# taz.de -- Münchener Industriellenfamilie: Gut, besser, Beton | |
> Kaum eine andere Industriellenfamilie hat das moderne München so geprägt | |
> wie die Schörghubers. Ein neues Buch erzählt nun die Saga des Clans. | |
Bild: Josef Schörghuber auf dem Hacker-Pschorr-Weißbierfest, München 1983 | |
Oben auf dem Nockherberg, da zeigt München sein Gesicht. Im Paulanergarten | |
kann man Bier trinken. Weil die Bäume noch recht jung sind, hat man Segel | |
aufgespannt, die Schatten spenden. Geschichten aus dem Paulanergarten mag | |
man aus der Werbung kennen, das Paulaner-Logo kennt man fast auf der ganzen | |
Welt. Urig aber ist es nicht gerade an diesem Ort oberhalb der Au. Das | |
Gasthaus ist im Stil der Münchner Gastro-Postmoderne renoviert worden. Es | |
sieht aus wie das Kühlhaus einer Schlachterei, die man mit massiven | |
Holzmöbeln bestückt hat. | |
Der Festsaal, in dem jedes Frühjahr der Beginn der Starkbierzeit in München | |
gefeiert wird, indem man bayerische Politiker mit staatstragendem | |
Softkabarett eher adelt als kritisiert, ist auch nicht viel schöner. Wenn | |
Elon Musk ihn sähe, er könnte glatt auf die Idee kommen, in der riesigen | |
Mehrzweckhalle eine Produktionsstraße für Elektromobile einzurichten. Vor | |
dem Starkbieranstich werden Biertischgarnituren aufgebaut, dazu gibt es | |
Hopfenoptik. Schon wird aus der seelenlosen Halle ein Sauftempel der | |
Gemütlichkeit. So praktisch geht bayerisch. | |
Gleich hinter dem Festsaal ist erst einmal nichts – außer einer irrwitzig | |
großen Baugrube. [1][Da entstehen unter dem PR-Label „Hoch der Isar“ | |
Wohnungen.] Bis zu 27.000 Euro für den Quadratmeter muss zahlen, wer einmal | |
mit Blick auf den Paulanergarten wohnen will. Das soll selbst für München | |
viel sein. | |
Vom Bier zum Beton war es noch nie ein weiter Weg in der Landeshauptstadt. | |
Und niemand steht so sehr dafür wie die Familie Schörghuber. Der gehört | |
mehrheitlich die Paulaner Brauerei und sie hat das Grundstück an die | |
Immobilienentwickler vertickt, die jetzt die Wohnungen im hochpreisigen | |
Segment errichten. Seit über 65 Jahren verdienen sich die Schörghubers an, | |
in und um München herum dumm und dusselig. | |
## Ganze Stadtteile gebaut | |
Auf fünf Milliarden Euro Privatvermögen wird Alexandra Schörghuber, die | |
derzeitige Patronin der Familie, geschätzt. Sie ist die Schwiegertochter | |
jenes Bauingenieurs Josef Schörghuber, der nach dem Krieg von Mühldorf aus | |
nach München aufgebrochen ist, um auf den Nachkriegsbaustellen | |
Fensterrahmen und Türen zu vertreiben. 1954 gründet er das Unternehmen, | |
ohne das München heute wohl anders aussehen würde – die Bayerische Hausbau. | |
Er kaufte Grund, so viel er konnte, und hat ganze Stadtteile errichtet. Ein | |
goldenes Händchen hat er dabei gehabt, wird denken, wer das Buch zum nicht | |
gerade runden 65. des Unternehmens, das sich die Schörghubers haben | |
schreiben lassen, durcharbeitet. | |
Der Hunger nach Immobilien war es auch, der Schörghuber zum Bier gebracht | |
hat. Als er 1979 die Brauerei Hacker-Pschorr gekauft hat, haben ihn vor | |
allem die Liegenschaften interessiert, die sich im Besitz des | |
traditionsreichen Brauhauses befanden. So ist Schörghuber zu | |
