| # taz.de -- Apartheid-Film „The Forgiven“: Ungerechtigkeiten wieder ausrei�… | |
| > Roland Joffés Film „The Forgiven“ ist prominent besetzt. Er reduziert die | |
| > Apartheid in Südafrika auf den Konflikt zweier Männer als Kammerspiel. | |
| Bild: Will Versöhnung: der südafrikanische Bischof Desmond Tutu (Forest Whita… | |
| Er nennt ihn „boy“ und Schlimmeres. Seine Verachtung legt der Weiße in | |
| Gefängniskleidung schon in die Anrede des älteren Schwarzen im Talar. Doch | |
| dieser korrigiert ihn: „Das heißt ‚Vater‘“, sagt er sanft, „so viel … | |
| sollte sein“. | |
| Der anglikanische Bischof, Menschenrechtler und Friedensnobelpreisträger | |
| [1][Desmond Tutu wurde 1996 zum Vorsitzenden der südafrikanischen | |
| Wahrheits- und Versöhnungskommission TRC] (Truth and Reconciliation | |
| Commission) ernannt. Denn mit dem offiziellen Ende der Apartheid waren | |
| weder der Hass zwischen schwarzer und weißer Bevölkerung noch das Leid und | |
| die durch tausendfache Verbrechen gegen die Menschlichkeit ausgelösten | |
| Traumata beendet. | |
| Die TRC sollte, anders als Gerichtsverhandlungen, in denen Strafen | |
| ausgesprochen wurden, Tätern und Opfern einen Dialog ermöglichen. | |
| Regisseur Roland Joffé verweist somit bereits im Filmtitel auf die Arbeit | |
| der TRC: Es geht um Reue auf der einen und um Vergebung auf der anderen | |
| Seite. „The Forgiven“ folgt Tutus (Forest Whitaker) Bemühungen, | |
| Feindschaften zu beenden. „Es ist einfacher, die ganze Welt zu hassen als | |
| sich selbst“ sagt er verständnisvoll zu dem wegen Mordes und Mitgliedschaft | |
| in der [2][rechtsextremen Burenbewegung „AWB“] verurteilten Piet Blomfeld | |
| (Eric Bana) bei einem Besuch im Hochsicherheitsgefängnis Pollsmoor. | |
| ## Bischof mit gutmütigem Gesicht | |
| Diese Besuche bilden die Rahmenhandlung: Tutu möchte von Blomfeld | |
| Informationen über vermisste Opfer, um deren Familien Gewissheit zu | |
| verschaffen. | |
| „The Forgiven“ wird in weiten Teilen zum Kammerspiel. Verächtlich und | |
| unzugänglich agiert Blomfeld gegenüber dem weißhaarigen Bischof mit dem | |
| gutmütigen Gesicht. Zunächst scheint Blomfeld jeglicher Gedanke an Reue | |
| fern: „Es geht eben um fressen oder gefressen werden“, zitiert der | |
| eloquente Redner feixend Darwin, „entweder man hat einen dicken Bauch – | |
| oder man ist in dem dicken Bauch.“ | |
| Doch weil Joffé seinen Film nach einem mit Michael Ashton verfassten | |
| Drehbuch passend zum Protagonisten an der Idee der Versöhnung ausrichtet, | |
| nimmt er Blomfelds Hass und seinen Glauben an die „white supremacy“ nicht | |
| als gegeben hin, sondern erklärt ihn. | |
| Und zeigt damit die Hoffnung auf einen Ausweg: In Rückblenden deutet er | |
| Erlebnisse an, die Blomfeld als Kind erschütterten, ihn vom unschuldigen | |
| weißen Jungen ohne Hautfarbenbewusstsein zum rassistischen Monster machten. | |
| Wenn Ungerechtigkeiten gepflanzt werden, sagt die Logik des Films, kann man | |
| sie auch wieder herausreißen. | |
| ## In der Religion begründete Menschenliebe | |
| Blomfeld, dessen Figur aus mehreren realen Vorbildern besteht, ist dabei | |
| interessanter: Tutus in der Religion begründete Menschenliebe bleibt | |
| verlässlich gleich, doch Blomfeld entwickelt sich – als ein schwarzer | |
| Mitinsasse von einer schwarzen Gefängnisgang brutal drangsaliert wird, | |
| reagiert Blomfeld ambivalent. Bana spielt die aufkeimende Erkenntnis subtil | |
| und stark, Whitaker als Tutu ist ein ebenbürtiger Gegenpart. | |
| Trotzdem wirkt der 2017 auf Grundlage eines Theaterstücks entstandene Film | |
| allein durch die Themenfülle zuweilen ungenau: Joffé bekommt die | |
| mannigfaltigen Aspekte – Kolonialisierung, jahrhundertelange Unterdrückung | |
| mit unzähligen Opfern, lodernder Hass, Zweifel – nicht komplett in den | |
| Griff. Denn im Gegensatz zu rein fiktionalen Narrativen steht hier die | |
| Realität Pate: Tutu und die TRC existieren; genauso wie Rechtsextreme mit | |
| AWB-Tattoo. | |
| Die Frage bleibt, ob die Konzentration auf die Spannung zwischen dem | |
| fiktiven Blomfeld und dem realen Tutu legitim ist. Oder ob sich die | |
| Monstrosität der Ereignisse der Formatierung in eine Filmhandlung entzieht: | |
| Nach dem Film hat man lediglich einen Bruchteil der Apartheidsgeschichte | |
| erfahren. Das reicht nicht. | |
| 29 Mar 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /taz-Debatte-der-Woche/!5137364 | |
| [2] /Rassistenchef-Terreblanche-beigesetzt/!5144659 | |
| ## AUTOREN | |
| Jenni Zylka | |
| ## TAGS | |
| Spielfilm | |
| Südafrika | |
| Apartheid | |
| Kammerspiel | |
| DVD | |
| Kino | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Australischer Thriller „The Dry“ auf DVD: Der Held hat die Ruhe weg | |
| Der australische Thriller „The Dry“ von Robert Connolly zeigt Eric Bana als | |
| Ermittler auf eigene Faust. Alles in diesem Film ist schwelend. | |
| Queerfilmnacht geht online: Gegen die Unsichtbarkeit | |
| Die Queerfilmnacht bringt queeres Kino auf Kleinstadtleinwände in Parchim | |
| oder Weiterstadt. Wegen des Lockdowns findet sie digital statt. | |
| Postkolonialer Kunstdiskurs: Traumageplagt in der Postapartheid | |
| In der Ausstellung „Dynamische Räume“ im Museum Ludwig in Köln werden die | |
| blinden Flecke der Kunstgeschichte angesteuert. | |
| Rassistenchef Terreblanche beigesetzt: Weiß gegen Schwarz in Südafrika | |
| Auf der Trauerfeier für den ermordeten Chef des | |
| Apartheid-Nostalgikerverbandes AWB, Eugene Terreblanche, machen radikale | |
| Weiße mobil. Der ANC reagiert ratlos. |