# taz.de -- Wirtschaftskrise in Myanmar: Ein Land im Dauerstreik | |
> Fast leere Geldautomaten, nur noch wenige Lkw und Züge fahren: Viele | |
> Menschen in Myanmar verweigern die Arbeit unter dem Putschregime. | |
Bild: Regimegegner beim Protest in Yangon am vergangenen Freitag | |
BERLIN taz | Sie wollen Geld nach Myanmar überweisen oder warten auf eine | |
Zahlung von dort? Vergessen Sie es. Myanmars privater Bankbetrieb ist laut | |
Berichten lokaler Medien seit kurz nach dem Putsch vom 1. Februar wegen | |
Dauerstreiks von Angestellten weitgehend lahmgelegt. Auch die bestreikte | |
Zentralbank kann ihre Aufgaben nicht erfüllen. Nur zwei Banken des Militärs | |
arbeiten noch – aber ohne computerisierten Zahlungsverkehr. Und | |
Geldautomaten spucken nur eine begrenzte Zahl Scheine aus. | |
Mit der Arbeitsverweigerung im Rahmen der [1][Bewegung für zivilen | |
Ungehorsam (CDM)] wollen Beschäftigte im Bank- und Transportsektor, in | |
[2][Einkaufszentren], Krankenhäusern und Bildungseinrichtungen, [3][Beamte | |
und Staatsangestellte] in Behörden und Ministerien oder Arbeiter in | |
Fabriken und Betrieben das Putschregime in die Knie zwingen. CDM ruft auch | |
immer wieder Generalstreiks aus, zuletzt am 24. März. | |
Die Generäle hatten offenbar gedacht, die Betriebe im Land würden nach dem | |
Putsch schnell zum „business as usual“ zurückkehren. Doch hatten sie nicht | |
mit dem Mut vieler gerechnet, die derzeit Gefängnis, Folter, Jobverlust und | |
das Überleben ihren Familien riskieren. | |
Das Militärregime drängt jetzt insbesondere die Banken zum Arbeiten. Ihnen | |
wurde bereits mit Verstaatlichung gedroht, sie müssen „schwarze Listen“ mit | |
Arbeitsverweigerern abliefern und jetzt auch noch Strafen für jede Filiale | |
zahlen, die nicht öffnet. Bisher half das alles nichts. | |
Ähnlich ist es im Transportsektor. Internationale Reedereien laufen Myanmar | |
kaum noch an. In den Häfen wird auch kaum noch verladen. Es fahren nur | |
wenig Lkw und so gut wie keine Eisenbahnen mehr. Schätzungen zufolge | |
streiken 90 Prozent der Bahnmitarbeiter. | |
Da Soldaten nicht einfach Lokführer ersetzen können, rückten Militär und | |
Polizei in Wohnviertel der Eisenbahngesellschaft in Yangon und Mandalay | |
ein, wie die Zeitung [4][Frontier Myanmar] berichtete. Wer nicht an die | |
Arbeit zurückkehrte, flog samt Familie aus der Werkswohnung. Die meisten | |
Streikenden zogen lieber aus, als sich zu beugen. Buddhistische Klöster | |
nahmen viele auf. | |
Um die friedliche Streikbewegung zu ermutigen, haben sie kürzlich sechs | |
Professoren der Universität Oslo [5][für den Friedensnobelpreis | |
vorgeschlagen]. Die CDM-Bewegung sei ein positiver Beitrag zu „Demokratie | |
und Frieden“. | |
Die Bevölkerung [6][boykottiert] auch Produkte von [7][Firmen des | |
Militärs]. Die Handyapp „Way Way Nay“ („Vermeide es“) hilft, dessen Fi… | |
zu identifizieren. So trinkt kaum noch jemand Myanmar Beer. | |
Wegen der Streiks und täglichen Proteste, des Rückzugs ausländischer | |
Investoren, der Sanktionen westlicher Länder, des Zahlungsstopps | |
internationaler Entwicklungsbanken sowie der täglichen Unterbrechungen des | |
Internets durch die Junta prognostiziert die Weltbank für dieses Jahr ein | |
Minus der Wirtschaftsleistung um 10 Prozent. Vor dem Putsch hatte die Bank | |
noch 5,9 Prozent noch Wachstum erwartet. | |
Druck kommt auch von außen: Firmen wie [8][Kirin] (Japan), Woodside | |
(Australien) oder Electricité de France haben angesichts des brutalen | |
Vorgehens des Militärs – auch an diesem Montag wurden wieder Demonstranten | |
erschossen – ihre Geschäfte und Projekte in Myanmar suspendiert oder den | |
Rückzug angekündigt. Die US-und die EU-Handelskammer schlugen in einer | |
gemeinsamen [9][Erklärung] sogar die Einladung zu einem Treffen mit dem für | |
die Wirtschaft zuständigen Juntavertreter aus. | |
Der [10][Asien-Pazifik-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft (APA)] forderte | |
unlängst eine „Beendigung der Gewalt“ und die „Rückkehr zu einem die | |
Menschenrechte wahrenden Prozess“. Der APA-Vorsitzende und Ex-Siemens-Chef | |
Joe Kaeser erklärte: „Die Eskalation der Gewalt durch das Militär gegen | |
