# taz.de -- Schlachterei pfeifft auf Tierschutz: Aufnahmen decken Qualen auf | |
> In einer Landschlachterei in Schleswig-Holstein wurden Tiere gequält. Die | |
> angeordnete Schließung ist ein Verdienst der Organisation Soko | |
> Tierschutz. | |
Bild: Kaum zu ertragen: Aufnahmen aus der Landschlachterei | |
Osnabrück taz | Ein Rind liegt zuckend auf den Fliesen, im Todeskampf, aus | |
seinem Hals quillt ein Blutstrom. Ein Mann wirft ein Schaf zu anderen | |
Schafen. In Abflüssen steht Blut, liegen Fleischbrocken. Von Maschinen | |
triefen Fett und Gewebereste, an Wänden klebt Dreck. Ein Rind windet sich | |
auf einer Bodenrinne. Andere, gehunfähig, werden mit einer Seilwinde brutal | |
aus einem Anhänger gezogen. [1][Knüppel kommen zum Einsatz.] Ein Arbeiter | |
tritt ein Rind gegen den Kopf. Zynische Worte fallen. Worte wie: „Mit Müll | |
kannst du Geld machen.“ | |
Die Landschlachterei Horn in der kleinen Ortschaft Flintbek im Kreis | |
Rendsburg-Eckernförde ist seit Ende Juli geschlossen. Dafür gesorgt [2][hat | |
die Münchener Tierrechtsorganisation Soko Tierschutz]. Mit | |
Videoaufnahmen, verdeckt gefilmt von Anfang Mai bis Anfang Juli, hatte sie | |
Verstöße gegen das Tierschutzgesetz nachgewiesen. Sie stellte Strafanzeige | |
bei der Kieler Staatsanwaltschaft. Sofort nach Sichtung des Videomaterials | |
griff Manuela Freitag, Leiterin des Veterinäramtes des Kreises, durch: Sie | |
schloss den Betrieb, mit Polizeibegleitung ließ sie ihn versiegeln. | |
„Das Video war für mich ein Schock“, sagt Freitag der taz. „Diese Rohheit | |
gegenüber dem Mitgeschöpf ist erschütternd. Man mag sich kaum vorstellen, | |
wie [3][viele Tiere da in der Vergangenheit gelitten haben].“ Inzwischen | |
hat sie dem Schlachtereibetreiber auch die Zulassung entzogen. | |
„Das war ein Bild absoluter Verrohung“, sagt auch Friedrich Mülln, | |
Vorsitzender der Soko Tierschutz, der taz. „Und den Mitarbeitern dort war | |
völlig bewusst, was sie tun.“ Freitags schnelle Reaktion freut ihn: „So | |
rasch ist noch nie ein Schlachthof geschlossen worden!“ Ein Großhändler in | |
Hamburg sei dessen Abnehmer gewesen, sagt Mülln. „Und Asia-Restaurants, | |
Dönerbuden. Die Gastronomie ist oft wie ein schwarzes Loch. Da wird nicht | |
genau hingeschaut, außer auf den Preis.“ | |
## Verdacht auf Krankschlachtungen | |
In Müllns Strafanzeige ist von Fehlbetäubungen durch unpräzise | |
Bolzenschüsse die Rede, von unsachgemäßer Fixierung der Tiere, von | |
rechtswidrigen Stichen ins Genick, direkt nach dem Entblutungsstich, die | |
den Tieren „jede Chance auf Widerstand“ nehmen. | |
Tiere hätten „die Höllenschmerzen des Kehlschnittes und des Ausblutens | |
sowie weiterer zu früh durchgeführter Schlachtschritte bei Bewusstsein und | |
Empfindungsfähigkeit“ erlitten. Tiere seien geprügelt und gestoßen worden. | |
Es bestehe der Verdacht auf rechtswidrige Krankschlachtungen. | |
Das Familienunternehmen Horn hat sich als kleiner Handwerksschlachter | |
verkauft, bei dem alles in Ordnung ist. Nun ist es ein Fall für die Justiz: | |
„Die Polizei hat Ermittlungen aufgenommen und diese dauern an“, bestätigt | |
der Kieler Oberstaatsanwalt Axel Bieler. Neben tierschutzrechtlichen würden | |
„selbstverständlich auch mögliche lebensmittelrechtliche Verstöße geprüf… | |
Mülln ist besonders über das Versagen der örtlichen Veterinärkontrollen | |
entsetzt. „Zustände wie die bei Horn, einem Betrieb mit nur zwei Räumen, | |
können doch niemandem entgehen.“ Aber er hat eine Erklärung: „Bei vielen | |
kleineren Betrieben kommen TierärztInnen zum Einsatz, deren Praxis nicht so | |
gut läuft.“ Ohne finanzielle Not würde niemand gern Schlachtereien | |
kontrollieren wollen, meint Mülln. | |
## Sytematisches Problem der Kontrollen | |
„Und wenn dieselbe Person den Schlachthof dann über einen langen Zeitraum | |
hinweg betreut, entwickelt sich ein Näheverhältnis – man kennt sich, | |
unterhält sich über Privates, wird unkritischer. Und wer schließt schon | |
einen Schlachthof, an dem er Geld verdient?“ Es sei, so heißt es in Müllns | |
Strafanzeige, „sehr fraglich, inwiefern in diesem Betrieb eine reguläre | |
Lebendbeschau und Fleischbeschau stattgefunden hat“. | |
Dabei ist die Flintbeker Landschlachterei kein Einzelfall. Ein Dutzend | |
Schlachthöfe wurden nach Soko-Recherchen schon geschlossen. Nach Müllns | |
Ansicht sind solche Zustände Ausdruck eines systemischen Problems der | |
Kontrollen. | |
„Wir hatten keine Kenntnisse über die tierschutzwidrigen Schlachtungen“, | |
sagt Veterinärin Freitag, die zugleich den Vorwurf des Behördenversagens | |
zurückweist. „Der Betrieb wurde durch uns regelmäßig mit angekündigten und | |
unangekündigten Kontrollen überprüft. Die festgestellten Mängel wurden | |
schriftlich fixiert und mit Fristsetzung deren Beseitigung gefordert. Die | |
Mängelbeseitigung wurde anschließend erneut überprüft.“ | |
Die Mittel, die Müllns Soko verwendet hat, stehen Freitag nicht zur | |
Verfügung. „Wenn der Rechtsstaat nur bestimmte Instrumente für behördliches | |
Handeln zulässt“, sagt sie, „muss er aushalten, dass derart grausame Dinge | |
von den Behörden nicht aufgedeckt werden können.“ | |
5 Aug 2022 | |
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## AUTOREN | |
Harff-Peter Schönherr | |
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