Immobilienbesitz im Herzen der Stadt, am Marienplatz und in den | |
angrenzenden Fußgängerzonen gekommen. Und noch etwas ist ihm gelungen mit | |
dem Kauf: Er hat seinem Betonimage, für das wie kein zweites Gebäude in der | |
Stadt der Hotel- und Appartmentkomplex des Arabella-Hochhauses steht, ein | |
Traditionselement hinzugefügt, eine Brauerei, deren Gründung auf das Jahr | |
1363 datiert wird. | |
Dass die Schörghuber Unternehmensgruppe in Wahrheit vollkommen | |
traditionsresistent ist, sieht man daran, wie sie mit ihrer Braustätte | |
umgegangen ist. Um mit Grund und Boden Geschäfte machen zu können, wird | |
nicht mehr zu Fuße des Nockherbergs in der Au gebraut. Paulaner kommt jetzt | |
aus Langwied im Westen der Stadt, verkehrgünstig direkt an einem | |
Autobahnkreuz gelegen. | |
Das Arabellahaus, jener 75 Meter hohe Betonriegel mit seinen 23 Stockwerken | |
und dem wohlklingenden Namen ist mythenumrankt in der Stadt. Schäferwiese | |
hieß das Grundstück gleich hinter dem noblen Villenviertel Bogenhausen, bis | |
Schörghuber die Bagger auffahren ließ und ein verschlafenes Eck der Stadt | |
in die Moderne katapultiert hat. Im Keller des Hauses hat Giorgio Moroder | |
die Musicland Studios betrieben, wo auch schon mal Queen ein Album | |
eingespielt hat. Das erzählt jeder Münchner gerne, wenn er sich angegriffen | |
fühlt, weil jemand seine Stadt als provinziell bezeichnet hat. Noch was? | |
Schöner baden, als im 23 Stock des Komplexes, lässt es sich kaum in der | |
Landeshauptstadt. Das wissen auch alle in München, auch diejenigen, die | |
sich die 39 Euro Eintritt in den Spa-Bereich noch nie geleistet haben. | |
## Die „Bauland-Affäre“ | |
Das Hotel hat seine besten Jahre hinter sich, vor allem der Beton, so heißt | |
es. In ein paar Jahren wird es abgerissen. Weil es längst ein Wahrzeichen | |
der Stadt ist, wird es danach wieder aufgebaut. Es ist schließlich auch so | |
etwas wie die Visitenkarte der Schörghubers, die mit ihrer Bayerischen | |
Hausbau Maßstäbe gesetzt haben in der Entwicklung neuer Stadtteile für das | |
ständig wachsende München. | |
Warum es immer wieder die Schörghubers waren, die den Zuschlag für die | |
Bebauung riesiger Areale erhalten hat, das hat man sich oft gefragt in | |
München. Und als ein waschechter Korruptionsskandal, der als | |
„Bauland-Affäre“ in die Stadtgeschichte eingegangen ist und die Münchner | |
Oberbürgermeisterwahl des Jahres 1984 entschieden hat, glaubte man, eine | |
Antwort gefunden zu haben. Das sechsjährige, in der | |
Nachkriegsstadtgeschichte bislang einmalige Interregnum der CSU endete, | |
weil der spätere Wahlgewinner Georg Kronawitter von der SPD nicht müde | |
wurde zu betonen, dass es eine CSU-Verabredung gab, Schörghuber 60.000 | |
Quadratmeter städtischen Grundes weit unter Wert zugeschustert zu haben. | |
In der Schörghuber-Jubel-Fibel steht natürlich, dass doch alles rechtens | |
war. Es ist ja auch die Geschichte eines Unternehmens, dessen Geschichte | |
auf dem Selfmademan-Mythos seines Gründers fußt. Ein solcher braucht ja | |
keine anderen und er zieht sich auch selbst aus dem Dreck, wenn Geschäfte | |
mal nicht so gut laufen. Ein Airline, die Schörghuber zusammengekauft hat, | |
wollte nicht recht abheben und als der Bauträger ins Baugeschäft einsteigen | |
