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# taz.de -- Kartellamt gegen Facebook: Fehler als System
> Nutzt Facebook seine marktbeherrschende Stellung aus? Und kann ein Urteil
> darüber in Düsseldorf fallen? Facebook macht, was es immer macht: weiter.
Bild: Menschen sammeln Daten auf den Champs Elysees
Seit zwei Jahren führt das Bundeskartellamt einen Kampf gegen den
[1][US-Internetkonzern Facebook]. Im Jahr 2019 hatte die Behörde dem
Unternehmen untersagt, Nutzer:innendaten der Facebook-Töchter Whatsapp
und Instagram sowie Webseiten anderer Anbieter mit den Facebook-Konten
der Nutzer:innen zu verknüpfen, sofern der Nutzer in diese Datenerhebung
und Datenverwendung nicht zuvor nach den Bestimmungen der DSGVO
eingewilligt hat. Falls die User:innen ihre Erlaubnis nicht geben, dürfe
Facebook sie nicht von den Diensten ausschließen.
Das war katastrophal für ein Unternehmen, das schließlich sein Geld mit
datenbasierter Werbung verdient. Kein Wunder also, dass Facebook Einspruch
einlegte. Der Bundesgerichtshof entschied im Sommer 2020 allerdings
zugunsten des Kartellamts, verwies den Fall aber wieder an das ursprünglich
zuständige Gericht in Düsseldorf.
Zur Verhandlung im März dieses Jahres erschienen sechs Anwälte im Namen von
Facebook. Den massiven Gegenwind ist der Internetkonzern nicht gewohnt,
ging doch bisher kein Kartellamt so streng und massiv gegen das Unternehmen
vor. Die Bonner Wettbewerbshüter wollen endlich offen gelegt wissen, welche
Daten Facebook wo erhebt und was mit ihnen passiert. Ein Wissen, das
Facebook bisher nicht preisgibt. Mit seiner Marktdominanz hat sich der
Konzern eine enorme Macht aufgebaut und ist bisher mit seiner Strategie
auch immer durchgekommen.
Mit mehr als 2 Milliarden Nutzer:innen ist Facebook das größte soziale
Netzwerk weltweit. „Leute zu verbinden“ und „die Welt zu einem offeneren
Platz zu machen“, so die gern wiederholte Idee von Facebook-Gründer Mark
Zuckerberg. Am 4. Februar 2004 gründete der damals 19-jährige Mark
Zuckerberg das soziale Netzwerk Facebook. Da war er Harvard-Student im
zweiten Semester.
Allerdings gibt es bis heute die Anschuldigung, Zuckerberg habe die Idee
für seine Seiten samt einiger Teile des Codes von drei seiner Kommilitonen
geklaut. Facebooks Antwort 2006 ist knapp: „Wir diskutieren nicht über
verärgerte Prozessgegner oder anonyme Quellen, die unsere frühe
Unternehmensgeschichte oder Mark Zuckerberg in Verruf bringen wollen.“ Im
Februar 2008 führte das zu einem Vergleich, weitere Forderungen der Kläger
lehnte der Oberste Gerichtshof in Washington 2011 ab.
Abseits der Vorwürfe reihen sich die Erfolge des Unternehmens jahrelang
aneinander: 2009 kommt der „Gefällt mir“-Button, welcher daraufhin jeden
Tag 2,7 Milliarden „Likes“ generiert. 2011 zählt das Netzwerk schon 845
Millionen aktive Nutzer:innen und verdient 1 Milliarde Dollar bei 3,7
Milliarden Dollar Umsatz. Im Mai 2012 ging Facebook an die Börse. Es sollte
die größte und lukrativste Börsenpremiere der US-Geschichte werden, doch
der Kurs rasselte zunächst in den Keller und konnte sich erst in den
folgenden Tagen fangen.
Im selben Jahr folgte mit dem Kauf seines potenziellen Konkurrenten
Instagram der eigentliche Beginn des Jahre später vor Gericht
ausgefochtenen Streits. Der Online-Fotodienst hatte damals gerade einmal 30
Millionen Nutzer:innen und noch keinen Gewinn generiert. Anfang 2014
kaufte Facebook für 19 Milliarden US-Dollar [2][den Messengerdienst
Whatsapp]. Während Whatsapp im Gegensatz zu Instagram keine
Werbemöglichkeit bietet, erhöhte der Kauf die Omnipräsenz und den
Stellenwert von Facebook. Der eigentliche Coup: Der Konzern bekam nun auch
in Teilen einen Zugriff auf die Daten der Whatsapp-Nutzer:innen.
Über die Jahre hat sich somit auch das Geschäftsmodell von Facebook
geklärt: Es beruht auf gesammelten Daten. Sie bestehen nicht nur aus
Informationen, die Nutzer:innen in dem sozialen Netzwerk direkt
hinterlassen, der Konzern bündelt sie, etwa mit Daten der konzerneigenen
Dienste Instagram und Whatsapp sowie von Drittwebsites, die den Like-Button
oder andere Facebook-Dienste einbinden.
## Die fetten Jahre
Und damit könnte man sagen, die fetten Jahre von Facebook sind vorbei, denn
auch wenn sich das deutsche Bundeskartellamt auf neuem Terrain bewegt, die
restliche Welt hat schon früher nicht die Augen verschlossen.
