| # taz.de -- Pannen in der Pandemie: Deutschland einig Schlafiland | |
| > In der Coronakrise zeigt sich die Bundesrepublik als verpenntes Gebilde. | |
| > Zeit, sich auf einen modernen postpandemischen Staat zu freuen. | |
| Bild: Impfen in der Kneipe – schön deutsch | |
| Jetzt ist schon wieder nichts passiert, könnte man in Abwandlung des | |
| Kulteinstiegs in die Krimis von Wolf Haas sagen. | |
| Denn Deutschland kann aktuell gar nichts mehr: Kein Impfen und kein | |
| Organisieren, ja nicht einmal einen anständigen Lockdown kriegen wir noch | |
| hin, wie uns die nicht sinken wollende Coronakurve seit Tagen verdeutlicht. | |
| Dabei war das alles doch mal unser Stärke; einst, wie etwa die | |
| Westfalenpost schreibt, waren wir nicht nur dauernd Fußball-, sondern auch | |
| „Organisationsweltmeister“. [1][Und sogar die New York Times macht sich | |
| Sorgen um ausgerechnet uns]: „Germany, once a model, is swamped like | |
| everyone else by pandemic’s second wave“. „Swamped“ – ich musste | |
| nachschlagen – bedeutet überflutet. | |
| Und das ist insofern faszinierend, als im [2][Bericht der Bundesregierung | |
| zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz aus dem Jahr 2012] zwei | |
| „Risikoanalysen“ durchgespielt wurden, nämlich „Extremes Schmelzhochwass… | |
| aus den Mittelgebirgen“ (Stichwort: Klimaverschlechterung) und „Pandemie | |
| durch Virus Modi-SARS“ (Stichwort: Hier und heute). | |
| ## Gesundheitsämter an Wochenenden | |
| Aber ich schweife ab – und vielleicht ist ja genau das unser Problem: Wir | |
| machen Risikoanalysen und scheren uns dann nicht weiter darum. Wir | |
| wiederholen lieber jeden Montagmorgen mit folternder Verschlafenheit den | |
| Satz: „Da an Wochenenden nicht alle Gesundheitsämter Daten übermitteln, | |
| liegen die Fallzahlen zu Wochenbeginn in der Regel niedriger als an anderen | |
| Tagen“, anstatt, ja anstatt was?! | |
| Anstatt endlich dafür zu sorgen, dass Gesundheitsämter wie | |
| Polizeistationen, Feuerwehrwachen und Tageszeitungsredaktionen so besetzt | |
| und ausgestattet sind, dass sie ihren Aufgaben auch sonntags nachgehen | |
| können und wir diesen erniedrigenden Satz nicht mehr hören müssen. | |
| Aber wir kriegen ihn einfach nicht mehr hin, den Blitzkrieg, nicht mal | |
| einen gegen das Virus. Und wenn man, durch solch einen belasteten Begriff | |
| aus dem teutonischen Schlummer hochgeschreckt, sich erinnert, wozu die | |
| deutsche Organisationsmeisterschaft in der Vergangenheit so eingesetzt | |
| wurde, dann kann vielleicht so etwas wie Entspannung über die gegenwärtige | |
| Zipfelmützigkeit der Pandemiebekämpfungspolitik einsetzen. | |
| Die Deutschen, sie sind eben in ihrer Mehrheit keine todbringenden Meister | |
| mehr, sie sehen auch nicht, [3][wie die in dieser Hinsicht | |
| notorisch-lobbyistische CSU mit ihrem Herrn Nüßlein], in erster Linie | |
| darauf, wie sie ein G’schäft aus dem Desaster machen können. | |
| ## Treu und stumm | |
| Sie stehen, bis auf immer weniger Verwirrte, die unbedingt ungeimpft | |
| sterben möchten, [4][und hoffentlich jetzt endlich besser überwachte | |
| Nazis,] die im Elend immer Aufwind wittern, treu und stumm da und warten | |
| auf den eigenen und mehr noch auf den Impftermin der Großmutter. | |
| Und insofern, in ihrer Passivität und ihrer ja auch vollkommen unironisch | |
| grundsympathischen Gutgläubigkeit, dass die Obrigkeit sogar in Form eines | |
| Jens Spahn das schon alles richtig machen werde am Ende, stehen sie in | |
| einer Nationaltradition, die weit hinter das preußisch-zackige Zerrbild | |
| zurückreicht. | |
| „Blödigkeit“, heißt es [5][im grandiosen 800-Seiten-Wälzer „Ungeschick… | |
| Eine Fallgeschichte der deutschen Literatur“], sei „letztlich nur ein | |
| Zögern des Individuums vor dem Eintritt in die Moderne“. Wenn wir das auf | |
| unsere Verhältnisse zurückspiegeln, dann sehen wir in der Ferne einen | |
| modernen, digitalisierten, finanziell dank wirksamer | |
| Superreichenbesteuerung üppig ausgestatteten Sozialstaat, der die | |
| Herausforderungen von Naturkatastrophen wissenschaftlich begleitet, | |
| pragmatisch und leidenschaftlich angeht. Damit wir die Vormoderne mit ihren | |
| sich immer montags wiederholenden Versagensmeldungen endlich hinter uns | |
| lassen. | |
| 4 Mar 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.nytimes.com/2021/02/20/world/europe/germany-coronavirus-second-… | |
| [2] https://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/120/1712051.pd | |
| [3] /Korruptionsvorwuerfe-gegen-Georg-Nuesslein/!5754198 | |
| [4] /Verfassungsschutz-stuft-Partei-ein/!5755634 | |
| [5] https://www.fink.de/view/title/52019 | |
| ## AUTOREN | |
| Ambros Waibel | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| BRD | |
| deutsch | |
| Gesundheitsamt | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| Bayern | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Coronabekämpfung in Deutschland: Es gibt kein deutsches Impfdesaster | |
| Nein, wir sind nicht „Impfweltmeister“. Aber vieles läuft gut. Wir sollten | |
| die Schwarz-Weiß-Malerei lassen, auch für unser eigenes Wohlbefinden. | |
| Digitaler Nockherberg: Hat auch gar nicht wehgetan | |
| Bier, Spott, Gesang. Und das alles vor Live-Publikum – geht doch. Der | |
| Starkbieranstich am Nockherberg ist mit Erfolg ins Netz verlegt worden. | |
| Mode im Lockdown: So viele Klamotten, so wenig Geld | |
| Im Lockdown bleiben die Modegeschäfte geschlossen und die Winterware türmt | |
| sich – zum Ärger der Betreiber. Was lässt sich dagegen tun? | |
| BDI-Chef zu Betrieben und Corona: Allgemeine Geschäftsbedingungen | |
| BDI-Chef Siegfried Russwurm zeigt im Interview, wo der Hammer hängt: Die | |
| Industriebetriebe müssten offen bleiben, komme, was da wolle. | |
| Seelischer Stress in der Pandemie: Sicherheitszone für alle | |
| Ein Mann hat sich aus Angst vor Covid drei Monate im Flughafen versteckt | |
| und wurde verurteilt. Dabei braucht es einen solidarischen Shutdown. |