| # taz.de -- Architekturmuseum Frankfurt am Main: Unter dem Beton die Düssel | |
| > Green Cities: Wunsch, Illusion und architektonische Wirklichkeit am | |
| > Beispiel der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf. | |
| Bild: Blick auf den Gustav-Gründgens-Platz in Düsseldorf mit Drei-Scheiben-Ha… | |
| Bis Mitte Juli 2021 läuft im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt am | |
| Main die Ausstellung [1][„Einfach grün – Greening the City“]. Die Schau | |
| stellt sich einem gesellschaftlichen Trend, der sich nun seit Jahren in | |
| urban gardening, grünen Dachgärten und bepflanzten Hochhausbalkonen | |
| manifestiert. Die asphaltierte und betonierte City soll zur begrünten | |
| Stadtlandschaft werden. | |
| Der in Frankfurt aufgezeigte Grüntrend versucht auch, verschüttet gegangene | |
| Gartenstadt-Traditionen wieder sichtbar zu machen und für eine | |
| klimagerechte, fußgängerfreundliche Stadt zu nutzen. Die Kuratoren der | |
| Schau präsentieren dabei auch den Düsseldorfer Köbogen II. | |
| Und dabei geht es nicht um einige grüne Farbtupfer mehr in den Städten, | |
| sondern um die Wiedergewinnung eines urbanen Raums, der in den | |
| besinnungslosen Wiederaufbaujahren zugunsten der autogerechten Stadt | |
| geopfert wurde. In Düsseldorf erinnert sich kaum jemand an die | |
| Hochautobahn, die noch vor wenigen Jahren die Schadowstraße komplett | |
| zerschnitt. | |
| Düsseldorf ist ein gutes Beispiel, um über die Ausstellung hinweg, den | |
| Wandel am Beispiel einer Stadt zu betrachten. In Düsseldorf denkt man heute | |
| vermehrt an die Stärkung des „blaugrünen Bandes“, das auch der Köbogen II | |
| wieder sichtbar machen will. | |
| Denn so wird deutlich, dass die green city nur die Neuauflage eines alten | |
| Landschaftsprojekts ist, das einmal darin bestand, das klassizistische | |
| Hofgarten-Grün mit dem Verlauf der Düssel zusammenzuschließen – jenem fast | |
| in Vergessenheit geratenen Düssel-Bach, einem Nebenfluss des Rheins, der in | |
| den letzten Jahrzehnten kanalisiert, einbetoniert, umgeleitet und | |
| unsichtbar gemacht worden ist. | |
| Eine Stadt, die durch den größten europäischen Fluss, den Rhein, geprägt | |
| wurde, kämpft um ihre namensgebenden, aber verschwundenen Gewässer, und | |
| setzt nun wieder auf grüne Oasen, die den Betonwüsten abgetrotzt werden. | |
| Da zuletzt vermehrt Lebensraum zum Wohnen, aber auch für künstlerische | |
| Projekte gewonnen wurde, bleibt zu hoffen, dass der politische Wille auch | |
| nach geänderten Machtverhältnissen erhalten bleibt, die Zukunft der Stadt | |
| ökologischer und sozialer zu gestalten. Die Chancen stehen zumindest nicht | |
| schlecht, wenn das Bewusstsein steigt, Bestandsbauten nicht einfach | |
| abzureißen, sondern für bestehende communities zu nutzen. | |
| Beispielsweise Wehrmachtsbunker fürs (allerdings luxuriöse) Wohnen im | |
| linksrheinischen Stadtteil Heerdt oder für Künstlerinitiativen, die im | |
| „Kulturbunker Bilk“ in Post-Coronazeiten eine neue Bleibe finden werden. In | |
| einer Stadt, in der einst die Synagoge verwüstet wurde, um Parkplätze zu | |
| schaffen und in einer Stadt, die sich zwar gerne mit der renommierten | |
| Kunstakademie schmückt, ansonsten aber die Kunst rückhaltlos | |
| kommerzialisiert, muss mehr Raum für soziale Gruppen und künstlerische | |
| Vielfalt entstehen, ohne direkt schnieke Neubauten dafür zu errichten. | |
| Im Herzen der Düsseldorfer City hat Christoph Ingenhoven nicht einfach nur | |
| klimaneutrale, sondern auch grüne Architektur geschaffen, um „den | |
| notwendigen ökologischen Umbau der Stadt zu meistern“. Er kritisierte, dass | |
| sich Daniel Libeskind damit begnügte, in die Fassadenspalten des Köbogen I | |
| ein paar kümmerliche Sträucher als Alibigrün einzupflanzen. | |
| Ingenhoven war das nicht genug. Er schuf eine furiose Grün-Architektur, | |
| eine 8.000 Meter lange Hainbuchenhecke, die sich über das pyramidenförmige | |
| Hauptgebäude an der Schadowstraße hochschlängelt. Der Düsseldorfer spricht | |
| denn auch gerne von Land Art, weil er nicht nur die beiden | |
| Nachkriegs-Ikonen Dreischeibenhaus und Schauspielhaus, sondern auch den | |
| Hofgarten von Maximilian Friedrich Weyhe vor Augen hat, der aus der | |
| ehemaligen Festungsstadt Düsseldorf erstmals einen begrünten Stadtraum | |
| schuf. | |
| ## Dauerthema in der Landeshauptstadt | |
| Die bepflanzte Fassade, die in diesem Frühjahr endlich zu sprießen beginnt, | |
| ist seit Jahren ein Dauerthema in der Landeshauptstadt. Damit hat sich der | |
| ungeliebte Gustaf-Gründgens-Platz, der sich vom Parkplatz zum berühmtesten | |
