# taz.de -- Zum Tod von Hans Küng: Ein Katholik der Zukunft | |
> Küng, ein Monument der Religion, war ein friedlicher und kämpferischer | |
> Mann. Er starb, vom Vatikan nie rehabilitiert, im Alter von 93 Jahren. | |
Bild: Der Theologe und Priester Hans Küng ist am Dienstag in Tübingen gestorb… | |
Der Tod hat ihn nicht erschreckt, [1][sagte er uns], als wir ihn vor elf | |
Jahren in Tübingen, seiner wichtigsten Heimat, besuchten. „Ich weiß, dass | |
man nicht beweisen kann, was jenseits des Todes ist, da bin ich | |
kantianisch: Jenseits von Raum und Zeit ist die reine Vernunft nicht | |
zuständig. Ich habe zwar keine Beweise, aber sehr wohl gute Gründe, warum | |
ich der Überzeugung bin, dass mein Leben nicht einfach ins Nichts geht, wie | |
auch der Kosmos nicht aus dem Nichts kommen kann. Sondern dass ich in eine | |
erste-letzte Wirklichkeit hineinsterbe, die wir Gott nennen.“ | |
[2][Hans Küng hatten wir uns als friedlichen, auch kämpferischen Mann] | |
vorzustellen, und so erkannten wir ihn auch, damals und auch heute, wie es | |
aus seinen letzten Tagen überliefert wird. Freundlich, das auch, vor allem | |
aber aussagekräftig, entschieden und auf unerklärliche Weise | |
altersaufmüpfig. Immer noch schmerzte ihn das für ihn größte | |
Missverständnis seines Lebens, und das war der Entzug der Lehrerlaubnis als | |
katholischer Theologe an der Universität Tübingen. | |
Aber hatte er ernsthaft Gründe, an dem päpstlichen Verdikt gegen ihn zu | |
zweifeln? Küng, 1928 in Sursee, Kanton Luzern, in der Schweiz geboren, | |
[3][war einer der Stars der 68er-Ära,] ein Reformator seiner Kirche und | |
ihrer Glaubensgrundsätze. Theologisch im Katholizismus in jeder Hinsicht | |
versiert, versiert in allen Debattenlagen, die in seinem religiösen | |
Glaubenssystem eine Rolle spielten. | |
Der Papst ein Unfehlbarer? War doch nicht immer so, sagte Küng. Zölibat, | |
das Verbot für Priester, ihre Sexualität zu leben und selbst dies in einer | |
Ehe? Ist biblisch nicht gedeckt, dass das so sein muss. Homosexuelle zu | |
diskreditieren, fundamental? Auch nur eine ins Heutige im muffigen Zustand | |
gerettete schlechte Auffassung aus ganz alten Tagen. Küng legte sich, am | |
Ende des Tages, eigentlich mit allem und allen an, die einem vatikanischen | |
Dogmatismus anhingen, also denjenigen, die das Weltliche für das | |
Gottvorstellbare hielten. | |
## Eine gewisse rote Linie | |
Küng schrieb über seine theologischen Exkursionen viele Bücher, war einer | |
der tonangebenden Intellektuellen im deutschsprachigen Bereich, fragte: | |
„Existiert Gott?“, als Reaktion auf den Entzug seiner Lehrbefugnis durch | |
den polnischen Papst Karol Woytila, Johannes Paul II., im Jahr 1979, ein | |
Jahr nach seiner Wahl zum Statthalter Gottes auf Erden. | |
Woytila und mit ihm andere Kirchenreformgegner räumten auf mit dem | |
aufbrüchigen Geist im Katholizismus seit den frühen 60er Jahren – und an | |
Küng ein Exempel zu statuieren war ein Zeichen, das global verstanden | |
werden konnte: Der Tübinger hatte offenbar mit der Infragestellung der | |
vatikanischen Diktate einen Schritt über gewisse rote Linien hinaus getan. | |
Und doch – oder vielleicht: deshalb – blieb Küng stets seiner Kirche treu: | |
ein Mann, der theologisch vielleicht Skizzen dessen formulierte, wie ein | |
Katholizismus der semikorrupten Apparate, der sexuellen Gewalt | |
(„Missbrauch“) und seiner Begünstigung durch die bischöflichen | |
Institutionen und der religiösen Unglaubwürdigkeit schlechthin entrinnen | |
könnte. Küng mochte nie ein Rebell sein, einer, der aus Prinzip wider den | |
Stachel löckt. | |
Ihm lag nah, was als jesuanisches Heil verstanden werden kann: ein besserer | |
Katholizismus, nicht seine Zerstörung. „Ich werde mich doch auch nicht | |
aufdrängen und sagen: Ich will unbedingt dieses oder jenes werden in der | |
Kirche. Und ich habe bisher alles vermieden, um durch meine Theologie eine | |
Kirchenspaltung zu provozieren. Es war mir stets Verpflichtung, kein | |
Spalter zu werden. Sonst hätte ich es ja machen können wie Marcel Lefebvre, | |
der Gründer der reaktionären Pius-Brüder. Ich finde, wenn ein Individuum | |
oder eine Gruppe sich zum Ganzen machen oder das Ganze dominieren will, | |
entspricht das nicht dem christlichen Kirchenverständnis.“ | |
In den vergangenen Dekaden kümmerte er sich um Dinge, die weit über | |
Tübingen hinaus wiesen, etwa mit der von ihm gegründeten Stiftung | |
Weltethos, dem tapferen Versuch, so etwas wie eine globale Ethik für alle | |
Religionen zu formulieren – und im früheren UN-Generalsekretär Kofi Annan | |
fand er für dieses Projekt seinen engsten Fellow und Freund. | |
Küng bedauerte jüngstens, dass er nie rehabilitiert wurde. Er starb in | |
seiner schwäbischen Heimat, die so nah seiner Schweiz war, am Dienstag, 6. | |
April. | |
7 Apr 2021 | |
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## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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