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# taz.de -- Verwaltunsggericht erlaubt Transport: Von Aurich nach Marokko
> In Aurich wurden trächtige Rinder für einen Transport nach Marokko
> abgefertigt. Agrarministerin Barbara Otte-Kinast konnte es nicht
> verhindern.
Bild: Auf dem Weg nach Marokko: Kühe in Südfrankreich. Tierschützer fordern …
Osnabrück taz | Aurichs Stadtteil Schirum ist nicht gerade als Schauplatz
internationaler Politik bekannt. Jedenfalls war das bis vor Kurzem so. Doch
in Aurich-Schirum liegt das Viehvermarktungszentrum des Vereins
Ostfriesischer Stammviehzüchter (VOST), und was dort in den vergangenen
Tagen geschah, wirft Fragen auf, deren Antworten sich in Hannover und
Berlin finden, bei Land und Bund. Und bei der EU.
Es geht um 302 Rinder, einige davon trächtig. 270 davon wurden am
Mittwochvormittag nach Marokko abgefertigt. 32, die ursprünglich auch für
Marokko bestimmt waren, wurden nach Belgien transportiert. „Alle Tiere sind
weg“, bestätigt Nikolai Neumayer, Sprecher des Landkreises Aurich. „Wie es
mit solchen Transporten jetzt grundsätzlich weitergeht, weiß ich nicht.“
Wegen des Tierschutzes.
Seit 2011 werden von Aurich-Schirum aus Rinder exportiert, in das
EU-Ausland und in Drittländer. „Wir legen sehr viel Wert darauf, dass das
Tierwohl zu jeder Zeit gewährleistet ist“, verspricht der VOST. Aber als
das Langstrecken-Endziel Marokko bekannt wird, und dass 32 Tiere aus dem
bayerischen Bayreuth nach Norddeutschland transportiert worden waren, über
viele Hunderte Kilometer, schlagen die Wellen hoch.
In einem Erlass an den Landkreis Aurich hatte Niedersachsens
[1][Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU)] die Abfertigung des
Transports verboten. Es gebe keinen „Freifahrtschein“ dafür: „Leider mü…
wir davon ausgehen, dass Tierschutzmindeststandards dort vor Ort nicht
eingehalten werden.“
## Das Transportunternehmen gewann
Der Transportunternehmer klagte vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg – und
gewann. „Ich bedaure diese Entscheidung“, sagt Otte-Kinast. „Das Urteil
zeigt: Der Bund muss jetzt handeln. Wir brauchen ein bundesweites Verbot
der Beförderung von Tieren in Drittstaaten, in denen die Einhaltung des
Tierschutzes nicht gewährleistet ist!“
Aber der Bund handelt nicht. Auch die Mitte Februar gefasste Entschließung
des Bundesrats, der Berlin auffordert, für mehr Tierschutz bei langen
Transporten in Nicht-EU-Länder zu sorgen, zeigt bisher keine Wirkung.
Rindertransporte in weit entfernte Drittstaaten sollten demnach verboten
werden, „sofern zu befürchten ist, dass die Tiere dort tierschutzwidrig
behandelt oder unzureichend versorgt werden“. Niedersachsen hatte der
Entschließung zugestimmt.
Sicher, Otte-Kinast hätte beim Oberverwaltungsgericht Beschwerde einlegen
können. Aufschiebende Wirkung hätte das für den Transport aber nicht
gehabt. Das Ministerium prüft jetzt, wie eine „abschließende rechtliche
Klarstellung“ erzielt werden kann: „Unsere Juristen analysieren zur Stunde
die Urteilsbegründung“, sagt eine Sprecherin.
„Mit dieser Art von Kuh-Tourismus“, hatte Otte-Kinast Ende April im
Hannoveraner Landtag markig gesagt, „muss Schluss sein in Deutschland.“ Sie
fordere den Bund bereits seit Jahren auf, das Problem zu lösen, die
Rechtslage zu modernisieren. „Völlig unverständlich“ sei ihr, „warum man
Tierschutzverstöße bei Lebendtiertransporten weiterhin in Kauf nimmt“.
Jan Peifer, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Tierschutzbüros in Berlin,
bezweifelt, dass Otte-Kinast wirklich die konsequente Kämpferin ist, als
die sie sich gibt: Ausdauernd sei die Ministerin nicht, sagt er: „Man habe
alles versucht, heißt es dann immer, der Bund müsse was tun, die EU. Und am
Ende bleibt alles beim Alten.“
## Plötzlich alles Zuchttiere
[2][Derart lange Transporte „sind Tierquälerei“], sagt Jan Peifer. „Und …
sind nichts Neues. Die Landwirte betonen natürlich immer, wie sehr ihre
Tiere ihnen am Herzen liegen, aber in Wirklichkeit geht es ihnen nur um den
Profit.“ Bei Exporten wie dem nach Marokko werde das besonders deutlich:
„Tiere, die für die Zucht vorgesehen sind, dürfen exportiert werden, also
werden Tiere, die man exportieren will, als Zuchttiere deklariert.
Wenn sie dann in ihren Zielländern ankommen, werden sie allerdings oft
schon nach wenigen Monaten getötet, des Fleisches wegen. Und das Absurde
ist: Ein Teil dieses Fleisches kommt dann wieder zu uns zurück nach
Deutschland.“ Dass es bei solchen Transporten zu Verlusten kommt, sei
einkalkuliert: „Dass da 10 oder 20 Prozent sterben, ist den Landwirten und
Transporteuren völlig egal. Am Ende rechnet es sich für sie ja trotzdem.“
Warum Kühe aus Bayern erst nach Niedersachsen gebracht werden, bevor sie
nach Marokko gehen? Aus Bayern direkt wäre der Export verboten, aus
Niedersachsen ist er es nicht. Niedersachsen sei ein „Schlupfloch“, sagt
der Deutsche Tierschutzbund. „Als für den Tierschutz zuständige
Bundesministerin muss Julia Klöckner ein sofortiges Moratorium für
sämtliche Transporte aus Deutschland in Drittstaaten verhängen“, fordert
Thomas Schröder, dessen Präsident. „Das Moratorium muss bestehen bleiben,
[3][bis ein EU-weites Verbot] beschlossen und ausgesprochen wird.“
Aber Klöckner hält sich bedeckt. Wie sehr, musste jüngst auch Filiz Polat
erfahren, Bundestagsabgeordnete der Grünen aus dem niedersächsischen
Bramsche. Polat hatte gefragt, welche konkreten Schritte die
Bundesregierung unternehme, um Lebendtransporte von Tieren in Drittländer
zu unterbinden. Die Antwort des Bundeslandwirtschaftsministeriums verärgert
sie: Zuständig für die Genehmigung von Tiertransporten seien die Behörden
der Länder. Die Bundesratsentschließung vom Februar 2021 werde „aktuell“
durch die Bundesregierung geprüft. Im Rest des Briefes ist dann viel von
der EU die Rede.
„Während die Tiere weiter leiden, duckt sich die Bundesregierung weg“, sagt
Polat. „Wie lange will sich Ministerin Klöckner dieses Tierleid also noch
anschauen?“
13 May 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Harff-Peter Schönherr
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