Den Stein ins Rollen bringt der Skandal um die englische Datenanalyse-Firma
Cambridge Analytica, die sich während des US-Wahlkampfs 2016 unerlaubt
Zugang zu Daten von mehr als 50 Millionen Facebook-Nutzer:innen verschafft
hat. Aus den gewonnenen Daten soll Cambridge Analytica umfangreiche
Persönlichkeitsprofile erstellt haben, die auch bei der Wahlkampagne von
Donald Trump und beim Brexit-Votum zum Einsatz kamen.
Im Zuge der Ermittlungen wird klar: Facebook wusste früh von der
Datenweitergabe, informierte jedoch die Nutzer:innen nicht darüber.
Facebook zahlte eine Strafe in Höhe von rund 580.000 Euro. Es handelt sich
um die Höchststrafe, [3][die die britische Datenschutzbehörde Information
Commissioner’s Office (ICO) zum damaligen Zeitpunkt verhängen] kann.
[4][Die New York Times deckt kurz darauf auf], dass Facebook jahrelang den
Herstellern von Smartphones, Tablets und anderen Geräten umfassenden
Zugriff auf Nutzer:innendaten gewährt hat.
## Mordaufrufe in Myanmar
2018 deckt der Sender CNBC auf, dass jede:r durch eine Sicherheitslücke
die Mitgliederliste privater Facebook-Gruppen einsehen konnte. Und über all
den unzähligen fragwürdigen und illegalen Weitergaben von Daten schwebt die
Debatte der politischen Einflussnahme verschiedener Akteure durch Facebook.
Beim Massenmord an den Rohingya in Myanmar gab es auf der Plattform
Mordaufrufe und Hassrede gegenüber der muslimischen Minderheit, welche
ungehindert verbreitet wurden.
In Brasilien stand das Tochterunternehmen Whatsapp in der Kritik: Kurz vor
dem zweiten Gang der brasilianischen Präsidentschaftswahlen kamen Details
über eine groß angelegte Desinformationskampagne ans Licht. Unbekannte
verschickten millionenfach Whatsapp-Nachrichten mit Verschwörungstheorien
an brasilianische Wähler:innen. Gleich bleibt: der sich immer wieder
entschuldigende Mark Zuckerberg in Hoodie und Sneakers: „Das war ein
Fehler“, „Wir müssen uns verbessern“, betonte er 2018 bei einem Treffen …
Vertreter:innen des Europäischen Parlaments in Brüssel.
Einen weiteren „Fehler“ gab es am vergangenen Wochenende. Da wurde bekannt,
dass in einem Hackerforum ein Datensatz zu mehr als 530 Millionen
Facebook-Nutzer:innen veröffentlicht wurde. Es handelt sich um [5][die
Handynummern von einer halben Milliarde Menschen], um Millionen von
E-Mail-Adressen, vollständige Namen, Wohnorte und Geburtsdaten. Eine
richtige Entschuldigung seitens des Konzerns – sie blieb aus. Via Twitter
meldete sich zunächst Facebook-Sprecherin Liz Bourgeois und schrieb: „Das
sind alte Daten, über die 2019 berichtet wurde. Wir haben das Problem im
August 2019 gefunden und repariert.“
Mit so einer lapidaren Erklärung war es im März im Oberlandesgericht (OLG)
in Düsseldorf nicht getan. Die Anhörung dauerte über vier Stunden, ein Hin
und Her zwischen den vier Vertretern des Bundeskartellamts und den sechs
Anwälten von Facebook.
## „Belastbare Belege“
Am Ende teilte das Oberlandesgericht mit: „Die Frage, ob Facebook seine
marktbeherrschende Stellung als Anbieter auf dem bundesdeutschen Markt für
soziale Netzwerke deshalb missbräuchlich ausnutzt, weil es die Daten seiner
Nutzer unter Verstoß gegen die DSGVO erhebt und verwendet, kann ohne
Anrufung des EuGH nicht entschieden werden.“ Das Gericht bezweifelte, dass
Facebook seine Nutzer:innen ausbeute. Dafür, dass Facebook den
Nutzer:innen die Datensammelei gegen ihren Willen aufzwinge, habe das
Kartellamt keine „belastbaren Belege“ vorgelegt.
Die Frage, die im März im Raum steht und die Machtverhältnisse perfekt
beschreibt: Kann eine nationale Kartellbehörde DSGVO-Verstöße feststellen
und dagegen vorgehen? Kann und darf Düsseldorf über den Weltkonzern
Facebook richten? Nun muss der EuGH entscheiden, ob der US-Internetkonzern
eine marktbeherrschende Stellung ausnutzt. Auch die Definition sensibler
Daten soll genauer eingegrenzt werden. Der Europäische Gerichtshof wird
wohl in ein bis zwei Jahren endgültig urteilen, bis dahin ist das Verfahren
am OLG ausgesetzt.
In der Zwischenzeit wird Facebook wohl daran arbeiten, seine
Monopolstellung auszubauen und sich weiterhin „verbessern“. Warum auch
nicht, haben doch die bisherigen „Fehler“ dem Ruhm auch keinen großen
Abbruch getan.
15 Apr 2021
## LINKS
[1] /Populisten-Hochburg-Facebook/!5719912
[2] /Registrierungspflicht-bei-Messengern/!5751246
[3] https://ico.org.uk/media/action-weve-taken/2618383/20201002_ico-o-ed-l-rtl-…
[4] https://www.nytimes.com/interactive/2018/06/03/technology/facebook-device-p…
[5] /Nach-dem-Datenleck-bei-Facebook/!5760938
## AUTOREN
Malaika Rivuzumwami
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