Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- BDI-Chef zu Betrieben und Corona: Allgemeine Geschäftsbedingungen
> BDI-Chef Siegfried Russwurm zeigt im Interview, wo der Hammer hängt: Die
> Industriebetriebe müssten offen bleiben, komme, was da wolle.
Bild: Dr. Siegfried Russwurm geht mit Inzidenzwerten spielerisch um
Gegen die Pandemie lässt sich manches sagen. Löblich an ihr ist, dass sie
die Weichzeichner des öffentlichen Diskurses wegätzt; und manchmal liefert
sie sogar Sternstunden der Aufklärung.
S[1][o etwa am Mittwochmorgen das Interview von Sandra Schulz mit dem
Präsidenten des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Siegfried
Russwurm], im Deutschlandfunk. Einige auf die Höhepunkte zugeschnittene
Auszüge könnten zumindest für die höheren Klassen den Präsenzunterricht in
Sozialkunde ersetzen – wenn denn die Eltern Zeit und Ausbildung hätten, den
Stoff pädagogisch aufzubereiten; aber wen kümmern in diesen Zeiten schon
Details.
„Solange es keine Evidenz gibt“, sagte Russwurm, „dass die Unternehmen
wirklich einen signifikanten Anteil am Infektionsgeschehen haben,
ursächlich haben, wäre es Wahnsinn, auf Verdacht ein Try and Error zu
machen und zu sagen, jetzt probieren wir es halt mal und schließen die
Industrie, wird schon hoffentlich helfen.“
Sandra Schulz darauf vorbildlich pädagogisch: „Erklären Sie es vielleicht
noch mal genauer. Warum ist es gravierender, wenn vier Wochen keine Autos
gebaut werden, als wenn vier Wochen Erstklässler nicht im Klassenzimmer
sitzen?“
## Sanfte Breitseite
Russwurm verstockt: „Wir müssen verstehen, wie das Ausbreitungsgeschehen
ist, und dann konkret dort eingreifen, wo wir ein Problem lösen können.
Bisher gibt es keine Evidenz dafür, dass die Industrie da ein Problem war.“
Schulz mit sanfter Breitseite: „Das Argument [..] bringen ja nun alle
Gruppen vor. Alle sagen, solange es bei uns nicht bewiesen ist, möchten wir
offen bleiben. Nur, dass jetzt die Erfahrung ist, die anderen sind
geschlossen und Sie offen.“
Und nun erklärt Russwurm [2][die allgemeinen Geschäftsbedingungen]: „Die
Auswirkungen auf das Industrieland Deutschland wären wirklich immens, auch
nicht einfach aufholbar. Und deswegen: Try and Error geht da nicht. Hope is
not a strategy.“
Es ist genau das, was viele verzweifelte Eltern gerade beinhart erfahren.
Die Rechte ihrer Kinder auf Bildung und Gemeinschaft zählen nichts, für sie
bleibt hope die einzige strategy. Und auch für die Arbeitnehmer:innen, die
an ihrer Arbeitsstätte Hand anlegen, gilt: Try and Error – steckst du dich
heute nicht an, dann eben morgen.
## Popanz Arbeiter
Dass an solchen herrschaftlichen Verhältnissen weder individuell noch
kollektiv – etwa durch einen gewerkschaftlichen Aufschrei – ernsthaft
gerüttelt wird, zeigt nebenbei noch etwa anderes: Alle (neo-)liberalen und
konservativ-linken Lobpreisungen des „Arbeiters“ und das
wirklichkeitsresistente Eindreschen auf linke, identitätspolitische
Positionen haben etwas gemeinsam.
Sie preisen einen Typus, der gesellschaftlich, auch im ureigensten
Interesse des schieren Überlebens, nichts mehr bewegen kann. In einem
anderen Interview, mit Michael Hüther (58) Direktor des Instituts der
Deutschen Wirtschaft [3][fiel dann auch der klare Satz]: „Es gilt nach dem
Grundgesetz die Unantastbarkeit der Menschenwürde, aber das Recht auf
ewiges Leben nicht.“
Bei Friedrich II. von Preußen hieß das, an fliehende Soldaten gewandt, nach
der Überlieferung noch schmissiger: „Ihr verfluchten Racker, wollt ihr denn
ewig leben?“ Rhetorisch ist also noch Spielraum, was die Krisen-Ansagen von
oben angeht.
20 Jan 2021
## LINKS
[1] https://www.deutschlandfunk.de/lockdown-massnahmen-bdi-praesident-muessen-d…
[2] /Lohnarbeit-in-Coronazeiten/!5733710
[3] https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/iw-chef-michael-huether-im-interview…
## AUTOREN
Ambros Waibel
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
BDI
Arbeiter
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Pannen in der Pandemie: Deutschland einig Schlafiland
In der Coronakrise zeigt sich die Bundesrepublik als verpenntes Gebilde.
Zeit, sich auf einen modernen postpandemischen Staat zu freuen.
Lockdown in Deutschland verlängert: Homeoffice nur als Angebot
Was gilt jetzt in Schulen, Betrieben und zu Hause? Wir geben Antworten für
die nächste Runde des Lockdowns, die kommenden Mittwoch beginnt.
Ökonomin über Resilienz in Lieferketten: „Ausfallrisiko besser verteilen“
Wegen Corona drohen Lieferausfälle. Ob das den Trend zur „Fabrik Europa“
verstärkt, sei nicht sicher, sagt Ökonomin Lisandra Flach.
Wirtschaftsweise und Coronavirus: Die kapitalistische Pandemie
Der Weltbiodiversitätsrat empfiehlt, die Wirtschaft umzubauen, um künftige
Pandemien zu vermeiden. Das würde einen Systemwechsel bedeuten.
Neue Coronamaßnahmen in Deutschland: Kauf dich glücklich
Diesmal treffen die Coronabeschränkungen die Kulturschaffenden am
härtesten. Sie müssen jetzt umfänglich entschädigt werden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.