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# taz.de -- CDU für Laschet, CSU für Söder: Fast ein Kanzlerkandidat
> Es hätte so harmonisch werden können. Da stellt sich die CDU einmütig
> hinter Armin Laschet. Doch Markus Söder mag nicht einfach klein beigeben.
Bild: Kann sich der Unterstützung seiner Parteispitze sicher sein: CDU-Chef Ar…
Als [1][Armin Laschet] am Montagmittag mit einer halben Stunde Verspätung
in der CDU-Zentrale ans Redepult tritt, hält er sich mit der
Kandidatenfrage nicht lange auf. Er habe sich sehr gefreut über die große
Unterstützung in Präsidium und Bundesvorstand, sagt der CDU-Chef. Und geht
dann schnell zur Zukunft über. „Ich will ein modernes Deutschland, das die
Klimafrage mit der wirtschaftlichen Frage verbindet“, sagt Laschet.
Dann spricht er über Industriearbeitsplätze, über Nachhaltigkeit und über
Vielfältigkeit, Stadt und Land, junge und alte Wähler und über Europa und
macht damit klar: Hier sieht sich einer nicht mehr als Anwärter. Armin
Laschet sieht sich als Kanzlerkandidat der Union.
Doch sein Kontrahent will so schnell nicht klein beigeben. Am Nachmittag
meldet sich [2][Markus Söder] aus München zu Wort: Da hatte sich das
CSU-Präsidium einmütig für ihn als Kanzlerkandidat ausgesprochen. Es sei
jetzt noch nicht der Tag der Entscheidung, vielmehr werde man sich Ende der
Woche zusammensetzen, sagt Söder. Und er werde auch darum bitten, dass sich
nicht nur zwei Personen zusammensetzen, sondern dass weitere Vertreter
beider Parteien mit dabei seien. Er sei gegen ein „Hauruckverfahren“.
Der bayerische Ministerpräsident betonte zudem, der Kanzlerkandidat der
Union müsse von einer breiten Mehrheit der Mitglieder getragen werden. Er,
Söder, sei bereit, Verantwortung zu übernehmen.
## Der erste Akt: Das CDU-Präsidium tagt
Um neun Uhr am Montagvormittag hatte in Berlin der Versuch begonnen, die
Kanzlerkandidatenkür zu klären. Da war bereits das Präsidium der großen
Schwesterpartei CDU zusammengekommen, zum ersten Mal seit Monaten zu einer
Präsenzsitzung im Konrad-Adenauer-Haus. Laschet bat dort „um Vertrauen“, so
hatte er es zumindest am Abend zuvor in einem Interview angekündigt. Das
aber ist vorsichtig ausgedrückt. Laschet forderte ein Votum des
CDU-Spitzengremiums für seine Kanzlerkandidatur.
Und das bekam er dann auch. Alles andere hätte allerdings auch bedeutet,
den frisch erwählten CDU-Chef gleich wieder zu demontieren. „Das
Meinungsbild im Präsidium sowie im Vorstand ist eindeutig“, sagt
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak, der am Redepult neben Laschet steht und
als Erster spricht. „Es gibt breite Unterstützung für Armin Laschet als
Kanzlerkandidat von CDU und CSU.“ Das Präsidium habe deutlich gemacht, dass
man Laschet für „außergewöhnlich geeignet halte“, ließ sich unter ander…
der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier zitieren, einer der Granden
der CDU.
Es soll eine breite Aussprache gegeben haben, Ziemiak sprach von über 40
Wortmeldungen. Im Präsidium hätten mehrere Mitglieder deutlich gemacht,
berichten Teilnehmer:innen, dass die aktuellen Umfragen nicht die
Entscheidung über die Kandidatenfrage bestimmen sollten. In denen liegt
Laschets Konkurrent Söder weit vorne. Die Präsidiumsmitglieder aber
attestierten Laschet, er könne „Meinungen zusammenführen, Haltung
entwickeln und diese auch durchgehend vertreten“. Große Unterstützung soll
Laschet im Vorstand von Wolfgang Schäuble erhalten haben.
All das ist zwar noch kein offizieller Beschluss, wie auch Laschet am
Mittag betont. Er spricht von „einem Meinungsbild der CDU“. Doch dass es
keinen offiziellen Beschluss geben werde, war schon vorher klar. Denn
darauf hatten sich Laschet und Söder zuvor geeinigt. Doch hinter die Voten
ihrer höchsten Führungsgremien kann die CDU nun schwerlich zurück. Das
heißt dann: Armin Laschet, 60, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen,
wird aller Voraussicht nach Kanzlerkandidat der Union werden und würde
damit das Duell mit Söder, das erst seit Sonntag ein offenes ist, für sich
entscheiden.
