# taz.de -- Rot-Rot-Grün streitet über Kleingärten: „Luftschlösser helfen… | |
> Berlins Koalition ist uneins, wie möglichst viele Kleingärten erhalten | |
> bleiben. Silke Gebel, grüne Fraktionschefin, verteidigt ihren | |
> 10-Punkte-Plan. | |
Bild: Spätestens mit Corona zum Sehnsuchtsort geworden: Kleingarten in der Sta… | |
taz: Frau Gebel, der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Daniel | |
Buchholz, [1][hat der taz gesagt], SPD und Linke seien „traurig und | |
befremdet“, weil die Grünen nicht mehr mit ihnen am Gesetz zur Sicherung | |
der Berliner Kleingärten arbeiteten. Sind Sie auch traurig? | |
Silke Gebel: Ach, es geht doch nicht um Befindlichkeiten, sondern darum, | |
das Beste für die Stadt rauszuholen. Deswegen haben wir nach vorne | |
gerichtet [2][einen 10-Punkte-Plan] zum Schutz der Berliner Kleingärten | |
erarbeitet mit konkreten Maßnahmen. | |
Gab es zuletzt Gespräche dazu in der Koalition? | |
Auf Fachebene finden dazu natürlich Gespräche statt. Wir haben unseren Plan | |
den Koalitionspartnern geschickt, und bei ihnen liegen auch noch andere | |
Maßnahmenpakete zur Sicherung von Stadtnatur, Artenvielfalt und | |
Klimaschutz, die wir Grüne auf den Weg gebracht haben – etwa die Charta für | |
das Berliner Stadtgrün. Wir sind auf jeder Ebene dazu gesprächs- und | |
entscheidungsbereit. | |
Herr Buchholz sagt, nach der letzten Überarbeitung müsse niemand mehr | |
juristische Bedenken [3][gegenüber dem Gesetzentwurf haben]. Das sehen Sie | |
anders? | |
Die Grundfrage ist: Hat Berlin die landesrechtliche Kompetenz, um ein | |
solches Gesetz zu machen? Das verneint das Gutachten des wissenschaftlichen | |
Parlamentsdiensts. Ich ziehe jetzt mal die Parallele zum Mietendeckel: Da | |
gab es Gutachten, die uns gewarnt haben, aber eben auch solche, die gesagt | |
haben, dass es eine Landeskompetenz gibt. Deswegen haben wir es gewagt, | |
juristisches Neuland zu betreten. In diesem Fall ist die Sache aber | |
eindeutig, und wir sollten den sicheren Weg gehen. | |
Und was soll auf diesem Weg passieren? | |
Es geht in erster Linie um Flächensicherung durch Änderungen des | |
Flächennutzungsplans und von Bebauungsplänen. Rund 80 Prozent der | |
Kleingartenflächen haben wir ja schon dauerhaft gesichert; es geht um die | |
verbleibenden 20 Prozent. Da gilt es, Interessenkonflikte aufzulösen. Dort, | |
wo landeseigene Kleingartenflächen als Bauland ausgewiesen sind, ist die | |
Stadtentwicklungsverwaltung am Zug, alternative Bauflächen in derselben | |
Größenordnung zu suchen. Aber ein Gesetz zu machen, das vom | |
Verfassungsgericht kassiert wird, hilft niemandem und zaubert keine neuen | |
Flächen. Es schürt nur Hoffnungen, die am Ende zerstört werden. Ich bin | |
selber Kleingärtnerin und finde nicht, dass man mit uns spielen sollte. Wir | |
wollen die Kleingärten effektiv schützen. Das erreichen wir mit solider | |
Politik, nicht mit Luftschlössern. | |
Sie finden nicht, dass ein Gesetz mehr Handlungsdruck auf die Verwaltung | |
erzeugen würde? | |
Ein Gesetz, mit dem das Parlament der Verwaltung einen Rahmen vorgibt, ist | |
meistens der beste Weg. Wenn mir jemand nachweisen kann, dass wir dafür | |
eine landesrechtliche Kompetenz haben, habe ich kein Problem damit. Noch | |
mal: Diese Koalition sagt, wir wollen Wohnungen und wir wollen Stadtgrün. | |
Das erscheint fast wie die Quadratur des Kreises. Um das hinzubekommen, | |
müssen wir uns schleunigst auf den Weg machen. Dieser Weg ist kompliziert, | |
denn jeder Bautitel ist Eigentumsrecht. Das muss kleinteilig und mühselig | |
abgearbeitet werden. Dass das unsexy klingt, weiß ich auch. Aber ich bin | |
überzeugt, dass es der effektivste Weg ist, die Kleingärten zu schützen und | |
bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. | |
Haben die Verwaltungen von der Linken und der SPD dafür bislang zu wenig | |
getan? | |
Koalitionsschelte hilft uns nicht weiter. Als Grüne haben wir einen Plan | |
vorgelegt, wie alle ihren Anteil leisten können, um die Kleingärten | |
erfolgreich zu sichern. Die Senatsverwaltung für Umwelt hat den | |
Kleingartenentwicklungsplan 2030 (KEP) als Gerüst erarbeitet, die | |
