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# taz.de -- Derblecken am Nockherberg: Dem Vater des Vaterlands
> Das anbiedernde Kabarett auf dem Münchner Nockherberg ist ein trauriges
> Beispiel bayerischer Volkskultur. Dagegen hilft nur Starkbier.
Bild: Da lacht der Strizzi – Kritik ist nicht zu erwarten
Dass Bayern anders ist als ein hundsgewöhnliches Bundesland, darauf sind
viele im sogenannten Freistaat sakrisch stolz. [1][Wie dieses Anderssein
aussehen kann], ist zu beobachten, wenn die Starkbierprobe auf dem
Nockherberg in München übertragen wird.
Und es ist ja auch wahr. So etwas wie dieses Spektakel ist anderswo nicht
vorstellbar. Nicht weil das Starkbier, das zur Fastenzeit in München
ausgeschenkt wird, so stark ist, sondern weil sich da so schön sehen lässt,
wer das Sagen hat in diesem Land.
Das „Derblecken“, das im Zentrum der Anstichzeremonie steht, ist über die
Grenzen des Fleisch- und Anti-Gender-Äquators hinaus bekannt. Diese
Tradition des Verarschens von Politikern ist ein besonders trauriges
Beispiel der bayerischen Volkskultur.
In der Fastenpredigt und dem anschließenden Singspiel werden seichte
Witzchen über Politiker gemacht, harmlose Parodien vorgeführt, die ein
bisschen kratzen, aber gewiss niemanden wehtun. Am Ende zählt sowieso nur,
ob es dem Chef [2][der Paulaner-Brauerei] gefällt. Jener Andreas Steinfatt
ist der Zeremonienmeister und Chefzensor der Veranstaltung, die meist nicht
länger als eine Stunde dauert, aber vom Bayerischen Rundfunk zu einer
Sendung von satten drei Stunden aufgeblasen wird.
## Überhaupt die Gäste!
Genug Zeit, sich genauer anzuschauen, was sich die Gäste in diesem Jahr an
Geschmacksverirrungen von ihren Trachtendealern haben aufschwatzen lassen.
Überhaupt die Gäste! Die sind handverlesen, Münchner Patriziertum und
Geschäftspartner der Paulaner-Brauerei. Für das Publikum ist die
Starkbierbrobe kein kulturelles Ereignis, sondern ein Geschäftstermin.
Im Mittelpunkt dieser öffentlich-rechtlichen Dauerwerbesendung für die
Nationaldroge Bier steht das Überreichen der ersten Mass des Abends an den
Bayerischen Ministerpräsidenten. „Salve Pater Patriae!“, sagt dann der
Brauereichef zu Markus Söder. Der lässt sich gewiss gerne als Vater des
Vaterlands bezeichnen. Ein wahrhaft gruseliges Ereignis und genau deshalb
wirklich einmalig. Nach Coronapause und kriegsbedingter Absage im vorigen
Jahr gibt es nun endlich eine neue Folge dieser bayerischen Horror-Show.
Prosit!
4 Mar 2023
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## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
Bayern
Markus Söder
Starkbieranstich
Oktoberfest
Bayern
München
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