# taz.de -- Neuer Seelsorger für Matrosen: Im Krisenfall kommt er an Bord | |
> Diakon Dirk Obermann ist neuer Koordinator der psychosozialen | |
> Notfallversorgung von Seeleuten in Hamburg. Er will auch Reedereien | |
> sensibilisieren. | |
Bild: Arbeitet gern mit Seeleuten zusammen: Dirk Obermann | |
Hamburg taz | Irgendwie ist er da reingeraten, damals in Indonesien. Da hat | |
Diakon Dirk Obermann für den Zusatzabschluss als Sozialpädagoge noch ein | |
Praktikum gebraucht, und das führte zur Deutschen Seemannsmission in | |
Djakarta. In diesen drei Monaten habe er Feuer gefangen, sagt er. „Da habe | |
ich gemerkt, wie viel Spaß es mir macht, im Hafen zu sein, auf Schiffe zu | |
gehen, mit Seeleuten zusammen zu sein und etwas für sie zu tun“, erzählt | |
der 54-Jährige munter. | |
Wobei er nie selbst zur See fahren wollte, „mit den starren Hierarchien an | |
Bord käme ich nicht zurecht“. Da hat er sich lieber Nischen gesucht – erst | |
bei der Seemannsmission in London, dann als Chef des Bremerhavener | |
„Seemannshotels“. Seit April nun arbeitet er in Hamburg auf einer neu | |
geschaffenen Projektstelle für psychosoziale Notfallversorgung von | |
Seeleuten. Auch will er Reedereien und Rettungskräfte für [1][die | |
Bedürfnisse Havarierter] sensibilisieren – etwa durch Vorträge an | |
Seefahrtsschulen und bei internen Schulungen von Reedereien. | |
Denn der Beratungs- und Betreuungsbedarf ist durch Corona noch größer | |
geworden. „Das fängt damit an, dass die Seeleute, deren Verträge regulär | |
sechs bis neun Monate laufen, viel länger bleiben müssen, weil sie | |
[2][nicht in ihre Heimatländer] zurück können“, sagt er. „Sie sorgen sich | |
permanent um ihre Familie.“ Hinzu komme, dass die Seeleute für diese Zeit | |
des Ausharrens nur das niedrigere Basisgehalt bekämen. Noch größer sei das | |
Armutsrisiko für die Seeleute in den Heimatländern, die gar nicht erst an | |
Bord könnten und daher gar nichts verdienten. | |
## Wenig Raum für Trauer | |
Das alles sei schwer auszuhalten. Und auch wenn er es nicht beziffern | |
könne, habe es auch infolge der Coronakrise Suizide von Seeleuten gegeben, | |
die die Kollegen schwer verkrafteten. Aber auch unabhängig davon sei für | |
Trauer wenig Raum. „Wer stirbt, wird zügig ersetzt, damit der | |
Personalschlüssel wieder stimmt, und die eng getaktete Arbeit geht weiter.“ | |
Einmal allerdings habe der Kapitän die Ladearbeiten für eine Trauerandacht | |
stoppen lassen. „Das war unglaublich“, sagt Obermann. „Auf diesem | |
[3][Containerschiffen] herrscht immer Lärm. Die Maschinen laufen, die Kräne | |
arbeiten, das Schiff ruckelt. Und dann war für 30 Minuten die Hauptmaschine | |
aus und alles still.“ Er habe dann noch ein paar Worte gesagt, aber | |
eigentlich sei die Stille die Andacht gewesen. Der Moment, in dem | |
aufblitzte, „dass ein Mensch keine Schraube ist, die man mal eben | |
austauscht“. | |
23 Apr 2021 | |
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## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
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