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# taz.de -- Pandemiebekämpfung in Bremen: Sparsam mit Selbstkritik
> Regierung und Opposition loben Bremens Coronapolitik wegen der Erfolge
> beim Impfen und Testen. Über die Versäumnisse verlieren sie kein Wort.
Bild: 11,2 Prozent der Bremer*innen haben eine erste Impfung bekommen, die Häl…
Bremen taz | Bremen hat keine Fehler bei der „Bekämpfung der
Coronapandemie“ gemacht. Zu diesem Schluss musste kommen, wer die
gleichlautende Regierungserklärung des Senats mit anschließenden
Stellungnahmen der Fraktionsvorsitzenden am Donnerstagmorgen in der
Bremischen Bürgerschaft verfolgte.
Zwei Stunden lang ging es um [1][die Fehler, die jüngst
Ministerpräsident*innen und Bundeskanzleramt gemacht] hatten: erst
mit der Ankündigung der fünftägigen „Osterruhe“ am Dienstag und dann mit
der Rücknahme derselben am Mittwoch. Dass Angela Merkel die alleinige
Verantwortung dafür übernommen hatte, nötigte einigen Bremer
Politiker*innen Respekt ab, sie lobten ihre Fehlerkultur. Nur: Über
das eigene Versagen bei der Pandemiebekämpfung verloren sie kein Wort.
So begann Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) seine
Regierungserklärung damit, er wolle „mit der Tür ins Haus fallen“. Das
hieß: Er räumte ein, dass die Entscheidungen Anfang der Woche „das
Vertrauen in die Politik stark beschädigt hätten“. Damit meinte er aber
weniger seine Zustimmung zur Osterruhe – die hatte er noch am Mittwoch
verteidigt –, sondern deren Rücknahme durch die Kanzlerin.
Dabei war dies nicht die allererste Entscheidung auf Bundes- oder
Landesebene, die dazu geeignet war, an der Kompetenz und
Regierungsfähigkeit von Politiker*innen zu zweifeln. Vor der dritten
Welle warnten Wissenschaftler*innen seit Januar. Als klar war, dass
diese längst rollte, wurden Anfang März Lockerungen beschlossen.
## Nichts gelernt von Tübingen
Genauso lief es bei der zweiten Welle: Mitte Oktober – man befand sich
mittendrin – trug Bovenschulte die Beschlüsse der
Ministerpräsidentenkonferenz gegen einen Lockdown mit. Während Bovenschulte
stets betont, nicht ausscheren zu wollen, fuhr Bremen [2][den Kurs der am
weitesten geöffneten Schulen mit den geringsten Schutzmaßnahmen].
Nun gibt es Städte und Länder, die von Beginn der Pandemie nicht nur im
Bildungsbereich ihre Entscheidungsspielräume ausgenutzt haben wie Tübingen
und Rostock. Mehrere Redner*innen nannten diese als Positivbeispiele,
die das Infektionsgeschehen in Eigeninitiative in den Griff bekommen hätten
– und jetzt abweichend vom Bundestrend so niedrige Infektionsraten haben,
dass sie nicht schließen müssen, sondern öffnen können.
„Ja“, sagte dazu der Bürgermeister, „das können die machen, weil sie so
niedrige Inzidenzwerte haben.“ Offenbar fragt sich niemand in Bremen, was
der Grund dafür ist und was man sich von dort schon zu einem früheren
Zeitpunkt hätte abgucken können.
Wahrscheinlich ist die Bereitschaft in Bremen zur Selbstkritik trotz
steigender Infektionsraten so niedrig, weil es ja sonst ganz gut zu laufen
scheint. Bovenschulte verwies in der Bürgerschaft auf Bremens Fortschritte
beim Testen und Impfen. „Da stehen wir im Bundesvergleich ziemlich gut da.“
Tatsächlich können sich Bremer Schüler*innen und Lehrkräfte seit zwei
Wochen selbst testen, gleich zwei Mal die Woche, während [3][das in den
anderen Bundesländern erst anläuft oder nur geplant ist]. Weil aber längst
nicht alle mitmachen und manchmal nur eine Minderheit pro Klasse,
befürworten die Grünen eine Testpflicht an Schulen, wie ihr Fraktionschef
Björn Fecker sagte. Auch Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD) wolle
dies, sagte am Donnerstag ihre Sprecherin. Ihr Parteigenosse Bovenschulte
wies dies in der Bürgerschaft zurück – wegen juristischer Bedenken.
## Impfquote ist mittelsuper
Und richtig, beim Impfen ist Bremen mit 11,2 Prozent der Gesamtbevölkerung
[4][zwar nicht mehr Klassenbester], aber immerhin in der Spitzengruppe bei
den Erstimpfungen, wenn auch der Abstand zum Mittelfeld gering ist. Nicht
ganz so gut steht Bremen da, wenn man sich anguckt, wer geimpft ist. Im
Saarland, in Schleswig-Holstein und Thüringen – das sind die anderen Länder
mit einer Impfquote über elf Prozent – beträgt der Anteil derjenigen, die
aufgrund von Alter oder Krankheit geimpft wurden, laut Robert-Koch-Institut
mit Stand vom Donnerstag zwischen 63 und 65 Prozent. Das sind Menschen, die
gefährdet sind, schwer zu erkranken oder zu sterben. Die Hälfte der
Geimpften in Bremen hat aufgrund ihrer Tätigkeiten ein erhöhtes
Ansteckungsrisiko.
In der Schlussgruppe ist Bremen [5][nach einer Berechnung des Vereins
Transdia-Sport] von transplantierten und Dialyse-Patient*innen, wenn es um
die Impfung von Menschen mit Vorerkrankung geht, bezogen auf die
Einwohnerzahlen. Und während das Saarland vor zwei Wochen vermeldete, die
Impfungen in Pflegeheimen abgeschlossen zu haben, weiß die
Gesundheitsbehörde nicht so ganz genau, wie es da aussieht.
## Nur „ungefähre Daten“
Es gebe „nur ungefähre Daten“, sagte eine Sprecherin der Gesundheitsbehör…
auf Nachfrage der taz. Rund 67 Prozent derjenigen aus der
Priorisierungsgruppe I hätten „ihre Erst- und teilweise Zweitimpfung“
erhalten. Dazu zählen Bewohner*innen und Beschäftigte in Heimen sowie
über 80-Jährige und Menschen, die mit Corona beruflich zu tun haben,
insgesamt 75.000 Personen.
Vermutlich nächste Woche wird Bremen die sogenannte „Notbremse“ ziehen,
weil der Inzidenzwert mehrere Tage über 100 gelegen hat. Das bedeutet, dass
man nicht mehr mit Termin shoppen gehen kann, Museen schließen und
Sportangebote für Kinder wegfallen.
26 Mar 2021
## LINKS
[1] /Merkels-Absage-des-Osterlockdowns/!5757138
[2] /Offene-Schulen-trotz-steigender-Inzidenz/!5754856
[3] /Schule-in-der-Coronapandemie/!5757283
[4] https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Daten/Impfquot…
[5] https://twitter.com/TransdiaSport/status/1374755867350990856/photo/1
## AUTOREN
Eiken Bruhn
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