| Düsseldorfer Unort mauserte, letztendlich doch von Grund auf transformiert. | |
| Christoph Ingenhoven wollte den Gustaf-Gründgens-Platz endlich zu einem | |
| anspruchsvollen Begegnungsraum inmitten der rheinischen Metropole machen: | |
| „Der Platz hat die Chance, als landschaftlicher Platz zum Teil des | |
| Hofgartens zu werden.“ „Nicht als Teil eines Dreigestirns“ – bestehend … | |
| Helmut Hentrichs Dreischeibenhaus, Bernhard Pfaus Schauspielhaus und | |
| Richard Meiers Warenhaus – „sondern als Fortschreibung des Parks.“ | |
| Dort, wo in den wilden 1960er Jahren noch Autos die Sicht auf den Hofgarten | |
| und Landskrone-Weiher versperrten, steigt jetzt, neben der | |
| Heckenarchitektur und den Leitbildern der Nachkriegsmoderne zudem eine | |
| grüne, begehbare Dachlandschaft empor. Zwar beinhalten die begrünten | |
| Architekturen ausschließlich kommerzielle Einrichtungen, aber die Bauwerke, | |
| zu denen sich nun auch das grüne Dach des Schauspielhauses hinzugesellt, | |
| schaffen einen neuen öffentlichen Stadtraum, der stark auf soziale | |
| Interaktion setzt. | |
| ## Ökologischer Umbau | |
| Nicht von ungefähr ist der ökologische Umbau der Düsseldorfer Innenstadt | |
| für Christoph Ingenhoven eng mit dem Gustaf-Gründgens-Platz verknüpft, | |
| jenem tragischen Theatervorplatz, der von den Düsseldorfern immer nur als | |
| Durchgangsort, aber niemals als „Platz mit sozialen Qualitäten“ | |
| (Ingenhoven) empfunden wurde: „Es gibt immer noch große Widerstände, auf | |
| dem Gustaf-Gründgens-Platz neue Bäume anzupflanzen. Ich gehe aber davon | |
| aus, dass es dazu keinerlei Alternative gibt. Ich wünsche mir für | |
| Düsseldorf eine Million, zwei Millionen, ja sogar fünf Millionen Bäume.“ | |
| Auch der Düsseldorfer Architekt und Projektentwickler Andreas Knapp möchte | |
| das soziale Kapital seiner Stadt vermehren und den öffentlichen Stadtraum | |
| am liebsten neu erfinden. Knapp, der in den 1990er Jahren den Derendorfer | |
| Güterbahnhof für eine start up-Firma erwarb, bevor die Altbauten zugunsten | |
| renditeträchtiger Investorenwohnungen fast restlos abgerissen wurden, | |
| kämpft heute für „den Charme und die Seele der alten Gebäude“. | |
| Andreas Knapp interessiert sich für die sozialen Räume, die sich völlig | |
| unerwartet in den einst für andere Nutzungen vorgesehenen Altbauten auftun. | |
| Beispielsweise für den Wehrmachtsbunker auf der Aachener Straße, in den | |
| bereits vor Jahren Künstler auf der Suche nach Ateliers einzogen und den | |
| die Wandmaler von „Farbfieber“ künstlerisch in Besitz nahmen. | |
| ## Transformation eines Bunkers | |
| Der im Umbau von Altbauten erfahrene Andreas Knapp weiß, dass die | |
| Transformation eines Hochbunkers schwierig und aufwendig ist. Der | |
| Projektentwickler überzeugte die Düsseldorfer Bezirksvertretung mit einem | |
| schlüssigen Konzept, um den siebengeschossigen Bunker auch für die Zukunft | |
| als einen öffentlichen Kulturort zu erhalten. Der Bund und die Stadt | |
| Düsseldorf unterstützen das Kulturprojekt mit knapp zwei Millionen Euro. | |
| Nach der Coronakrise werden hier Theater-, Tanz- und Musikgruppen in die | |
| Multifunktionsräume einziehen. Die Einnahmen durch kurzfristige | |
| Vermietungen sollen dann Kunstausstellungen, Konzerte und Comedy-Abende | |
| ermöglichen. Auf einer Etage wird Indoor-Farming eingerichtet, auf einer | |
| anderen können Kräuter und Salate verkauft werden. „2,5 tausend | |
| Quadratmeter stellen wir den Künstlern und Kulturschaffenden zur Verfügung, | |
| um die Gruppen zu unterstützen, die dringend Arbeitsflächen benötigen.“ | |
| Das wirtschaftliche Konzept soll das Angebot des Bilker Kulturbunkers | |
| sichern und die laufenden Betriebskosten decken. Zwar rümpften einige die | |
| Nase, als bekannt wurde, dass der Projektentwickler auf das Dach des | |
| Kulturbunkers fünf Wohnungskuben aufpflanzen will, die dem hochpreisigen | |
| Immobiliensektor zuzurechnen sind. „Das ist eine Art der Querfinanzierung, | |
| durch die ich an meinen eigenen Gewinn denke. Aber letztendlich kommt das | |
| ja auch dem Kulturbunker zugute“, beruhigt Andreas Knapp die Gemüter. | |
| Kulturbunker und Köbogen II, die beiden so unterschiedlichen Projekte | |
| könnten die Grundsteine für die soziale und ökologische Erneuerung | |
| Düsseldorfs werden. Doch zunächst müsste die Pandemie ein Ende haben. | |
| 24 Mar 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://dam-online.de/veranstaltung/einfach-gruen/ | |
| ## AUTOREN | |
| Klaus Englert | |
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