friedliche Demonstranten und der Verlust der freiheitlichen Ordnung sind | |
ein Rückschlag für die Entwicklung des Landes.“ | |
Doch es gibt auch westliche Firmen, die das Militär stützen wie etwas der | |
französische Energiekonzern Total. Der ist in Myanmar an der Ausbeutung von | |
zwei Gasfeldern beteiligt – und laut der Aktivisten von [11][Justice for | |
Myanmar] der größte Steuerzahler im Land, 2019 sollen es 257 Millionen | |
US-Dollar gewesen sein. | |
## Gegenwind von ausländischen Konzernen | |
Total machte trotz Protesten schon unter der alten Junta Geschäfte. Bereits | |
damals wurden für den Pipelinebau viele Menschen vom Militär | |
zwangsumgesiedelt. Jetzt argumentiert Total, sein Gas würde die Hälfte der | |
Stromversorgung Yangons sichern. Hier leben gut 5 Millionen Menschen. | |
In der Kritik steht auch Giesecke+Devrient. Der Münchner Druckmaschinen- | |
und Sicherheitspapierhersteller liefert seit Jahren Spezialmaterialien für | |
den Banknotendruck an Myanmars Zentralbank. Diese wird nun aber von der | |
Junta kontrolliert. Sie ist auf die Notenpresse angewiesen, um Soldaten | |
oder Polizisten zu bezahlen. | |
Giesecke+Devrient, vor deren Firmensitz in der prachtvollen | |
Prinzregentenstraße noch am Samstag die Gruppe German Solidarity with | |
Myanmar Democracy zum Protest aufgerufen hatte, rechtfertigt seine | |
forgesetzten Geschäfte in Myanmar ich mit der „Grundversorgung“ des Landes. | |
Doch genau damit fällt die Firma – wie auch Total – den Streikenden in den | |
Rücken. | |
29 Mar 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Protest-gegen-Putsch-in-Myanmar/!5751983 | |
[2] https://www.myanmar-now.org/en/news/junta-detains-staff-from-major-shopping… | |
[3] https://www.frontiermyanmar.net/en/striking-government-workers-say-they-are… | |
[4] https://www.frontiermyanmar.net/en/no-one-wants-to-work-for-them-evictions-… | |
[5] https://www.irrawaddy.com/news/burma/myanmars-striking-civil-servants-nomin… | |
[6] https://asiatimes.com/2021/03/boycotts-sting-myanmars-money-minded-junta/ | |
[7] /Geld-und-Putsch-in-Myanmar/!5751991 | |
[8] /Nach-Militaerputsch-im-Myanmar/!5746489 | |
[9] https://eurocham-myanmar.org/uploads/2b741-march-4---joint-statement-(3).pdf | |
[10] https://www.asien-pazifik-ausschuss.de/de/positionen/apa-stellungnahme-zum… | |
[11] https://www.justiceformyanmar.org/stories/how-oil-and-gas-majors-bankroll-… | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Myanmar | |
Streik | |
Militärputsch | |
Wirtschaftskrise | |
Weltbank | |
Friedensnobelpreis | |
Aserbaidschan | |
Schwerpunkt Myanmar | |
Schwerpunkt Myanmar | |
Militärjunta | |
Schwerpunkt Myanmar | |
Schwerpunkt Myanmar | |
Schwerpunkt Myanmar | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Geld für autokratisches Regime: Anrüchige Schein-Geschäfte | |
Vor einem Jahr ging der Krieg um Bergkarabach zu Ende. Nun druckt Giesecke | |
& Devrient wohl Propaganda-Banknoten für Aserbaidschan. | |
Militärregime in Myanmar: Mit dem Segen der Mönche | |
Nach dem Putsch kooperieren einige Äbte mit dem Militär. Ihre | |
gesellschaftliche Rolle im mehrheitlich buddhistischen Myanmar hat sich | |
gewandelt. | |
Myanmars Militär setzt Kriegswaffen ein: Mit Granaten gegen Demonstrierende | |
Das Militär in Myanmar tötet an einem Tag allein in der Stadt Bago mehr als | |
80 Demonstrant:innen. Das Land steht vor einem bewaffneten Bürgerkrieg. | |
Proteste in Myanmar: Mit Ostereiern gegen die Junta | |
Aktivisten verteilten Ostereier mit politischen Botschaften. Der Papst | |
solidarisiert sich mit der Protestbewegung. Heiko Maas warnt vor einem | |
Bürgerkrieg. | |
Generalstreik in Myanmar: Tote und Verletzte | |
In Myanmar gehen die Proteste weiter, obwohl Polizei und Militär immer | |
brutaler vorgehen. Nachts terrorisieren sie mit Razzien ganze Viertel. | |
Nach dem Putsch in Myanmar: Generalstreik gegen Generäle | |
Eine Rekordzahl an Menschen beteiligt sich an den Massenprotesten gegen das | |
Militär. Ein Generalstreik legt trotz Todesdrohungen das Land lahm. | |
Protest gegen Putsch in Myanmar: Ungehorsam als Widerstand | |
Beamt:innen und Staatsangestellte wehren sich mit zivilem Ungehorsam | |
gegen die Militärherrschaft. Das erfordert Mut und Opferbereitschaft. |