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# taz.de -- Meeresschutz nicht umgesetzt: Tod im Schutzgebiet
> Deutschland hat zwar nominell Meeresschutzgebiete auf der Ostsee
> ausgewiesen. Doch Grüne und Naturschützer fordern endlich Butter bei die
> Fische.
Bild: Heringe sollen in Stellnetzen landen – passiert das Schweinswalen, ertr…
Hamburg taz | Die Bundesregierung unterschreibt zwar schöne Verträge zum
Schutz der Meeresumwelt. Bei der Umsetzung lässt sie sich jedoch Zeit – zu
viel Zeit für gefährdete Arten wie den Schweinswal oder den Europäischen
Aal, wie Umweltschützer und die Grünen finden. Sie fordern ein Ende der
Stellnetzfischerei in Naturschutzgebieten, damit der Schweinswal überleben
kann, und das Verbot, Europäischen Aal zu fangen.
Deutschland steht gerade besonders in der Verantwortung, weil es den
Vorsitz der Helsinki-Kommission für den Schutz der Ostsee (Helcom) führt.
Deren Vertragsstaaten – die EU und die übrigen Ostseeanrainer – arbeiten
gerade an einer [1][Aktualisierung ihres Ostsee-Aktionsplans (BSAP)], der
eine gesunde Meeresumwelt wiederherstellen soll.
Dabei hätten die Ostseeanrainer einschließlich Deutschland schon die Ziele
des laufenden Aktionsplans verfehlt, kritisiert die Bundestagsabgeordnete
Steffi Lemke (Die Grünen). „Seit der Ausweisung der Meeresschutzgebiete im
Jahr 2004 ist fast nichts passiert“, sagt Lemke. Es gebe keine
Fischereibeschränkungen, die Schutzgebiete hätten kein Management und
selbst Kies- und Sandabbau fände mitten in den geschützten Gebieten statt.
Dass gar nichts geschehen wäre, stimmt so allerdings nicht, wie aus der
Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage Lemkes hervorgeht. In den 2017
ausgewiesenen Schutzgebieten in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ)
der deutschen Ostsee sei die Aquakultur ebenso verboten wie das Verklappen
von Baggergut, in bestimmten Zonen die Freizeitfischerei sowie das
Aussetzen fremder Tiere und Pflanzen.
## Schweinswal gefährdet
Alle Projekte müssten auf Verträglichkeit mit Schutzzielen geprüft werden.
Anfang Februar 2019 sei im Natura-2000-Gebiet „Fehmarnbelt“ zudem das
Verbot der Grundschleppnetzfischerei auf ein größeres Areal ausgedehnt
worden, zum Schutz der dortigen Sandbänke und Riffe.
Für die von Lemke angemahnten [2][Managementpläne], mit denen die
Schutzgebiete professionell in Abstimmung mit den Nutzern in einen guten
Zustand gebracht werden sollen, laufe seit Sommer 2020 die Beteiligung. Sie
würde derzeit endabgestimmt.
Aus Sicht Lemkes reicht das allerdings noch nicht, um die biologische
Vielfalt der Ostsee zu erhalten. Im Blick hat sie dabei insbesondere den
Schweinswal, der in zwei genetisch verschiedenen Populationen zum einen in
der Nordsee und im Kattegat lebt, zum anderen in der Ostsee.
Beide Populationen sind gefährdet. Die in der Nordsee und im Kattegat
umfasst schätzungsweise gut 40.000 Tiere. Eine [3][Studie der
Tierärztlichen Hochschule Hannover] hat jüngst örtliche Rückgänge bis zu 60
Prozent nachgewiesen. Insgesamt [4][sank die Population von 2002 bis 2019
pro Jahr um 1,8 Prozent]. Die Population in der Ostsee umfasst nur
schätzungsweise 500 Individuen, was sie per se als höchst gefährdet
erscheinen lässt.
Nach Angaben der Bundesregierung sind in den Jahren 2004 bis 2015 im
Durchschnitt knapp 130 tote Schweinswale an der Ostseeküste
Schleswig-Holsteins und Mecklenburg-Vorpommerns angespült worden. Für die
Jahre 2002 bis 2007 schätzten Experten, dass 50 bis 60 Prozent der
einigermaßen gut erhaltenen Kadaver aus Beifang stammten, also von Tieren,
die in Stellnetzen ertrunken waren. Wie groß die Zahl der tatsächlich durch
die Fischerei getöteten Tiere sei, lasse sich aber nicht abschätzen.
Walschützer haben gerade wieder an Bundeslandwirtschaftsministerin Julia
Klöckner (CDU) appelliert, die Stellnetzfischerei in der Ostsee zu
verbieten. Nach Angaben der Schutzorganisation Whale and Dolphin
Conservation (WDC) haben 115 Wissenschaftler aus zahlreichen Ländern einen
entsprechenden Brief unterzeichnet. Viele der Tiere fielen Stellnetzen zum
Opfer, die immer noch überall ausgebracht werden dürften, teilte die WDC am
Montag mit.
„Das Aussterben der Population in der Ostsee wäre ein großer Verlust“,
erläuterte WDC-Meeresbiologe Fabian Ritter. „Und die Tatsache, dass
Deutschland zu wenig dagegen tut, ist ein Verstoß gegen geltendes
Naturschutzrecht in Deutschland sowie der EU.“
Die Bundestagsabgeordnete Lemke fordert die Bundesregierung auf, die von
Wissenschaft und EU-Kommission geforderten Notfallmaßnahmen für den
Schweinswal endlich umzusetzen. Dazu gehören ein jährliches sechsmonatiges
Aussetzen der Stellnetzfischerei in Schutzgebieten und der Einsatz von
Pingern in der gesamten Ostsee.
Die an den Netzen angebrachten Pinger sollen die Schweinswale durch ihr
Geräusch vergrämen. Sie sind umstritten. Manche Naturschützer vermuten,
dass sie die Tiere erst recht anlocken, weil sie lernten, dass dort Fisch
zu finden sei. Zudem trügen sie zur Verlärmung des Meeres bei.
Peter Breckling, Generalsekretär des [5][Deutschen Fischereiverbandes],
hält Pinger für eine gute Idee, sofern es sich um interaktive Geräte
handele, die erst pingen, wenn ein Tier sich nähert. „Da sind wir voll
dabei“, sagt er und nennt als Positivbeispiel Schleswig-Holstein. Hier
verwenden die Fischer Pinger und haben zugesagt, ihre Netze einzuholen,
sobald sie einen Schweinswal sichten. Dafür dürfen sie weiter fischen.
Nadja Ziebarth vom Umweltverband BUND weist außerdem darauf hin, dass die
Bundesregierung mehr für den Schutz des Aals tun müsse. Davon gibt es seit
vielen Jahren nur noch sehr wenige, wie der Internationale Rat für die
Ökologie der Meere (Ices) ermittelt hat. „Jeder Aal zählt für das Überleb…
dieser Art“, sagt Ziebarth. Der Fang müsse verboten werden. Breckling
argumentiert hingegen, dass die Fischer etwa durch das Einsetzen von Aalen
zur Bestandserhaltung beitrügen.
31 Mar 2021
## LINKS
[1] /Expertin-ueber-Aktionsplan-saubere-Ostsee/!5718394
[2] https://www.ifuplan.de/de/kompetenzen/biologische-vielfalt-naturschutz/natu…
[3] /Schweinswal-Population-der-Nordsee/!5748765
[4] https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fmars.2020.606609/full?utm_sou…
[5] http://www.deutscher-fischerei-verband.de/geschaeftsstelle.html
## AUTOREN
Gernot Knödler
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