wollte, war das auch nicht von Erfolg gekrönt. Sonst lief alles wie | |
geschmiert. Lag das an seinen Beziehungen? An denen zu Franz Josef Strauß | |
gar, der Bayern von 1978 bis 1988 regiert hat? Ach, woher! Stefan, der | |
Schörghuber-Sohn, der nach dem Tod des Vaters dessen Imperium übernommen | |
hat, meint, die beiden leidenschaftlichen Hobbypiloten hätten sich kaum | |
gekannt. | |
So richtig passt das nicht zu den Geschichten, die etwa von der Feier zum | |
60. Geburtstag der CSU-Ikone im Jahre 1975 erzählt werden. Da hatte sich | |
die gesamte bayerische Oligarchie versammelt. Josef Schörghuber war auch | |
dabei und hat Strauß ein Erinnerungsfoto geschenkt, das diesen | |
braungebrannt in Piräus zeigt. Was Schörghuber mit der | |
Griechenland-Connection des damaligen CSU-Chefs zu tun hatte, das wüsste | |
man dann schon gerne. | |
## Lachse in Chile | |
Vielleicht war es ja nichts, vielleicht war es aber auch eine gute Portion | |
Wohlwollen für die Treffen von Strauß mit Vertretern der gestürzten | |
Militärdiktatur in Griechenland, [2][mit denen er sich so gut verstanden | |
hat wie mit Chiles Diktator Augusto Pinochet.] Als Strauß diesen 1977 | |
besucht hat, gehörten auch die Schörghubers zu seiner Delegation. Ob es | |
sich gelohnt hat? Die Schörghubers jedenfalls haben bald Chiles größte | |
Brauerei gekauft. Außerdem züchten sie seit 1989 Lachse in Chile. Warum | |
eigentlich? Mit dem Ziel, „die stetig wachsende Weltbevölkerung ressourcen- | |
und umweltschonend zu ernähren“, heißt es auf der Schörghuber-Website. Man | |
dankt. | |
Es gibt auch Gerüchte in München, nach denen der alte Schörghuber mit | |
Strauß’ Männerfeind Helmut Kohl viel besser konnte als mit dem CSU-Riesen. | |
Als sich der Altkanzler in den 1990ern über seine anonymen Spender wie ein | |
Ehrenmann ausschwieg, gab es das Gerücht, Schörghuber habe sich darüber | |
gewundert, warum das Geld, das er gespendet habe, nicht in den | |
CDU-Rechenschaftsberichten vermerkt worden sei. | |
Bestätigen wollte das nie jemand so recht. Und weil das Buch Schörghuber | |
eher eine Hagiografie ist als ein Sachbuch, findet man darüber nichts | |
darin. Man soll sich delektieren an den Bildern riesiger Luxushotels und | |
Edelimmobilien, mit denen die Schörghubers Geld machen. Das Hotel über der | |
Elbphilharmonie in Hamburg gehört ebenso dazu wie ein Luxus-Ressort auf | |
Mallorca. Die Schörghubers haben die Welt erobert. Einfach so, sagen sie | |
selbst. | |
Derweil nimmt die Geschichte der Oligarchenfamilie, die sich am Rande der | |
Alpen auf Gut Bohmerhof niedergelassen hat, weiter ihren Lauf. Josef | |
Schörghubers Tochter [3][Arabella darf sich neuerdings Oktoberfestwirtin] | |
nennen. Der Aufstieg einer Familie, deren Ahn ein Schreiner aus Mühldorf | |
war, in den Münchner Stadtadel hat einen neuen Höhepunkt gefunden. | |
Wienswirtin! Mehr geht nicht in der Stadt. | |
10 Jul 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://muenchen-hochderisar.de/ | |
[2] /!1862213/ | |
[3] https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-oktoberfest-wiesn-paulaner-sc… | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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