## Das Vorspiel: der freundliche Söder
Am Sonntag nämlich hatten die Parteichefs von CDU und CSU, die auch
Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und Bayern sind, bei einer
Klausur des geschäftsführenden Vorstands der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
ihren Willen zur Kandidatur erklärt – Söder hier zum ersten Mal. Der Franke
hatte lange beteuert, dass sein Platz in Bayern sei. Überraschend für
Laschet aber kam Söders Auftritt nicht.
Die beiden Kontrahenten hatten am Samstag lange telefoniert, es aber nicht
geschafft, sich auf einen Kandidaten zu einigen. „Wir haben festgestellt,
dass wir beide geeignet und beide bereit sind“, sagte Söder am
Sonntagnachmittag und das klang ein wenig danach, dass ein Showdown in
diesem Machtkampf, den er seit vielen Wochen mit Kritik und Sticheleien in
Richtung Nordrhein-Westfalen anheizt, noch ausstehe – was er am
Montagnachmittag mit seinen Äußerungen befeuerte. Doch Söder sagte am
Sonntag auch: „Wenn die CDU bereit wäre, mich zu unterstützen, wäre ich
bereit.“ Wenn die CDU, die nun einmal die größere der beiden
Schwesterparteien sei, sich aber anders entscheide, „bleibt ohne Groll eine
gute Zusammenarbeit“.
Damit hat Söder eigentlich eine Hintertür aufgemacht, durch die er wieder
entschwinden könnte. Darauf wies auch Laschet am Montag hin, wenn auch
etwas verklausuliert: „Sie kennen die Erklärung von Markus Söder vom
gestrigen Tag“, sagte Laschet den fragenden Journalist:innen – und
dürfte damit die Bedeutung der CDU-Entscheidung gemeint haben.
## Der zweite Akt: Die CSU tagt
Ob es aber bei Söders Erklärung vom Sonntag bleibt, das wurde am
Montagnachmittag eben fraglich. Aus Stellungsnahmen der CSU zum Beschluss
der Schwester CDU wurde deutlich, dass die bayerische Partei keineswegs
unwidersprochen ihren Kandidaten Söder einfach zurückziehen will. Söder
selbst strafte alle Beobachter Lügen, die vermutet hatten, vielleicht sei
die Bewerbung vom Sonntag nur ein besonders geschicktes Rückzugsmanöver, um
sich hinterher nicht vorwerfen zu lassen, er habe gekniffen.
Das Warming-up bei der Pressekonferenz nach der CSU-Präsidiumssitzung in
München erledigte Generalsekretär Markus Blume und winkte gleich mal mit
dem Zaunpfahl zur CDU-Spitze nach Berlin: Es sei nicht der Tag der
Entscheidung, sondern der Beginn der Beratung. Es gebe je eine Empfehlung
für Armin Laschet und eine für Markus Söder, aber auch „eine deutliche
Mehrheitsmeinung in der deutschen Bevölkerung“.
Sollen also den Ausschlag nun doch nicht mehr das Votum der CDU, sondern
die guten Umfragewerte für den bayerischen Ministerpräsidenten geben? Nach
dem eindeutigen Votum des CDU-Präsidiums vom Montagvormittag, das keine
Anstalten machte, Söder zu rufen, sieht die Sache nun anders aus. Das
entscheidende neue Wording lautet: „in der Breite“. Nur wenn sich die
beiden Unionsparteien „in der Breite“ gegen ihn entscheiden, will Söder das
nunmehr akzeptieren. Sprich: Auch die Landesverbände und möglichst die
Bundestagsfraktion sollen gehört werden. „Personen spielen nun einmal eine
zentrale Rolle“, argumentiert Söder. „Personen ziehen die Parteien.“
Es solle aber kein endloser Prozess werden, man könne noch in dieser Woche
zu einem Ergebnis kommen. Eine Mitgliederbefragung, wie sie zuvor Thomas
Kreuzer, der CSU-Fraktionsvorsitzende im bayerischen Landtag, ins Spiel
gebracht hatte, lehnte er deshalb ab.
