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# taz.de -- Schweizer Kirchenkritiker: Theologe Hans Küng ist tot
> Mehr als ein halbes Jahrhundert lang warb der Schweizer für ein
> zeitgemäßes Christentum. Nun ist er im Alter von 93 Jahren gestorben.
Bild: Der Schweizer Theologe Hans Küng im Oktober 2013 in seinem Haus in Tübi…
Tübingen epd | Er war der moderne Schutzheilige der Ökumene: Nur wenige
haben so viel zur Annäherung zwischen Katholiken und Protestanten
beigetragen wie der Theologe Hans Küng. Und kaum jemand erklärte so
verständlich die Grundgedanken von Christentum, Islam, Judentum oder
Buddhismus. Küng zählte damit zu den großen religiösen Orientierungsfiguren
der Gegenwart. Am Dienstag ist der Beststeller-Autor und
[1][Reformkatholik] im Alter von 93 Jahren in Tübingen gestorben, wie das
Projekt Weltethos bestätigte.
Früh entschied sich der hochbegabte älteste Sohn eines Schuhhändlers im
Schweizer Kanton Luzern für den Priesterberuf. Am Collegium Germanicum in
Rom unterwirft sich der spätere „fromme Rebell“ einer strengen
Eliteausbildung und machte früh auf sich aufmerksam. Als junger Tübinger
Professor, der in seiner aktiven Zeit eher wie ein Skilehrer wirkte, wird
er zum Berater des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) berufen.
Ende 1979 hatte ihm Rom wegen seiner kritischen Sicht auf die Kirche die
katholische Lehrerlaubnis entzogen. Doch dies hinterließ keine Schatten auf
einer der brillantesten akademischen Karrieren des 20. Jahrhunderts. Im
Gegenteil: Gerade mit seinem Ruf als „Ketzer“ eroberte er sich ein
Millionenpublikum, obwohl ihm die Rolle des Papstkritikers „keineswegs
angenehm“ war, wie er einmal sagte.
„Was dürfen wir hoffen? Wozu sind wir auf Erden? Was soll das Ganze?“,
fragte Küng. Vor allem in seinen Büchern – die Gesamtausgabe ist auf 24
Bände angelegt – gab er seine Antworten auf das, worauf es im Leben
ankommt. Küng war dabei auch immer politisch: Die stärker gewordene Rolle
der Religion verlange mit Blick auf die Konflikte auf der Welt nach
seriöser Information: „Nur dadurch lässt sich die ständig drohende
Instrumentalisierung der Religion für politische, ökonomische, ethnische
und nationale Interessen vermeiden“, schrieb Küng Anfang 2017.
## Kein Frieden ohne Dialog
Zeitlebens mahnte er Politik, Kirche und Wissenschaft zu einem umfassenden
Bewusstseinswandel. Modelle für ein friedliches 21. Jahrhundert suchte
seine Stiftung „Weltethos“. In diesem Rahmen predigte er seit den 80er
Jahren unermüdlich seine einfache Formel: Kein Frieden zwischen den
Nationen ohne Frieden unter den Religionen. Kein Frieden zwischen den
Religionen ohne Dialog.
Als ihm unter Papst Johannes Paul II. die kirchliche Lehrerlaubnis „missio
canonica“ entzogen wurde – Küng hatte die Frage nach der Unfehlbarkeit des
päpstlichen Lehramtes gestellt – wurde er freilich nicht arbeitslos: Bis
zur Emeritierung 1996 lehrte der polyglotte Küng ökumenische Theologie und
leitete das Tübinger Ökumene-Institut. Sein Lehrstuhl für christliche
Theologie war – ein Novum in der deutschen Universitätsgeschichte –
rechtlich keiner Kirche zugeordnet.
Der Entzug der Lehrerlaubnis förderte seine Bekanntheit außerhalb der
Kirchen enorm. Je mehr Johannes Paul II. und Benedikt XVI. seine Impulse
blockierten, desto mehr wurde Küng zur geheimen Leitfigur an der [2][Basis
reformorientierter Katholiken], bilanzierte einmal die Reformbewegung „Wir
sind Kirche“. Die Schriften von Küng „veranschaulichen die neue
Lebendigkeit“ der katholischen Theologie seit den 60er-Jahren, so der
Kirchenhistoriker Alister E. McGrath.
Küng betonte immer wieder sein eigenes „Katholischsein“. Zum Stand der
Ökumene bilanzierte er nüchtern: „Die meisten Katholiken und Protestanten
kümmern sich schon gar nicht mehr um die Spaltung. Sie leben die Ökumene
ganz selbstverständlich und unbekümmert um römische Dekrete in Dogma und
Moral an der Basis.“ Es gebe keinen „theologischen Grund, warum Rom die
Ämter der anderen Kirchen nicht endlich anerkennt und die
Abendmahlsgemeinschaft nicht hergestellt werden kann“, war Küngs
Grundüberzeugung.
Der in seinen späten Jahren an Parkinson und einem schweren Augenleiden
erkrankte Küng hatte vor einigen Jahren mit der Ankündigung Aufsehen
erregt, für sich möglicherweise aktive Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen.
Für ihn komme das in Betracht, „wenn ich irgendwelche Zeichen von Demenz
spüre“, erläuterte er in dem Buch „Glücklich sterben?“ von 2014. Nun i…
am Dienstagnachmittag friedlich eingeschlafen, wie es aus seinem Umfeld
hieß.
In einem Interview mit der Talkshow-Moderatorin Anne Will sagte Küng 2013:
„Ich habe alle Bücher geschrieben, die ich schreiben wollte, habe alle
Reisen gemacht, die ich machen wollte. Also ich bin in diesem Sinne ein
glücklicher Mensch, relativ glücklich, und kann sagen, mein Werk hat sich
in etwa gerundet und vollendet.“
6 Apr 2021
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