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ist für die Sicherung der Flächen | |
sowie alternatives Bauland zuständig und die Senatsverwaltung für Finanzen | |
für den finanzpolitischen Rahmen. Das ist quasi ein Gesamtkunstwerk. Und | |
weil ich als Verwaltungswissenschaftlerin weiß, dass es am Ende auf die | |
Umsetzung ankommt, ist es wichtig, dass das Parlament sagt: Das hier ist | |
die richtige Richtung, aber diese Punkte müssen folgen, um noch mehr | |
gemeinwohlorientierten Platz in der Stadt zu erkämpfen. Deshalb unser | |
10-Punkte-Plan. | |
Im Gesetzentwurf von SPD und Linken sollen ökologisches Gärtnern und die | |
Öffnung der Vereine gegenüber der Stadtgesellschaft festgeschrieben werden. | |
Da könnte man doch sagen, das hat eine andere Strahlkraft als Punkte und | |
Pläne. | |
Auch in unserem 10-Punkte-Plan geht es um die ökologischere Ausrichtung der | |
Kleingärten. Viele sind da ja schon vorbildhaft, aber in manchen Kolonien | |
gibt es weiterhin einen hohen Versiegelungsgrad. Wir wollen den Dialog mit | |
den Gärtnerinnen und Gärtnern intensivieren, um einen Pakt für Klimaschutz | |
und Zukunft zu schaffen. Das haben wir auf dem Zettel. Auch die Idee, | |
überdimensionierte Parzellen bei Neuvermietung zu teilen, ist absolut | |
richtig, denn in Zeiten von Corona entdecken viele Menschen das Gärtnern | |
für sich, und der Run auf die Gärten, den es schon vorher gab, wird noch | |
größer. Wir wünschen uns auch mehr gemeinschaftliche Gartenflächen. In der | |
wachsenden Stadt sollen etwa Kitas mit den Kleingärten kooperieren, damit | |
die Kinder erfahren, wo die Tomaten herkommen. | |
Glauben Sie, SPD und Linke wollen bei einem grünen Thema auf Ihre Kosten | |
punkten? | |
Ich bin bei den internen Strategierunden von SPD und Linken nicht dabei, da | |
müssen Sie andere fragen. Wir Grüne wollen und müssen hier eine Lösung im | |
Sinne der Berlinerinnen und Berliner finden. Denn von den Kleingärten | |
profitieren nicht nur die Pächterinnen und Pächter selbst, sondern die | |
ganze Stadt. | |
Danach sieht es leider zurzeit nicht aus. | |
Ich bin ein sehr positiver Mensch und guter Hoffnung, dass diese Koalition | |
ihren gemeinsamen Willen, die Kleingärten zu sichern, umsetzen kann. Mich | |
freut sehr, dass es mittlerweile nur noch um die Frage geht, wie man dieses | |
Ziel am besten erreicht. Unser naturschutzpolitischer Sprecher Turgut Altug | |
kämpft immerhin seit zehn Jahren dafür! Und wenn jetzt selbst die CDU ihr | |
Herz für das Stadtgrün entdeckt hat, ist das für den | |
gesamtgesellschaftlichen Konsens doch eine schöne Sache. | |
5 May 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Daniel-Buchholz-SPD-ueber-Kleingaerten/!5765206 | |
[2] /Schutz-von-Kleingaerten/!5759455 | |
[3] /Gesetz-zur-Sicherung-von-Kleingaerten/!5763759 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
## TAGS | |
Kleingarten | |
Silke Gebel | |
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin | |
Berlin | |
Verkehrswende | |
Kleingarten | |
Kleingarten | |
Kleingärtner | |
R2G Berlin | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Grüne Fraktionschefinnen über die Wahl: „Verteidigen, was wir erreicht habe… | |
Im Wahlkampf mit unbezahlbaren Forderungen punkten zu wollen gehe nicht an, | |
sagen Silke Gebel und Antje Kapek. Sie kritisieren damit indirekt SPD und | |
Linke. | |
Daniel Buchholz (SPD) über Kleingärten: „Was haben die Grünen dagegen?“ | |
Die ganze Koalition will Berlins Kleingärten sichern, aber die gemeinsame | |
Arbeit an einem Gesetz ist geplatzt. Daniel Buchholz (SPD) wundert sich. | |
Gesetz zur Sicherung von Kleingärten: Gartenzwerge für Alle! | |
Ein Gesetzentwurf von SPD und Linken will die Existenz der Kleingärten | |
sichern. Neu daran ist die Öffnung für gemeinschaftliches Gärtnern. | |
Schutz von Kleingärten: Gepflegtes Zerwürfnis | |
SPD und Linke hatten zuletzt die Grünen mit einem Kleingarten-Gesetzentwurf | |
düpiert. Die legen nach: mit einem Gutachten und einem 10-Punkte-Plan. | |
Sicherheit für Berlins Kleingärten: Fast ein bisschen tragisch | |
Der Kleingartenentwicklungsplan hakt im Abgeordnetenhaus – und das liegt | |
ausgerechnet an der Grünen-Fraktion. |