiterbetrieben.
## Die Verstöße bleiben oft straffrei
Es sind große Namen und große Verdiener, die am Ende dieser Ketten stehen:
Wiesenhof, Tönnies, Vion, Westfleisch. Und es ist natürlich kein Zufall,
dass diese Namen auch in der Coronakrise immer wieder auftauchen, wenn es
um Massenausbrüche, prekäre Arbeits- und Wohnverhältnisse geht.
Warum – fragt die niedersächsische Grünen-Abgeordnete Miriam Staudte –
beginnt man denn da nicht einmal mit der Gewinnabschöpfung, wie man es bei
der sogenannten Clan-Kriminalität ja neuerdings erfolgreich praktiziere?
Tierschutzrecht bestehe bisher vor allem auf dem Papier, lautet das bittere
Fazit des Wirtschaftsstrafrechtlers Jens Bülte von der Universität
Mannheim: Es wird kaum kontrolliert und noch viel weniger sanktioniert. Von
einer „faktischen Straflosigkeit institutionalisierter Agrarkriminalität“
spricht er.
## In der Pflicht sind immer die anderen
Das liegt auch an der organisierten Verantwortungslosigkeit, mit der hier
jeder mit dem Finger auf den anderen zeigt. Die niedersächsische
Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast sieht ihre Berliner
CDU-Kollegin Julia Klöckner oder die EU in der Pflicht, Klöckner findet,
die Länder könnten ihre Möglichkeiten ja erst einmal ausschöpfen und
verweist im Übrigen auch gern auf Brüssel. Europa wirft wiederum
Deutschland vor, nicht einmal bestehende Richtlinien einzuhalten und steckt
ansonsten in einem hoffnungslosen Spagat fest zwischen den nordeuropäischen
Ländern mit – zumindest auf dem Papier – hohen Tierschutzstandards und ost-
und südeuropäischen Ländern, die davon nichts wissen möchten.
Gleichzeitig fördert die Subventionspraxis munter riesige, einseitig
spezialisierte Höfe statt auf regionale Kreisläufe zu setzen. Wobei die
auch nur theoretisch besser zu kontrollieren sind – man müsste es halt auch
tun.
Otte-Kinast setzt derweil weiterhin auf Arbeitskreise aller Art, spricht
herzerwärmend über arme, überforderte Landwirte, verdrückt im Landtag sogar
ein paar Tränen, als vom Schweine-Stau die Rede ist – am Ende kommt dabei
eine Politik heraus, die eher die Interessen der Konzerne bedient. Die Rede
von den Familienbetrieben um die Ecke verdeckt, dass das Problem eigentlich
im brutalen Preisdruck und der industriellen Massentierhaltung liegt.
## Niedersachsen wird nicht zufällig zum Schlupfloch
Das ließ sich auch bei der jüngsten [4][Debatte um Transporte nach
Nordafrika] wieder hübsch beobachten. „Schluss mit dem Kuh-Tourismus“,
forderte die empörte Landwirtschaftsministerin – als ob die Tiere die
tagelange Reise per Lkw und Schiff auf sich nehmen würden, um sich in
Marokko in die Sonne zu legen.
Tatsächlich war zumindest ein Teil der Tiere von Bayern aus auf die Reise
nach Aurich geschickt worden – um dann wieder gen Süden transportiert zu
werden. Das ist so offensichtlich unsinnig, das es dann mal wieder für
Empörung sorgt.
Dabei hat Deutschland 2020 rund 37.000 Rinder lebend in Drittländer
exportiert, was so gut wie immer bedeutet, dass deutsche Veterinäre ihren
Stempel in ein Fahrtenbuch machen, ohne wirklich kontrollieren zu können,
dass die Tiere unterwegs ordnungsgemäß versorgt werden – obwohl sie das
nach EU-Recht müssten.
Und es ist natürlich kein Zufall, dass solche Transporte bevorzugt in
Niedersachsen angemeldet werden: Erst im Februar hatte das [5][NDR-Magazin
„Panorama“ einen Fall aufgedeckt], bei dem die Auricher Veterinäre einen
Transport durchgewunken hatten, obwohl die Fahrtzeiten nicht stimmten und
auch kein zweiter Fahrer eingetragen war.
Auf der anderen Seite der fatalen Nahrungskette stehen dann die
Verbraucher, die es oft nicht so genau wissen möchten, aber auch nicht so
viele Möglichkeiten haben, an der Kasse abzustimmen: Das Bio-Angebot in den
meisten Supermärkten ist eher mau, es fehlt an guten Siegeln und
transparenten Bedingungen –, wer „anständiges“ Fleisch kaufen will, muss
zusätzliche Wege und umfangreiche Recherchen auf sich nehmen. Da ist es am
Ende vielleicht doch leichter, Vegetarier zu werden.
Mehr über Tierschutzverstöße in der Landwirtschaft lesen Sie im
Wochenendschwerpunkt der taz nord in der gedruckten taz am wochenende oder
[6][hier]
14 May 2021
## LINKS
[1] /Nominierte-2018-V-SOKO-Tierschutz/!166903/
[2] /Quaelerei-in-Schweinebetrieb/!5735235
[3] /Prozess-nach-grossem-Tierschutzskandal/!5751810
[4] /Verwaltunsggericht-erlaubt-Transport/!5766310
[5] https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/panorama3/Fragwuerdige-Rindertranspo…
[6] /e-kiosk/!114771/
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
SOKO Tierschutz
Tierschutz
Deutsches Tierschutzbüro
Initiative Tierwohl
Barbara Otte-Kinast
Landwirtschaft
Schlachthof
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Vechta
NDR
Kolumne Flimmern und Rauschen
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