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# taz.de -- Digitaler Nockherberg: Hat auch gar nicht wehgetan
> Bier, Spott, Gesang. Und das alles vor Live-Publikum – geht doch. Der
> Starkbieranstich am Nockherberg ist mit Erfolg ins Netz verlegt worden.
Bild: Fastenprediger Maxi Schafroth nahm eigentlich nur den Bundesverkehrsminis…
München taz | Der Berg ruft, die Politiker kommen. Als gäbe es nichts
Schöneres, als vor aller Augen abgewatscht zu werden und gute Miene zum
bösen Spiel machen zu müssen. Aber so war es schon immer beim
Salvatoranstich am Münchner Nockherberg. Und [1][so ist es auch in diesem
Jahr wieder] – obwohl die Veranstaltung am Freitagabend rein digital
ausfällt: mit Politikern, die per Video in den Festsaal zugeschaltet sind.
Vorne auf den großen Bildschirmen, die auf den Biertischen stehen, sieht
man die Gesichter, deren Inhaber sonst an eben diesen Tischen sitzen:
Ministerpräsident, Oberbürgermeister, Landtagspräsidentin … Hinten auf der
großen Videowand hat sich der Rest versammelt, die ab der dritten Reihe.
Fast wie im richtigen Leben halt.
Coronabedingt verzichtet die Paulaner-Brauerei, die das
Politiker-Derblecken ausrichtet, auf das sonst ebenfalls übliche Singspiel
und beschränkt sich auf die Fastenpredigt, die in diesem Jahr zum zweiten
Mal von Kabarettist Maxi Schafroth gehalten wird. Der legt sich ins Zeug,
macht ein multimediales Spektakel aus der Predigt – unterstützt vom Chor
der Jungen Union Miesbach und dem Zwangsorchester des Deutschen Hotel- und
Gaststättenverbands, die – so fiktiv sie auch sind – mit realen
musikalischen Intermezzi glänzen.
Die Show Schafroths ist kurzweilig, ein kleiner Rundumschlag zur Politik in
Zeiten der Pandemie – wenn auch mehr rundum als Schlag. Dabei dreht sich
aber nicht alles nur um die Bekämpfung von Corona. Es geht um Wirecard und
den Münchner Mietmarkt, um Spezlwirtschaft und den ÖPNV auf dem Land.
Der grundsympathische Fastenprediger bleibt dabei recht freundlich,
entsprechend begeistert wird hinterher auch die Resonanz der Politiker
ausfallen. Nur mit dem bayerischen Kultusminister Michael Piazolo von den
Freien Wählern und mit Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) geht er
etwas härter ins Gericht.
Piazolo, der so manche Panne in Sachen Distanzunterricht zu verantworten
hat, bleibt guter Laune, schließlich bekommt er Tag für Tag ganz andere
Attacken zu hören. Scheuers Gesicht dagegen ist versteinert, als ihm
Schafroth die Maut-Millionen vorhält: „Entschuldigung, Andi! 580 Millionen!
Damit hätte der Gerd Müller einen ganzen Kontinent vorm Hunger bewahren
können“, schimpft der 35-jährige Allgäuer. „Der Andi, ein Unikat, 580
Millionen versenkt und schaut unschuldig wie ein Kälbchen kurz vorm
Bolzenschuss.“
Gemeinsam mit seinen Sängerbuben will Schafroth dem Minister eine Brücke
bauen, um sich zu entschuldigen: „Ich sag’ Entschuldigung“, singen sie ihm
vor, „es tuat ma Leid, ich hab’ euch sauber bschissen, des war ned
gscheid.“ Scheuer jedoch wird die Anregung nicht aufgreifen und von einer
Entschuldigung lieber absehen.
## Söder hebt den Daumen
Für [2][Ministerpräsident Markus Söder], zugeschaltet aus der Zirbelstube
der bayerischen Staatskanzlei, ist der Abend dagegen ein reiner
Wohlfühltermin, er macht auch gar keinen Hehl daraus. „Ich fand’s super“,
wird er hinterher bekennen, „echt ein cooler Auftritt. Mir hat’s wirklich
Freude gemacht.“ Das sagt im Zweifel natürlich jeder, Söder aber darf man
es abnehmen. Denn statt Hiebe setzt es für ihn nur liebevolle Frotzeleien.
Meist sind es Witze in der Liga, in der auch Söder regelmäßig selbst in
gespielter Selbstironie über sich scherzt.
Als „emotionale Planierraupe“ bezeichnet ihn der Prediger etwa, weil er den
SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz wegen seines „schlumpfigen Grinsens“
angemacht hat. Wegen seines perfekt in Szene gesetzten Krisenmanagements
aber auch als Don Juan de Corona, dem die Herzen zuflögen – auch wenn er
seit Corona nur noch mit Hüftschwung um den Landtag rumregiere. Für Söder
mache es jedoch keinen Unterschied, welcher Allmächtige den Verzicht
verordne. Immerhin warnt Schafroth die Grünen im Bund vor Söder: „Der
Markus dreht euch ungewürzt durch den Tofu-Wolf, [3][Schwarz-Grün mit der
CSU], das ist ungefähr so, als ob Greta Thunberg ein Praktikum bei Shell
anfangen würd’.“
Während des Schlussapplauses hält Söder den nach oben gestreckten Daumen in
die Kamera und nickt gönnerhaft. Seiner guten Laune dürfte auch [4][der
ebenfalls zugeschaltete CDU-Kollege Armin Laschet] keinen Abbruch getan
haben, der kurz vor Beginn der Predigt noch bemerkte, wie nett man doch als
Ministerpräsident in Bayern behandelt werde. „Deshalb verstehe ich auch,
dass der Markus Söder unbedingt in Bayern bleiben will.“
Und auch Landtagspräsidentin Ilse Aigner scheint an diesem Abend schon ins
Postengeschacher eintreten zu wollen. Wenn das Kanzleramt im Herbst nach 16
Jahren vermutlich wieder an einen Mann gehe, so die CSU-Politikerin, dann
könnte doch in der Staatskanzlei in München oder Düsseldorf ein Platz für
eine Frau frei werden. Rein grundsätzlich, versteht sich.
So bleibt am Ende der größte Verlierer des Abends die bayerische SPD. Denn
das Schlimmste am Nockherberg, so besagt es eine alte Regel, ist es, gar
nicht erwähnt zu werden. Die einzigen Sozialdemokraten, die an diesem Abend
Beachtung finden und zugeschaltet werden, sind Münchens Oberbürgermeister
Dieter Reiter und Bundesfinanzminister Scholz, der ständig mit einem
Schlumpf in die Kamera winkt. Auf Landesebene, so die implizite Botschaft,
findet Sozialdemokratie nicht mehr statt. Ihre Abwesenheit fällt aber auch
nicht weiter auf.
6 Mar 2021
## LINKS
[1] https://www.br.de/mediathek/video/auf-dem-nockherberg-2021-die-starkbierpro…
[2] /CSU-Politiker-Soeder-ueber-gruene-Politik/!5178402
[3] /Ausblick-auf-das-Wahljahr-2021/!5735727
[4] /Armin-Laschet-und-Corona/!5747166
## AUTOREN
Dominik Baur
## TAGS
Bayern
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