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# taz.de -- Parteitag der Kubanischen KP in Havanna: Die Ära Castro geht zu En…
> Raúl Castro hat seinen letzten Rechenschaftsbericht als Vorsitzender der
> KP abgeliefert. Eine neue Generation soll die wirtschaftlich marode Insel
> übernehmen.
Bild: Als Staatschef trat er 2018 zurück, nun gibt er den Parteivorsitz ab: Ra…
Zweifel wollte Raúl Castro erst gar nicht aufkommen lassen. „Was mich
betrifft, so endet meine Aufgabe als Erster Sekretär des Zentralkomitees
der Kommunistischen Partei Kubas mit der Befriedigung, meine Pflichten
erfüllt zu haben“, erklärte der durchaus fit wirkende 89-Jährige gleich zu
Beginn des 8. Parteikongresses in seinem Rechenschaftsbericht. Er werde die
Führung des Landes an „gut vorbereitete Funktionäre“ übergeben.
Wer die sind ließ der ehemalige Staatschef zwar offen, aber mehrfach hatte
Raúl Castro in den vergangenen Jahren angekündigt, dass er den
Parteivorsitz auch an den Mann übergeben wird, [1][der 2018 seine Nachfolge
als Präsident] des Staats- und Ministerrats Kubas antrat: Miguel
Díaz-Canel.
Alles andere wäre eine Sensation, die das mühsam austarierte Gleichgewicht
in der politischen Führung der Insel pulverisieren würde. Angesichts der
ökonomischen Misere, der zunehmenden Unzufriedenheit und der Proteste ist
dies aber nicht zu erwarten. Die Ankündigung von Reformen im Agrarsektor
durch Miguel Díaz-Canel deutet darauf hin, dass der 60-jährige neben dem
Architekten der Währungsreform, Marino Murillo, zum Gesicht der neuen
Generation werden könnte.
## Existenzielle Versorgungskrise
Auf die „neue Generation gut vorbereiteter Funktionäre“ kommt eine
Mammutaufgabe zu. Sie übernehmen die rote Insel in einer [2][existentiellen
Wirtschaftskrise,] so der kubanische Ökonom Omar Everleny Pérez. „Wir
befinden uns in der zweiten Periodo Especial, die Schlangen vor den
Geschäften sind so lang, weil es kaum etwas gibt“. Das erinnert an die
prekären Jahre zu Beginn der 1990er Jahre, als die Sowjetunion zerfiel und
die Inselwirtschaft in drei Jahren um 35% einbrach. Das droht auch jetzt
mit der Pandemie, dem extrem verschärften US-Embargo und der Verschleppung
ökonomischer Reformen.
Bereits 2019 war ein mieses Jahr mit Null-Wachstum, 2020 brach die
Inselwirtschaft dann um 11 Prozent ein und die Aussichten für 2021 sind
laut kubanischer Quellen wie die Parteizeitung Granma alles andere als
rosig. Das war durchaus auch ein Thema im Rechenschaftsbericht von Raul
Castro. Er gab zu, dass Bürokratie, Defizite bei der Kontrolle der
Ressourcen und Ineffizienzen, wie die „fehlende Dynamik bei der
Aktualisierung des ökomischen Modells“, mitverantwortlich seien.
Freundliche Umschreibungen für Korruption und Missmanagement.
Erst 64 Prozent der 2011 auf dem 6. Parteitag der PCC beschlossenen
Reformagenda, Lineamientos genannt, sind offiziellen Angaben zufolge
realisiert, so Omar Everleny Pérez. „Zu zögerlich, zu oberflächlich, zu
ängstlich, agiere die Politik bei der Umsetzung“, kritisiert der
61-jährige. Das hat Tradition. Doch die politische Führung kann sich das
latente Gezauder eigentlich nicht leisten, denn in Kuba herrschen
Versorgungsengpässe – es gibt seit Monaten immer weniger zu Essen.
## Repressionen statt Reformen
Grund dafür ist eine ineffektive Landwirtschaft und der Mangel an Devisen,
um Lebensmittel in den USA, Argentinien oder Vietnam einzukaufen. Lange
konnte sich Havanna das mehr oder minder leisten. Doch mit der Verschärfung
des Embargos unter Donald Trump, dem Einbruch des Tourismus aufgrund der
Pandemie und der seit Jahren anhaltenden Talfahrt der kubanischen Exporte
ist das nicht mehr drin.
“Vokabeln wie Markt und Privatsektor kommen den kubanischen
Verantwortlichen nach wie vor kaum über die Lippe“, analysiert Pavel Vidal.
Für den kubanischen Finanzexperten und Professor im kolumbianischen Cali
ist das ein Indiz für anhaltende Widerstände gegen strukturelle Reformen
auf allen Ebenen.
Von Reformen war auch in Raúl Castro letzter Rede als Parteichef nicht die
Rede. Stattdessen hat er die [3][USA für die ökonomische Strangulierung
Kubas] verantwortlich gemacht und einen Dialog auf Augenhöhe angeboten. Der
hat in Washington jedoch keine Priorität, so eine Biden-Sprecherin.
Dafür dürfte auch die jüngste Welle der Repression mitverantwortlich sein,
mit der die Regierung in Havanna auf Proteste von Künstlern reagierte.
Gerade begann in Havanna der Prozess gegen Luis Robles Elizastigui. Der
junge Mann war am 4. Dezember mit einer Pappe auf die Straße gegangen, auf
der die Parole stand: „Freiheit: Nein zur Repression“. Dafür forderte die
Staatsanwaltschaft eine sechsjährige Haftstrafe. Auch das alles andere als
ein positives Signal aus Havanna.
17 Apr 2021
## LINKS
[1] /Ral-Castro-wird-als-Staatschef-abgeloest/!5496206
[2] /Versorgungskrise-in-der-Karibik/!5586444
[3] /US-Sanktionen-gegen-Kuba/!5741783
## AUTOREN
Knut Henkel
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Kuba
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