# taz.de -- Urteil über Wasserentnahme: Gericht dreht Wiesenhof den Hahn zu | |
> Eine Großschlachterei im Kreis Vechta schöpft riesige Mengen Grundwasser | |
> ab. Ein Gericht urteilt nun: Die Erlaubnis zur Entnahme war rechtswidrig. | |
Bild: Sieht nicht sonderlich schmackhaft aus und verbraucht Unmengen Wasser: Da… | |
Göttingen taz | Umweltschützer können sich freuen: Das Verwaltungsgericht | |
Oldenburg hat am Montag einer Klage des Naturschutzbundes Nabu in | |
Niedersachsen gegen den Landkreis Vechta stattgegeben. Der Landkreis hatte | |
der Großschlachterei Oldenburger Geflügelspezialitäten (OGS) 2018 offenbar | |
ohne ausreichende Prüfung die Förderung großer Mengen Grundwassers | |
gestattet. | |
Nach Ansicht des Gerichts war diese Genehmigung jedoch fehlerhaft. Das | |
Urteil kann dementsprechend auch Auswirkungen auf die Zahl der Hühner | |
haben, die in dem Betrieb geschlachtet werden dürfen. Die Richter ließen | |
eine Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht zu, das Urteil (Az. 1 A | |
2118/18) ist deshalb noch nicht rechtskräftig. | |
Die OGS gehört zur PHW-Gruppe. Das größte Unternehmen der | |
Geflügelwirtschaft in Deutschland ist vor allem durch die Marke „Wiesenhof“ | |
bekannt. PHW/Wiesenhof geriet in den vergangenen Jahren wiederholt in die | |
Kritik, da es bei Subunternehmen zu Tierquälerei gekommen sein soll. | |
Außerdem wird dem Konzern vorgeworfen, osteuropäische Arbeiter | |
auszunutzen und Raubbau an Grundwasservorräten zu betreiben. | |
Der Schlachtbetrieb OGS entnimmt, wie vom Landkreis genehmigt, jedes Jahr | |
bis zu 250.000 Kubikmeter Grundwasser aus zwei Brunnen in Brägel bei Lohne. | |
Weitere 550.000 Kubikmeter pro Jahr kommen aus dem Gebiet Grevingsberg – | |
diese waren aber nicht Gegenstand der Nabu-Klage. | |
## Behörden sollen auf Sparsamkeit achten | |
Dem Gericht zufolge hat der Kreis Vechta nicht ausreichend dargelegt, wofür | |
das Unternehmen das Wasser aus Brägel braucht. OGS habe im Antrag an den | |
Landkreis zwar die vorgeschriebene Wasserbedarfsprognose für den eigenen | |
Schlachtbetrieb ausreichend dargestellt, allerdings sei pauschal | |
angegebener Wasserbedarf für die ebenfalls zum PHW/Wiesenhof-Konzern | |
gehörende und benachbarte Firma Allfein nicht ausreichend begründet worden. | |
Konkret sieht das Gericht eine fehlerhafte Ausübung des sogenannten | |
wasserrechtlichen Bewirtschaftungsermessens durch den Landkreis, wie ein | |
Justizsprecher erläuterte. Insbesondere habe das Gericht nicht feststellen | |
können, dass der Landkreis sich einen vollständigen und zutreffenden | |
Überblick über den Zweck und den Umfang der beantragten Wasserentnahmemenge | |
gemacht habe. Im Klartext: Der Kreis hat dem Antrag des Schlachtbetriebs | |
auf Wasserentnahme quasi ungeprüft stattgegeben. | |
Der klagende Nabu hatte unter anderem bemängelt, dass die Region | |
austrockne, wenn der Geflügelschlachter so viel Grundwasser entnimmt. Den | |
Umweltverband hätten zu seiner Klage „massive Sorgen um benachbarte | |
Moorflächen“ bewegt, sagte der Vorsitzende des Nabu-Kreisverbandes Vechta, | |
Ludger Frye. | |
Das Naturschutzgebiet Südlohner Moor und das Brägeler Moor seien „einer | |
drohenden Wasserarmut ausgesetzt“: Dies sei nicht nur für den wichtigen | |
Lebensraum seltener Tiere und Pflanzen, sondern ganz besonders auch in | |
Zeiten des Klimawandels unverantwortlich. Der Nabu will nun umgehend beim | |
Landkreis eine Teilaussetzung der Wasserförderung in Brägel beantragen. | |
## 380.000 Geflügel – pro Tag | |
Nabu-Anwalt Henning Bahr wertet das Oldenburger Urteil als großen Erfolg. | |
„Der Landkreis Vechta wird sich nun überlegen müssen, ob es in der | |
umweltrechtlichen Praxis ausreicht, eingereichte Unterlagen aus der | |
Wiesenhof-Gruppe einfach nur abzuhaken“, sagte er. | |
Der Landkreis will einem Sprecher zufolge aber zunächst keine Konsequenzen | |
aus dem Richterspruch ziehen. Die jetzt gekippte Genehmigung sei nicht | |
nichtig, sondern bestehe bis zur Rechtskraft des Urteils fort, hieß es. Die | |
Kreisverwaltung werde allerdings erst nach Zustellung und Lektüre des | |
Urteils Rechtsmittel prüfen. | |
Nach Angaben des Landkreises beläuft sich die Zahl der genehmigten | |
Schlachtungen für OGS derzeit auf 380.000 Stück Geflügel pro Tag. Das gilt | |
für die Entnahmemenge von 800.000 Kubikmeter Grundwasser pro Jahr aus den | |
Brunnen. Ob – und gegebenenfalls wie viele – nach Inkrafttreten des Urteils | |
weniger Hühner geschlachtet werden, ist unklar. Die PHW-Gruppe wollte sich | |
auf Anfrage nicht zu dem Urteil äußern. „Wir sind keine | |
Prozessbeteiligten“, erklärte ein Sprecher. | |
17 Dec 2022 | |
## AUTOREN | |
Reimar Paul | |
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