Wie gefährlich ein Streit über die Kanzlerkandidatenfrage für CDU und CSU
gleichermaßen werden könnte, hatte Söder am Sonntagnachmittag selbst
angesprochen, indem er auf den destruktiven Machtkampf der damaligen Chefs
der beiden Parteien im Bundestagswahlkampf 1980 verwies. „Wir sind nicht
Helmut Kohl und Franz Josef Strauß“, sagte Söder. „Optisch nicht und
inhaltlich auch nicht.“ Damals konnten sich die beiden nicht über die
Kanzlerkandidatur einigen, Kohl favorisierte den niedersächsischen
Ministerpräsidenten Ernst Albrecht, Strauß sich selbst. Schließlich
entschied die Bundestagsfraktion – sie sprach sich für die Kandidatur von
Strauß aus. Der trat an und verlor.
Dieses Mal könnte es anders kommen, zumindest was die Kandidatur angeht.
Auch wenn der eine oder die andere in der CDU fordert, dass auch heute die
Bundestagsfraktion der Union entscheiden solle, gewichtige Stimmen sind es
nicht. Stattdessen spricht viel dafür, dass sich nun Laschet gegen viele
Widerstände durchsetzen wird, ein versierter Machtpolitiker, der
Steherqualitäten hat, aber oft unterschätzt wird. Ganz anders als der
breitbeinige Söder, der mit jeder Pore Führungswillen und Stärke
ausstrahlt, kommt Laschet eher freundlich und abwägend daher, böse kann man
auch sagen: mitunter hilflos und verzagt.
In der Pandemie wirkte Laschet oft wankelmütig, während Söder der zu sein
schien, der der nervösen Bevölkerung sagt, wo’s lang geht. Was den Erfolg
ihrer Coronapolitik angeht, gibt es zwischen den Ländern allerdings keinen
großen Unterschied, wie ein Blick auf die Infektionszahlen des Robert
Koch-Instituts zeigt.
## Die Umfragen sprechen für Söder
Laschets politische Karriere ist von vielen Niederlagen durchzogen, die er
am Ende in Siege verwandelt hat. Will er tatsächlich Kanzler werden, hat er
aber noch einen weiten Weg vor sich. Seine Umfragewerte sind schlecht, sehr
schlecht sogar. Nur ein Drittel der Wähler:innen, die bei der letzten
Bundestagswahl für die Union gestimmt haben, würden dies mit einem
Kandidaten Laschet tun.
Auch die Werte der Union sind deutlich unter 30 Prozent gerutscht und
nähern sich den Grünen an. Hinzu kommen die schlechte Performance der
Regierung in der Pandemie, Korruptionsaffären und Sinnkrisen.
Auch ist die Kanzlerin bei der Bundestagswahl zwar noch im Amt und damit
verantwortlich. Der Amtsbonus aber wird wegfallen, schließlich tritt sie
nicht mehr an. Merkel übrigens soll sich am Sonntag in der Fraktionsklausur
indirekt für Laschet ausgesprochen haben.
So kritisierte sie laut Teilnehmer:innen Bayern für eine mangelnde
Umsetzung der vereinbarten Notbremse in der Coronakrise. Bayern sei weiter
abgewichen als Nordrhein-Westfalen, so die Kanzlerin. Auch forderte sie
einen „Brücken-Lockdown“, den Begriff hat Laschet geprägt und er wurde
dafür verspottet.
Bleibt die Frage, warum Söder trotz einer sich andeutenden Entscheidung zu
Laschets Gunsten bei der Fraktionsklausur am Sonntag seinen Hut überhaupt
in den Ring warf. Eine mögliche Erklärung: Weil er, der stets Stärke
ausstrahlende CSU-Chef, nicht mehr anders konnte, nachdem er sich
wochenlang vorgearbeitet hatte. Es hätte wie Kneifen gewirkt. Oder wie es
der Söder-Biograf Roman Deininger in der Süddeutschen Zeitung so schön
formulierte: „Wahrscheinlich verhält es sich mit Söder und der Macht wie
mit dem Hund und der Wurst: Sobald die Wurst in Reichweite liegt, ist es
keine freie Entscheidung mehr für den Hund.“
Hinzu kommt: Söder hat in diesem Machtkampf nicht viel zu verlieren. Er
kann stets darauf verweisen, dass er eben nur die kleinere Schwesterpartei
repräsentiert. Und sollte Laschet bei der Bundestagswahl im Herbst
scheitern, kann Söder darauf verweisen, dass es mit ihm möglicherweise
anders ausgegangen wäre. Und er kann auf eine neue Chance in vier Jahren
spekulieren.
12 Apr 2021
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## AUTOREN
Sabine am Orde
Dominik Baur
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